Grünen-Verkehrsexperte Matthias Gastel will Mobilität mit weniger Autos
Durch den richtigen Einsatz anderer zur Auswahl stehender Verkehrsmittel kann es gelingen, Mobilität mit weniger Autos zu erreichen. Das betont der Verkehrsexperte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Matthias Gastel, in einem am Montag, 18. Dezember 2017, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. Das Auto habe in der Stadt „seinen Zenit deutlich überschritten“, werde aber im ländlichen Bereich „sicherlich auch in Zukunft noch eine größere Rolle spielen“. Das Interview im Wortlaut:
Herr Gastel, stimmt es, dass Sie kein Auto haben?
Das ist richtig. Ich habe noch nie die Notwendigkeit gespürt, selbst ein Auto zu besitzen. Ich bin gerne mit dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs, nutze die öffentlichen Verkehrsmittel Bahn und Bus und bin damit sehr gut mobil.
Fühlen Sie sich als Außenseiter, wo bei uns Autos nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Statussymbole sind?
Keineswegs. Ich sehe mich vielmehr als Teil einer immer größer werdenden Gruppe in unserer Gesellschaft, die bewusst auf ein eigenes Auto verzichtet. Bei den jungen Menschen verliert das Auto an Bedeutung. In Baden-Württemberg hat der Anteil der jungen Menschen mit Führerschein seit 2001 um knapp ein Drittel abgenommen. Andere Dinge sind den Menschen offenbar wichtiger als das Auto, das als Statussymbol ausgedient hat.
Die Grünen werden vielfach als autofeindlich wahrgenommen. Stört Sie das?
Mein Verhalten hat nichts mit Autofeindlichkeit zu tun. Eher mit einem rationalen Blick auf das Auto, das für manche Wege das geeignetste Verkehrsmittel sein kann. Es gibt aber sehr viele Wege, für die das Fahrrad, das Zufußgehen, der Bus oder die Bahn das angemessene Verkehrsmittel sind. Wir Grünen sind nicht gegen das Auto, aber für einen vernünftigen Umgang mit ihm. Unser Ziel ist Mobilität mit weniger Autos. Durch den richtigen Einsatz der anderen zur Auswahl stehenden Verkehrsmittel kann das gelingen.
Es gibt aber Regionen, da stehen kaum Alternativen zur Verfügung…
Deswegen betrachten wir die unterschiedlichen Räume auch unterschiedlich. Das Auto in der Stadt hat seinen Zenit deutlich überschritten. Im ländlichen Bereich wird das Auto aber sicherlich auch in Zukunft noch eine größere Rolle spielen. Dennoch gibt es auch dort schon viele positive Ansätze. Es gibt immer mehr Streckenaktivierungen der Bahn, die erfolgreich sind und so Alternativen zum Auto anbieten. Wir haben das Modell des Kombibusses, wo man Personenfahren mit dem Transport von Lasten kombiniert. Die Bildung von Fahrgemeinschaften kommt auch voran.
Dennoch werden viele am Auto festhalten, weil es bequemer ist. Sollte das Autofahren verteuert werden?
Richtig ist, dass wir an ökologisch schädliche Subventionen heran müssen. Es gibt keinen Grund, Diesel niedriger zu besteuern als Benzin. Wir wollen aber nicht Mobilität teurer machen. Es gibt Ideen, wie öffentlicher Personennahverkehr und Bahn finanziert werden können, ohne dass jedes Jahr die Ticketpreise steigen. Die Verkehrswende, für die wir Grünen eintreten, geht zudem auch in Richtung Elektromobilität und anderer alternativer Antriebssysteme.
Als Hemmnis für Elektroautos wird die zu geringe Zahl an Ladestationen und die mangelnde Reichweite der Batterien genannt. Was tut sich da?
Die Probleme werden größer geredet als sie sind. Wir haben derzeit einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur. Außerdem könnte im Grunde jeder mit eigener Garage dort sein Auto aufladen. Und was die Reichweite angeht: Ein Auto bewegt sich in Deutschland im Durchschnitt 40 Kilometer pro Tag. Das ist bei einem E-Auto schon jetzt kein Problem.
Welche Anreize für den Kauf von Elektroautos würden Sie setzen?
Wir Grüne schlagen ein Bonus-Malus System vor. Diejenigen, die sich ein Fahrzeug mit einem Verbrennungsmotor kaufen, das einen überdurchschnittlichen Verbrauch hat und entsprechend viele Kohlendioxidemissionen freisetzt, sollen einen Betrag in einen Fonds einzahlen, aus dem wiederum eine Kaufprämie für emissionsfreie Fahrzeuge finanziert wird.
Nicht nur die Käufer – auch die deutschen Autobauer tun sich schwer beim Thema Elektroauto. Warum?
Die Hersteller sagen, wir haben jetzt so viel in die Entwicklung der Diesel-6-Euronorm investiert, das wir diese Autos erstmal verkaufen wollen, bevor wir so richtig in die Elektromobilität einsteigen. Ausländische Hersteller bieten solche Autos ernsthafter an. Wir müssen aufpassen, technologisch nicht zurückzufallen. Immer mehr Länder setzen Zeichen für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Bei uns wird aber so getan, als könnte die Autoindustrie diese Entwicklung ignorieren und trotzdem erfolgreich bleiben. Dem ist aber nicht so.
Sie wollten ja Druck ausüben mit der Zielmarke: Ab 2030 keine Neuzulassung für Verbrennungsmotoren. Die ist nun im Rahmen der Sondierungsgespräche einkassiert worden. Aus welchem Grund?
Es gibt dafür zwei Gründe. Zum einen waren wir sehr ernsthaft am Zustandekommen des Jamaika-Bündnisses interessiert und wussten, dass man den potenziellen Partnern entgegenkommen muss. Zum zweiten hat sich der Weltmarkt seit der Fassung des Grünen-Wahlprogramms Ende Juni deutlich in die Richtung entwickelt, in die wir mit dem Ausstiegsbeschluss wollen.
Eine andere Richtung als es die Grünen wollen, nimmt der Ende 2016 beschlossene Bundesverkehrswegeplan 2030. Was stört Sie an den Planungen?
Vor allem, dass Schienenprojekte eindeutig benachteiligt werden. Sie müssen sehen, dass wir in diesem Bereich einen erheblichen Nachholbedarf haben. Das Netz ist unterentwickelt, der Zustand völlig unzureichend. Leider ist und bleibt die Bahn aber ein Stiefkind deutscher Verkehrspolitik. Der Blick richtet sich auf den Stauabbau durch Straßenbau – nicht auf die Attraktivitätssteigerung der Bahn.
Macht der Bund als Eigentümer der Bahn in dieser Hinsicht keine Vorgaben?
Zumindest keine ausreichenden. Es wird zwar immer mehr Geld in die Schieneninfrastruktur investiert, ohne dass aber klar gesagt wird, welche konkreten Ziele verfolgt werden. Richtig wäre es, der Bahn zu sagen: Wenn ihr mehr Geld haben wollt, erwarten wir mehr Pünktlichkeit und auch einen Zugewinn an Fahrgästen.
Sie fahren nicht nur viel mit der Bahn, sondern auch gern mit dem Rad. Begrüßen Sie es, dass der Bund künftig Radschnellwege mitfinanzieren kann?
Selbstverständlich. Leider kann das Geld aber nicht abfließen, weil es an den entsprechenden Richtlinien fehlt. Und natürlich brauchen wir eine Klärung der Rechtsfragen in Sachen Elektromobilität auf zwei Rädern. Noch sind die schnellen Pedelecs, die 45 km/h schaffen, auf Radwegen nicht zugelassen. Breite, komfortable Radwege sollten für sie aber geöffnet werden.
Ein Dauerbrenner der vergangenen Wahlperiode war die Pkw-Maut. Wenn sie von allen Autofahrern gezahlt werden müsste und nicht mehr Ausländer diskriminieren würde – wären Sie dann dafür?
Zuerst mal sind wir für die Ausweitung der Lkw-Maut. Sie wäre ohne großen technologischen Aufwand ausweitbar auf weitere Straßen und auch auf kleinere Lkw. Damit käme auch richtig Geld in die Kassen, um die Infrastruktur in Schuss halten zu können. Stattdessen gab es in den letzten Jahren Vergünstigungen bei der Lkw-Maut um etwa 15 Prozent. Um den gleichen Anteil sind die Trassenpreise für die Bahn gestiegen. Die Kostenschere zwischen Straße und Schiene ist im Bereich des Güterverkehrs also um 30 Prozent zulasten der Schiene auseinander gegangen.
Und wie steht es mit der Pkw-Maut?
Da bin ich skeptisch. Denn dafür müsste ein komplett neues System eingeführt werden – verbunden mit hohen Kosten und datenschutzrechtlichen Problemen.
(scr/18.12.2017)