Familie

Situation von Ehren­amt­lichen in Rettungs­diensten er­örtert

Rettungshubschrauber und -wagen im Einsatz

Der Unterausschuss befragte Experten zum Thema Rettungsdienste. (© picture-alliance/imageBroker)

Rettungsdienste, die sich zu einem großen Teil auf das Engagement von Ehrenamtlichen stützen, haben zunehmend Schwierigkeiten geeignetes Personal zu gewinnen, kämpfen mit steigenden Einsatzzahlen und vermissen einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Rahmen. Sie sollen aber im Notfall schnell und sachgerecht Hilfe leisten, sei es bei Unfällen oder Naturkatastrophen. Um deren aktuelle Situation zu erörtern, hat der Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagementdes Familienausschusses bei seinem öffentlichen Fachgespräch am 28. November 2018 Vertreter von Rettungsdiensten angehört. Alexander Hoffmann (CDU/CSU), Vorsitzender des Unterausschusses, leitete die Sitzung.

Unterschiedlichste Aufgaben und Herausforderungen

Albrecht Broemme, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), stellte selbst die Frage in den Raum: „Haben die Rettungsdienste in Deutschland zukünftig noch genug Potenzial zum Retten oder müssen sie selbst gerettet werden?“ Tausende von Ehrenamtlichen stünden rund um das Jahr in Rufbereitschaft und leisteten mit ihrem Einsatz einen wesentlichen Beitrag zum Katastrophenschutz und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Wichtigste, was man ihnen geben könne, sei Anerkennung.

Broemme, der keinen düsteren Ausblick zeichnen wollte, nannte die Herausforderungen, vor denen Dienste wie das THW stehen. So investiere man in die Nachwuchsgewinnung, die sich wegen des Wegfalls der Wehrpflicht und aufgrund des gesellschaftlichen Wandels insgesamt schwieriger gestalte. 

„Bindungsfähigkeit an einen Beruf lässt nach“

„Die lebenslange Bindungsfähigkeit an einen Beruf lässt nach.“ Dabei müsse man sich viel flexibler zeigen als bisher und stärker auf den einzelnen Bewerber eingehen und auch die „Ausbildung individualisieren“, so Broemme. Man müsse sich fragen: „Mit welchen Voraussetzungen kommt ein Mensch zum THW?“ 

Das THW wolle sich auch für Gruppen, die bislang nicht zur Hauptzielgruppe gehörten, wie Senioren, Frauen und Ausländer weiter öffnen, Menschen, die wertvolle Kompetenzen einbringen können, so der THW-Präsident, und illustrierte den gestiegenen Planungsaufwand an der Schnittstelle von hauptamtlichen Mitarbeitern im öffentlichen Dienst und Ehrenamtlichen.

Bedeutung für den ländlichen Raum

Sebastian Gold, ebenfalls vom THW, Landesbeauftragter für Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, unterstrich die wichtige Rolle, die das THW in ländlichen Regionen spiele, indem es dort einen Beitrag zum Katastrophenschutz leiste und einen professionellen Anknüpfungspunkt zum Mitmachen biete.

„Wir müssen in der Fläche präsent bleiben, auch da, wo weniger Menschen wohnen“, betonte er die „Verantwortung für die Menschen vor Ort“. Die ehrenamtlichen THWler hätten „Spaß an Technik, wollen anderen helfen und suchen Gemeinschaft“, so Gold.

„Wir brauchen kluge Ideen und fähige Personen“

„Wir brauchen kluge Ideen und fähige Personen, um Menschen zum Mitmachen zu bewegen“, sprach auch er die gestiegenen Personalsorgen der Rettungsdienste an. Bei der Suche nach neuen Kräften, der Anerkennung des freiwilligen Engagements und der Erleichterung der Arbeit vor Ort erfahre man dabei große Unterstützung seitens der Politik und lokaler Behörden, die bis zu Detailfragen, wie der größeren Sichtbarkeit im öffentlichen Raum durch eine bessere Beschilderung, reiche. 

Zusätzlich zu den Mitgliedern im „organisierten Ehrenamt“ baue man zukünftig auf eine nicht unerhebliche Zahl an „Spontanhelfern“, die sich bei jedem Einsatz meldeten und unter Anleitung mitmachen könnten. Die höchste Form der Anerkennung für Freiwillige sei die Förderung in Form von Weiterbildungen. Derartige Programme seien gut investiertes Geld, sagte der THW-Landesbeauftragte.

Problem der fehlenden Bundeszuständigkeit 

Auf das Problem einer fehlenden Bundeszuständigkeit und stattdessen 16 unterschiedliche gesetzliche Regelungen auf Länderebene, die komplexe Abstimmung von Haupt- und Ehrenamtlichen sowie die unterschiedlichen Zuständigkeiten und Spannungen zwischen den Bereichen Gesundheitswesen und Zivilschutz ging Wolfgang Kast, Teamleiter Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst beim Deutschen Rotes Kreuz,ein.

Die völlig verschiedenen Länderrettungsdienstgesetze führten bundesweit zu Ungleichzeitigkeiten, besonders bei der Stellung des Ehrenamtes, aber auch bei rechtlichen Verbesserungen. „Einheitliche bundesgesetzliche Regelungen sind nötig“, sagte Kast, der auch für die unterschiedlichen ministeriellen Zuständigkeiten bei der Gefahrenabwehr und im Gesundheitswesen weiteren Abstimmungsbedarf sah.

Kommunen, die es leid seien, Aufträge auszuschreiben, würden das Rettungswesen privatisieren. Aber: „Durch die zunehmende Kommerzialisierung erodiert das Ehrenamt“, kritisierte Kast. „Warum soll ich als Ehrenamtlicher beim nächsten Straßenfest mitmachen, wenn ich bei kommerziellen Dienstleistern dafür bezahlt werde?“ Für die bereits erfolgte Vereinfachung des Vergaberechts sei man Bundesregierung und Bundestag sehr dankbar. 

Enorme Kompetenzen im Freiwilligendienst

Kast räumte auch mit dem Vorurteil auf, der Einsatz von Ehrenamtlichen sei unprofessionell. Bei den Rettungsdiensten sei seit Jahrzehnten ein enormes Wissen ausgebaut worden. Zahlreiche Fachkräfte engagierten sich neben ihrem Beruf ehrenamtlich und brächten wertvolle, unverzichtbare Kompetenzen in den Freiwilligendienst ein. „Bereits in 1950er-Jahren hatten wir eine Verknüpfung von Hauptamtlichen und Ehrenamt. Hauptamtliche und Ehrenamtliche arbeiten Hand in Hand.“

Wünschenswert sei künftig eine einheitliche Freistellungsregelung bei Einsätzen für beide Gruppen, forderte er. Der Bund könne den Ehrenamtlichen außerdem weitere Anerkennung geben, indem er die Vermittlung von Selbstschutzinhalten und die Ausbildung zu Helfern fördere. Alles andere sei Angelegenheit der Bundesländer. 

Weniger Mitglieder bei freiwilligen Feuerwehren

Kaum jemand wolle sich noch ein Leben lang verpflichten, sieben Tage in der Woche rund um die Uhr Bereitschaftsdienst zu leisten, erklärte Lars Oschmann, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands, den sozialen Wandel, der es auch mit sich gebracht habe, dass die Zahl der Mitglieder bei den freiwilligen Feuerwehren in Deutschland seit 1990 um 15 Prozent zurückgegangen sei, von damals 1,1 Millionen auf 995.000 im Jahr 2017.

Demgegenüber stünden immer mehr Einsätze, wie beispielsweise beim Hochwasserschutz, die unter anderem auf den Klimawandel zurückzuführen seien. Das bereite den Freiwilligenstrukturen, vor allem im ländlichen Raum, größte Schwierigkeiten, da viele Ehrenamtliche bei zu langen Abwesenheiten Probleme mit ihrem Arbeitgeber bekommen.

Immer mehr gewalttätige Übergriffe auf Einsatzkräfte

Erschwert werde die Arbeit der Freiwilligen außerdem durch die steigende Zahl gewalttätiger Übergriffe während der Einsätze. Das mache den Dienst, auch im Hinblick auf die Gewinnung neuer Mitglieder, nicht gerade attraktiver. Viele Opfer von Gewalt quittierten zudem nach einem tätlichen Übergriff den Dienst, was weitere personelle Lücken reiße. 

Oschmann forderte daher mehr Respekt für Rettungskräfte, Beistand für Opfer und einen verbesserten, auf die Situation von Freiwilligen zugeschnittenen Versicherungsschutz. Die regional unterschiedlichen Kampagnen zur Mitgliedergewinnung sollten bundesweit gebündelt werden. Außerdem sollte die Feuerwehr, obgleich sie eine kommunale Aufgabe erfüllt, gesetzlich stärker auf Bundesebene verankert werden, sei die Feuerwehr doch bei Katastrophen stets der größte Rettungsdienst im Katastrophenfall. (ll/29.11.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Albrecht Broemme, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)
  • Sebastian Gold, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), Landesbeauftragter für Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt
  • Wolfgang Kast, Deutsches Rotes Kreuz (DRK e. V.), Teamleiter Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst
  • Lars Oschmann, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV e. V.)

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