Karliczek: Kampf gegen Krebs wichtiger Teil der Hightech-Strategie 2025
Der Bundestag hat am Freitag, 1. Februar 2019, erstmals eine Stunde lang über die „Hightech-Strategie 2025 – Forschung und Innovation für die Menschen“ (19/4100) sowie die Rahmenprogramme „Forschung für die zivile Sicherheit 2018-2023“ (19/2910) und „Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt“ (19/4645) der Bundesregierung debattiert.
Ministerin: Neue Therapien ans Krankenbett bringen
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat während der Debatte am Freitag, 1. Februar 2019, den Kampf gegen Krebs als wichtigen Teil der Hightech-Strategie der Bundesregierung benannt. Ziel der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ sei es unter anderem, neue Therapien schneller aus der Forschung „ran ans Krankenbett“ zu bringen, sagte die Ministerin.
Ängste und Sorgen der Menschen sollten nicht nur bei der Therapie, sondern auch bei der Forschung ernst genommen werden. Eine große Rolle beim Kampf gegen Krankheiten spiele auch die künstliche Intelligenz. Sie könne Muster bei Krankheiten aufdecken und darauf schließen, welche Therapien erfolgversprechend seien. Benötigt würden dazu aber möglichst viele Patientendaten, sagte Karliczek. Es gelte, den Spagat zu leisten, dennoch die Privatsphäre der Patienten zu beachten.
Als weiteren Punkt innerhalb der Hightech-Strategie der Bundesregierung führte die Ministerin die Elektromobilität an. Es dürfe nicht sein, dass sich die Autonation Deutschland von der Batterieproduktion in Asien abhängig mache. „Wir haben daher den Startschuss für eine Batterieforschungsfabrik gegeben“, sagte sie. 500 Millionen Euro würden dafür „in die Hand“ genommen.
AfD: Anhäufung wohlklingender Phrasen
Aus Sicht von Dr. Götz Frömming (AfD) ist die Hightech-Strategie der Bundesregierung „kein schlüssiges Programm zur Förderung der Hochtechnologie, sondern eine Anhäufung von wohlklingenden Phrasen und Absichtserklärungen“. Mit der Strategie werde ideologiegetriebene Gesellschafts- und Umweltpolitik mit dem Ziel der allumfassenden Umgestaltung des Landes betrieben, kritisierte er.
Getrieben von den Grünen wolle die Bundesregierung aus Deutschland einen zentral gesteuert und gelenkten „Öko-Musterstaat“ machen, sagte Frömming. Die AfD werde sich jedoch der schleichenden De-Industrialisierung des Landes entgegenstellen, kündigte er an.
FDP: Gründer gehen fast immer leer aus
Auch Dr. Thomas Sattelberger (FDP) kritisierte die Ministerin. Karliczek werfe ihre strategischen Worthülsen wie tote Katzen über den Zaun und hoffe, dass die sich dann irgendwie berappeln. „Was ist das Strategische an dieser Strategie?“, fragte Sattelberger. Schon seit Jahren kritisierten Experten, dass der Hightech-Strategie konkrete Meilensteine, eine klare Zielhierarchie, eine „Stärken-Schwächen-Analyse“ und eine ehrliche Positionierung, wo Deutschland im internationalen Wettbewerb steht, fehlen würden.
Der FDP-Abgeordnete kritisierte auch die IKT-Förderung (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Zugangs zu Informations- und Kommunikationstechnologien), die überwiegend an die großen, etablierten Forschungseinrichtungen gehe. „Digitale Unternehmer und Gründer gehen fast immer leer aus“, sagte Sattelberger.
Linke will neue Kultur bei Innovation und Forschung
Dr. Petra Sitte (Die Linke) forderte eine neue Kultur bei Innovation und Forschung. „Es muss multilateral und kooperativ statt rein konkurrierend gedacht werden“, sagte sie. Genau diese Ansätze seien aber in der Hightech-Strategie der Bundesregierung nicht zu finden. Es sei falsch zu glauben, dass die meisten Probleme auf der Welt technologiegetrieben gelöst werden könnten. Benötigt würden soziale Innovationen. Dazu müssten Transformationsforschungen und Forschungen zu sozialen Innovationen inhaltlich und finanziell gestärkt und zugleich in alle Strategien integriert werden, forderte die Linken-Abgeordnete.
In der Hightech-Strategie der Bundesregierung fänden sich aber nur in wenigen Förderlinien Forschungen zu sozialen und gesundheitsbezogenen Dienstleistungen oder Forschungen an Szenarien zur Stärkung der Sozialsysteme. „Was wir mit öffentlichen Geldern finanzieren, dient viel zu wenig der Gesellschaft“, befand Sitte.
Grüne: Kämpfen sieht anders aus
Dr. Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte mit Blick auf die Stickoxidgrenzwerte-Diskussion, dass die Bundesregierung angesichts eines „Briefes von hundert Privatpersonen“ den gesamten Forschungsstand beiseite wische und damit ihr Nichtstun im Bereich Gesundheitsschutz und saubere Luft rechtfertige. Sie hoffe, dass die Haltung der Wissenschaftsministerin in dieser Frage eine andere ist als die anderer Kabinettsmitglieder, sagte Christmann.
Wenn die Bundesregierung den Forschungstand selber nicht anerkenne, leiste sie einer Wissenschaftsskepsis Vorschub, „die für unsere Gesellschaft gefährlich ist“. Die Grünen-Abgeordnete bemängelte zudem, dass Karliczek angesichts einer Erhöhung im Wissenschaftsbereich von jährlich 500 Millionen Euro offenkundig nicht daran interessiert sei, das 3,5-Prozent-Ziel (3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Investition in Wissenschaft und Forschung) zu erreichen. „Kämpfen für die Wissenschaft sieht anders aus“, sagte sie.
SPD: Kampf gegen Krebs gesellschaftliche Herausforderung
Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) nannte den Kampf gegen Krebs „eine gesellschaftliche Herausforderung“. Schließlich sei jeder Zweite davon betroffen. Lauterbach forderte, die Grundlagenforschung zu stärken. „Da haben wir ein Defizit“, sagte er. Ein weiteres Problem sei, dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen nicht ausreichend an die Industrie angebunden seien. Für den Schritt vom Forschungsergebnis zum Medikament würden schließlich riesige Summen und langjähriges Vertrauen benötigt.
Um Daten in der Medizin nutzbarer und auswertbarer zu machen, brauche es einheitliche Formate, die durch nationale Vorgaben erreichbar seien, sagte Lauterbach weiter. „Wir haben das Geld, wir haben die Köpfe und wir haben die Möglichkeiten“, so der SPD-Abgeordnete. Das müsse nun in der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ zusammengebracht werden.
CDU/CSU: Nachholbedarf beim Wissenstransfer
Auch wenn die Wirtschaft brumme und die Arbeitslosenzahlen einen Tiefstand hätten, gebe es Nachholbedarf beim Wissenstransfer, sagte Albert Rupprecht (CDU/CSU). Es seien US-Unternehmen, die die Weltmärkte im Bereich der Zukunftstechnologien dominierten. Auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland seien die Prozessinnovationen und die Produktinnovationen in den letzten Jahren zurückgegangen.
Dem gegenüber stünden Rekordinvestitionen in Wissenschaft und Forschung. „Es gibt also eine Innovationslücke, die wir ernst nehmen müssen“, sagte Rupprecht. Deshalb sei die Verbesserung des Transfers „eine der Schlüsselaufgaben der laufenden Legislaturperiode“.
Anträge der Opposition
Mitberaten wurden das „Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2018“ (19/1140) sowie der „Bundesbericht Forschung und Innovation 2018“ (19/2600). Außerdem befasste sich das Plenum erstmalig mit einem Antrag der FDP (19/7118) unter der Überschrift „Hightech-Strategie 2025 strategisch ausrichten“ sowie einem Antrag, mit dem Bündnis 90/Die Grünen „Partizipation in Wissenschaft und Forschung stärken“ wollen (19/4857).
Im Anschluss wurden die Vorlagen zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.
Beteiligung der Zivilgesellschaft in der Wissenschaftspolitik
In ihrem Antrag schreiben die Grünen, Wissenschaft und Forschung hätten in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine rasanten Bedeutungszuwachs erfahren. Viele Menschen erwarteten, dass neue Erkenntnisse aus der Forschung dazu beitragen, die großen gesellschaftlichen Aufgaben von morgen – etwa die Abwendung der Klimakrise, das Aufhalten des Artensterbens oder nachhaltigen Umgang mit Ressourcen – zu lösen.
Initiativen, Verbände, Vereine und Bürger wollen sich zudem nach Ansicht der Grünen vermehrt mit ihren Erkenntnisinteressen und ihrer Expertise einbringen. Wenn die Rahmenbedingungen richtig gesetzt würden, könnten solche Impulse nicht nur das öffentliche Vertrauen in das Wissenschaftssystem steigern, sondern auch die Innovationskraft der Bürger für die Forschung fruchtbar machen.
Die Fraktion fordert deshalb, dass die zahlreichen konstruktiven Impulse aus der Gesellschaft als Chance für die Wissenschaft ernst zu nehmen und neue Partizipationsmöglichkeiten in Wissenschaftspolitik und Forschung zu schaffen. Für substanzielle Beteiligung der Zivilgesellschaft in der Wissenschaftspolitik seien auf Dauer eingerichtete, transparente Formate mit klaren Zuständigkeiten notwendig. Es sei wichtig mehr als punktuelle Konsultationen zwischen Politik und Zivilgesellschaft oder temporäre Bürgerforen einzurichten.
Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung
Die Regierung hat sich ihrer Hightech-Strategie 2025 zufolge das Ziel gesteckt, den Aufwärtstrend bei Investitionen in Forschung und fortzusetzen und bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dafür aufzuwenden. Die Hightech-Strategie 2025 richte sich an drei großen Handlungsfeldern aus: Es soll eine Forschung gefördert werden, die auf aktuelle und zukünftige Bedarfe ausgerichtet ist und im Alltag der Menschen ankommt.
Das Ziel seien technologische und nichttechnologische einschließlich sozialer Innovationen, bei denen der Nutzen für den Menschen im Mittelpunkt stehe. Die Bundesregierung nehme dabei die Themenfelder „Gesundheit und Pflege“, „Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energie“, „Mobilität“, „Stadt und Land“, „Sicherheit“ sowie „Wirtschaft und Arbeit 4.0“ in den Fokus.
Als zweiter Schwerpunkt sollen Deutschlands Zukunftskompetenzen gestärkt und systematisch weiterentwickelt werden. Dazu fördere die Bundesregierung Schlüsseltechnologien, die mit ihren breiten Anwendungsmöglichkeiten neue, auch disruptive (vorhandene Produkte verdrängende) Innovationspotenziale eröffnen und die Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärken sollen. Gleichzeitig verzahne die Bundesregierung Forschungs- und Technologieförderung eng mit der Aus- und Weiterbildung. Als drittes will die Bundesregierung eine „offene Innovations- und Wagniskultur“ etablieren.
Gutachten für Forschung und Innovation
Die Expertenkommission Forschung und Innovation empfiehlt der Bundesregierung weiterhin in Forschung und Innovation zu investieren, um auch künftig die Rolle Deutschlands als führende Wirtschaftsnation zu sichern. Ausgaben in Forschung und Innovationen sind angesichts des technologischen Wandels Investitionen in die Zukunft.
Die Experten halten es für wichtig, der Digitalisierung eine deutlich höhere Priorität einzuräumen als bisher. Die Rahmenbedingungen für Internet und internetbasierte Technologien müssten deutlich verbessert werden.
Insgesamt wird empfohlen, das sogenannte E-Government (digitale Kommunikation zwischen Bürger und Staat) auszubauen und die digitale Bildung in der Breite zu fördern. Zudem sollen mit der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung Anreize für kleinere und mittlere Unternehmen gesetzt und gute Bedingungen für Start-up-Unternehmen geschaffen werden.
Darüber hinaus empfehlen die Experten, dass die Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften ihren eigenständigen Charakter behalten sollen. Ferner treten sie dafür ein, die digitale Bildung zu fördern – und dieses schon ab dem Grundschulalter. Es bedürfe dazu sehr guter IT-Ausstattung und hochqualifizierter Lehrer. Beides sei in Deutschland nicht in ausreichendem Maß vorhanden.
Bundesbericht Forschung und Innovation 2018
Deutschland gehört in Europa und weltweit zu den führenden Innovationsnationen und attraktivsten Wissenschaftsstandorten, stellt die Bundesregierung in ihrem Forschungs- und Innovationsbericht 2018 fest. In den vergangenen Jahren habe sich das innovationspolitische Umfeld gewandelt. Im globalen Wettbewerb hätten die aufstrebenden Schwellenländer gegenüber den traditionellen Industrieländern Europas, Amerikas und Asiens weiter aufgeholt, schreibt die Bundesregierung. Diese Entwicklung stelle höhere Anforderungen.
Dort, wo Deutschland in die Forschung investiere, sollten bestmögliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, so die Regierung. Denn neben exzellenter Wissenschaft und Forschung, einer innovationsfreudigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft sowie qualifizierten Fachkräften in allen Sektoren seien die Rahmenbedingungen ein entscheidender Pfeiler des Forschungs- und Innovationssystems. Auch im Mittelstand könnten und müssten Potenziale für neue, gute Arbeitsplätze in der Industrie und in wissensbasierten Dienstleistungen erschlossen werden.
Forschung für die zivile Sicherheit
Veränderte sicherheitspolitische Rahmenbedingungen, der zunehmende Trend zur Digitalisierung im privaten und beruflichen Umfeld sowie der gesellschaftliche Wandel erforderten neue Antworten aus der zivilen Sicherheitsforschung, so die Bundesregierung. Kernaufgabe sei es, Bürger besser vor Gefährdungen zu schützen, die mit den Auswirkungen von Naturkatastrophen, Terrorismus und Kriminalität verbunden sind. Die Forschung ziele sowohl darauf ab, die Eigenvorsorge und Widestandsfähigkeit der Bevölkerung zu stärken als auch die Anwender – zum Beispiel Feuerwehren, Polizeien und Rettungsdienste, Katastrophenschutz- und Ordnungsbehörden sowie Energie- und Wasserversorger – zu unterstützen.
Ein Schwerpunkt des neuen Rahmenprogramms „Forschung für die zivile Sicherheit 2018 bis 2023“ sei es, die Anwender bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen und vor Gefahren zu schützen. Die Erforschung neuer Technologien, die Förderung neuer organisatorischer Kompetenzen und die Erschließung neuer Kommunikationswege trügen dazu bei, dass Katastrophen und Alltagseinsätze besser und sicherer bewältigt werden.
Weiterentwicklung der Quantentechnologie
Für die Weiterentwicklung der Quantentechnologien und die dafür erforderlichen strukturellen Voraussetzungen gebe es Handlungsbedarf, schreibt die Bundesregierung weiter. In Deutschland seien größere, international und stärker auf Anwendungen ausgerichtete Forschungskapazitäten notwendig. Der Rechtsrahmen des Grundgesetzes mit den Grundsätzen der Wissenschaftsfreiheit sowie der föderalen Ordnung gebe dabei vor, dass Entscheidungen im Wettbewerb und auf der Grundlage fachlicher Kriterien getroffen werden.
Die Bundesregierung werde deshalb die relevanten Trägerorganisationen der Forschung beauftragen, Vorschläge zu einer Neuausrichtung im Hinblick auf eine stärker anwendungsbezogene quantentechnologische Forschung zu entwickeln. Ziel sei es, in der öffentlich grundfinanzierten Forschung verstärkt Themen der Quantenphysik mit hoher Anwendungsrelevanz in Forschung und Entwicklung-Verbundprojekten zu fördern.
Solche Anwendungen würden bislang überwiegend im Rahmen der Grundfinanzierung von Forschungsorganisationen sowie auch im Rahmen einzelner Projektfördermaßnahmen finanziert. Aktuell stünden hier etwa 100 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Zusammen mit zusätzlichen Maßnahmen würden von der Bundesregierung 2018 bis 2023 Mittel in Höhe von etwa 650 Millionen Euro eingeplant. (hau/rol/sas/01.02.2019)