Parlament

Kiesewetter: Hilfe für den Aufbau in Libyen fort­setzen

Ein Mann in mittleren Jahren mit Brille und offenem blauen Hemd schaut in die Kamera.

Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) (DBT/Stella von Saldern)

Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) appelliert an die Parlamentarische Versammlung der Union für den Mittelmeerraum, sich bei ihrer Tagung am 13. und 14. Februar 2019 in Straßburg „entschieden für den libyschen Friedensprozess“ einzusetzen. Die EU müsse angesichts der Flüchtlingskrise in dieser Weltgegend in Libyen „weiter den Aufbau von Staatlichkeit und die Ausbildung der Sicherheitsorgane unterstützen“, fordert der Leiter der Bundestagsdelegation im Interview. Er warnt die EU davor, ihr Engagement in der Mittelmeerregion zurückzufahren. Dann werde das Schleuserunwesen noch attraktiver, auch könnten Mächte wie Russland oder Ägypten in das Vakuum vorstoßen. Das Interview im Wortlaut:    


Herr Kiesewetter, ob EU, Nato, OSZE, Europarat, Uno: Alle sind bislang beim Versuch gescheitert, die Flüchtlingskrise am Mittelmeer in den Griff zu bekommen. Gelingt es jetzt Ihrer Versammlung, einen Durchbruch zu erzielen?

Unsere Versammlung soll dabei helfen, zwischen den Parlamenten der Mitgliedstaaten der Mittelmeer-Union eine intensive Kooperation zu entwickeln, um gemeinsame Herausforderungen besser bewältigen zu können. Die Flüchtlingskrise hat allerdings zur Spaltung geführt. Die Mittelmeerländer müssen begreifen, dass der Nachteil anderer langfristig nicht zum eigenen Vorteil gereicht. Alle Seiten müssen umdenken. Dazu gehört die Einsicht, dass die mit der massenhaften Migration einhergehenden Probleme ohne gute Regierungsführung nicht zu meistern sind.

Welches sind denn die Kernprobleme?

Die von Flüchtlingen stark frequentierten Transitstaaten an der Südküste des Mittelmeers haben bislang keine echten Reformen im Sinne einer nachhaltigen ökonomischen Neuordnung eingeleitet. Das Sagen haben in solchen Ländern immer noch alte Eliten oder Regierungen, die vom Militär dominiert werden, nur Tunesien sticht noch als Vorbild heraus. Solche Formen staatlich gelenkter Wirtschaft bieten der Jugend keine guten Zukunftschancen. Europäische Staaten sehen sich gegenüber diesen Ländern unter Druck, deren Wohlverhalten bei der Rücknahme von Flüchtlingen oder beim Ausbremsen von Fluchtmigration mit Finanzhilfen zu „bezahlen“. Künftig sollte jedoch in diesen Ländern Geld aus Europa gezielt für die Förderung der Wirtschaft eingesetzt werden. Und die Sicherheitssektoren sind einer demokratischen politischen Kontrolle zu unterstellen.

Mehrfach hat die EU angekündigt, in Kooperation mit den Mittelmeer-Anrainern die Bekämpfung des Schlepperunwesens zu verschärfen. Schleuserkriminalität existiert aber immer noch in großem Umfang.

Migration ist ein Milliardengeschäft. Entlang der Fluchtrouten verdienen kleine „Reiseunternehmen“ ihr Geld. Es mischen aber auch professionell organisierte Netzwerke mit, die zudem nicht selten in den Waffenhandel oder auch in die Förderung des Terrorismus verstrickt sind. Libyen ist immer noch nicht unter Kontrolle.  Es bleibt attraktiv, die illegale Migration zum Geschäftsmodell zu machen.

Selbst die kleine Sophia-Aktion droht zu scheitern. Die Kommandomacht Italien wird verdächtigt, Sophia zu boykottieren, weil 50.000 gerettete Flüchtlinge ins Land kamen, die kein anderer EU-Staat aufnehmen will. Die Deutsche Marine hat sich aus der Mission zurückgezogen. Ist Sophia noch zu retten?

Diese EU-Mission ist nur sinnvoll, wenn wir in Libyen weiter den Aufbau von Staatlichkeit und die Ausbildung der Sicherheitsorgane unterstützen können. Ansonsten sollte man „Sophia“ einstellen. Ohne Regierung und ohne funktionierende Behörden lassen sich keine Menschenrechte schützen. Fährt die EU ihr Engagement zurück, so wird das Schleuserunwesen noch attraktiver und Mächte wie Russland oder Ägypten können das Vakuum füllen. Die Versammlung sollte sich entschieden für den libyschen Friedensprozess aussprechen.

Seit Jahren wird gefordert, Fluchtursachen in Afrika einzudämmen. Helfen sollen mehr wirtschaftliche Hilfe für die Staaten südlich der Sahara einerseits und effektivere Grenzkontrollen der afrikanischen Länder andererseits, um Flüchtlinge vom Mittelmeer fernzuhalten. Doch es geht nicht voran.

Unsere Versammlung sollte deutlich ambitioniertere Schritte fordern als bislang erfolgt sind. Mehr als ein solcher Appell ist fürs erste nicht zu machen. Die Bekämpfung von Fluchtursachen ist nun mal keine geschäftliche Alternative zum milliardenschweren Netzwerk von Schleusung, Schmuggel und organisierter Kriminalität. Nötig sind vielmehr abgestimmte Regierungsinitiativen auf EU-Ebene.

Wie steht Ihre Versammlung zu Plänen von EU und Uno, in Afrika Flüchtlingszentren einzurichten, in denen bereits über Asylanträge entschieden wird?

Im Prinzip ist dies eine Option. Die mit solchen Lagern einhergehenden Probleme dürfen die afrikanischen Partnerstaaten jedoch nicht zu stark belasten, sonst drohen neue Instabilitäten. Nun sind die Chancen sehr gering, in solchen Zentren einen positiven Asylbescheid zu erhalten. Deshalb werden viele Flüchtlinge Lager dieser Art wohl gar nicht erst aufsuchen. Die EU kommt nicht darum herum, in den betreffenden Regionen Afrikas die Wirtschaftsförderung zu verstärken und die Fluchtursachen effizienter zu bekämpfen. (kos/07.02.2019)

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