Parlament

Frank Schwabe: Gegenüber Russland auch Härte zeigen

Ein Mann sitzt in einem Sitzungssaal an einem Tisch und spricht in eine Mikrofon.

Frank Schwabe (SPD) ist stellvertretender Leiter der Bundestagsdelegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates. (DBT/Thomas Imo/photothek.net)

„Was Russland will, ist schwer zu erkennen“: Mit diesen Worten kritisiert Frank Schwabe im Interview die Moskauer Abgeordneten wegen ihres Boykotts der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, seitdem die Straßburger Abgeordneten Sanktionen gegen die russische Delegation wegen der Annexion der Krim verhängt haben. Moskau vermittele den Eindruck, „keinen besonderen Wert auf den Europarat zu legen“, so der SPD-Abgeordnete. Vor der vom 21. bis 25. Januar 2019 dauernden Tagung der Versammlung wird gerätselt, ob die russischen Vertreter anreisen und den Boykott beenden werden. Schwabe, in Straßburg Vizevorsitzender der Bundestagsdelegation, betont, bei Sanktionen müssten für Russland die gleichen Regeln gelten wie für andere Staaten: „Da bin ich für Härte.“ Das Interview im Wortlaut:

Herr Schwabe, wird zur Wintersession wieder eine russische Delegation anreisen? Oder werden die Moskauer Abgeordneten ihren Boykott fortsetzen, den sie gegenüber dem Europaratsparlament seit der Verhängung von Sanktionen wegen der Annexion der Krim praktizieren?
Das kann ich nicht sagen. Was Russland will, ist schwer zu erkennen. Ich habe den Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen in Moskau keinen besonderen Wert auf den Europarat legen. Andernfalls müssten sie das mal sagen und entsprechende Zeichen setzen.
Zur Debatte steht, in der Versammlung für die Verhängung von Strafmaßnahmen gegen eine nationale Delegation die Hürden höher zu legen und so Russland entgegenzukommen. Und werden Sanktionen gegen ein Land verfügt, so dürfen die betroffenen Abgeordneten trotzdem an der Wahl des Generalsekretärs, des Menschenrechtskommissars und der Mitglieder des Menschenrechtsgerichtshofs teilnehmen.
Grundsätzlich sind Strafmaßnahmen gegen Parlamentarier das falsche Mittel, um Verfehlungen von Staaten zu ahnden. Dieser Weg wurde mangels anderer Mittel eingeschlagen. Stattdessen sollten wir darüber reden, wie unsere Versammlung ähnlich wie das Ministerkomitee als Gremium der Regierungen an Strafmaßnahmen gegen Mitgliedsländer insgesamt mitwirken kann.
Ist es denkbar, dass im Falle eines russischen Akkreditierungsantrags die Versammlung die Moskau auferlegten Strafmaßnahmen nicht nur abschwächt, sondern komplett aufhebt? Dass sich Russland also zur Gänze durchsetzt?
Eine Debatte über die Frage, ob Moskau sich durchsetzt oder nicht, führt in die falsche Richtung. Russland tut sich als sehr großes Land generell schwer mit einer Institution wie dem Europarat. Aber wenn sie dabei sein wollen, gelten für sie die gleichen Regeln wie für andere Staaten. Und da bin ich für Härte. In Straßburg haben wir sehr viele Möglichkeiten, Menschenrechtsverletzungen und die Missachtung demokratischer Grundregeln klar zu benennen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Auch gegenüber Russland. In anderen Fällen sollten wir dies ebenfalls konsequent praktizieren.
Sollte die Versammlung ihre Sanktionen gegenüber Moskau aufweichen, dann könnten Konflikte mit Abgeordneten aus Osteuropa hochkochen. Die Ukraine hat bereits gedroht, ihrerseits das Europarats-Parlament zu boykottieren.
Ich glaube nicht, dass jemand diesen Schritt tun will. Ich kann ein solches Verhalten auch nicht empfehlen. Ich verstehe die schwierige Lage der Ukraine. Das Vorgehen Russlands stellt für das Land sicher eine Zumutung dar. Aber das ist bei sonstigen Konflikten wie etwa bei Armenien und Aserbaidschan auch nicht anders. Unser Staatenbund lebt von seinen Werten und vom Dialog über diese Werte. Für die Entwicklung der Mitgliedsnationen ist es von Vorteil, in Straßburg dabei zu sein und von Erfahrungen anderer Länder zu lernen. Konflikte müssen wir aushalten. Wenn Mitgliedstaaten jedoch zentrale Regeln wie die Umsetzung der Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs nicht beachten, dann ist Schluss.
Aus der deutschen Delegation kommt Unterstützung für eine Beilegung des Streits mit Russland. Warum ist es so wichtig, Moskau im Europarat bei der Stange zu halten? Russland verweigert ja auch Beitragszahlungen von jährlich über 30 Millionen Euro.
Am Geld darf es nicht hängen. 46 Staaten müssen in der Lage sein, den Ausfall Moskauer Zahlungen zu kompensieren. Wichtig ist es für die über 140 Millionen Russen, dass sie unter dem Schutz der Menschenrechtskonvention bleiben und vor dem Straßburger Gerichtshof klagen können. Das macht aber wiederum nur Sinn, wenn Moskau umfassend kooperiert und zum Beispiel die Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung ins Land lässt. Das ist zurzeit leider nicht der Fall.
Der Streit mit Moskau, aber auch andere Konflikte etwa mit der Türkei oder Aserbaidschan werfen Schatten auf die 2019 anstehenden Feiern zum 70. Jahrestag des Europarats. Braucht der Staatenbund zum Jubiläum eine neue Standortbestimmung?
Europa und die Welt brauchen eine Standortbestimmung. Der Europarat kann nur so gut sein, wie seine Mitglieder gewillt sind, die Regeln multilateraler Organisationen zu befolgen, an den Sinn solcher Organisationen zu glauben und die Werte der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte zu achten. Das alles wird im Jubiläumsjahr natürlich auf die Tagesordnung kommen. Sollten die genannten zentralen Punkte negativ beurteilt werden, dann wird das nächste Jubiläum fünf Jahre später eher eine Trauerveranstaltung. Aber soweit soll es nicht kommen. Also brauchen wir eine Neubesinnung auf die Lehren aus unserer leidvollen Geschichte, die zur Gründung des Europarats geführt haben. (kos/17.01.2017)

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