Parlament

Lindner: Schicksalsjahr für die Zukunft der EU steht bevor

Porträtaufnahme eines Mannes mit blonden Haaren und Dreitagebart

Christian Lindner (FDP) (Dennis Williamson)

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner sieht das Jahr 2019 als „ein Schicksalsjahr für die Zukunft der Europäischen Union“. Seine Fraktion wolle deutlich machen, „dass Europa überall dort gestärkt werden muss, wo gemeinsame Lösungen einen politischen Mehrwert schaffen“, sagt Lindner im Interview. So wollen die Liberalen weiterhin für eine Europäische Armee eintreten, „die wir schon lange vor der Bundeskanzlerin zur Priorität erklärt haben“. Vorstellbar sei auch ein gemeinsamer Fonds, der konkrete Investitionsvorhaben für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz fördert. „Eine Art Dispo-Kredit für Regierungen in der Eurozone, mit dem diese ihre Wahlversprechen finanzieren können, werden wir allerdings nicht unterstützen“, macht der FDP-Politiker deutlich. Positiv bewertet er es, dass künftig „Bund und Länder im Interesse der Schülerinnen und Schüler stärker kooperieren dürfen“. Dafür habe sich seine Fraktion beharrlich eingesetzt. Das Interview im Wortlaut:

Herr Lindner, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge der FDP-Fraktion im Jahr 2018?

Noch in den Jamaika-Sondierungen 2017 war eine Reform des Bildungsföderalismus nicht erreichbar. Die Fraktion der Freien Demokraten hat sich dennoch beharrlich dafür eingesetzt, dass Bund und Länder im Interesse der Schülerinnen und Schüler stärker kooperieren dürfen – mit Erfolg. Der Bundestag beschloss Anfang Dezember mit verfassungsändernder Mehrheit, dass der Bund in Zukunft nicht nur in die schulische Infrastruktur, sondern zum Beispiel auch in die Weiterbildung von Personal investieren darf. Auf diese Weise wollen wir die Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungssystems sicherstellen, gerade auch im digitalen Zeitalter. Kontinuierlich haben wir uns darüber hinaus für eine Entlastung der Bürger eingesetzt. Allein der Bund hat 2018 mehr als zehn Milliarden Überschuss erwirtschaftet. Es ist überfällig und ohnedies verfassungsrechtlich geboten, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Die Politik muss der arbeitenden Mitte wieder mehr Luft zum Atmen verschaffen, damit diese in die Zukunft investieren kann.

Was halten Sie für die größte Herausforderung im kommenden Jahr? Welche thematischen Schwerpunkte will Ihre Fraktion 2019 setzen?

Nicht nur wegen der Europawahl wird 2019 ein Schicksalsjahr für die Zukunft der Europäischen Union werden. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, das Erstarken des Populismus, nach wie vor ungelöste Probleme in der Währungsunion: Es bleibt viel zu tun in der Europapolitik. Auch als Fraktion wollen wir deutlich machen, dass Europa überall dort gestärkt werden muss, wo gemeinsame Lösungen einen politischen Mehrwert schaffen. Zum Beispiel werden wir weiterhin für eine europäische Armee eintreten, die wir schon lange vor der Bundeskanzlerin zur Priorität erklärt haben. Einen ähnlichen Mehrwert sehen wir beim digitalen Binnenmarkt oder in stärkeren Kompetenzen der EU, wenn es um Freihandel geht. Was die Währungsunion betrifft, so können wir uns auch einen gemeinsamen Fonds vorstellen, der konkrete Investitionsvorhaben für Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz fördert. Eine Art Dispo-Kredit für Regierungen in der Eurozone, mit dem diese ihre Wahlversprechen finanzieren können, werden wir allerdings nicht unterstützen.

Welche Ziele werden Sie als Fraktionsvorsitzender verstärkt verfolgen? Gibt es ein Thema, für das Sie sich persönlich besonders einsetzen wollen?

Deutschland muss nicht nur wirtschaftlich modernisiert werden. Wir haben in Fragen der gesellschaftlichen Modernisierung einen Entscheidungsstau. Zum Beispiel halte ich eine Legalisierung nicht kommerzieller, aktiver Sterbehilfe nach dem Vorbild der Schweiz für geboten. Ich verstehe, dass es Bedenken dagegen gibt. Dennoch sollten wir diese Frage mit dem gebotenen Ernst diskutieren, denn viele Menschen wünschen sich dringend eine Modernisierung hier. Ähnlichen Reformbedarf sehe ich, wenn es um die nicht kommerzielle Leihmutterschaft geht. Und nicht zuletzt sollten wir auch eine neue Verantwortungsgemeinschaft nach dem Vorbild des Zivilpakts in Frankreich diskutieren.

(hau/21.12.2018)

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