Menschenrechte

Zaklin Nastic setzt sich für die Frei­lassung von Israa al-Ghomgham ein

Eine Frau im roten Kleid lehnt an ein Geländer im Reichstagsgebäude.

Zaklin Nastic (Die Linke) setzt sich für die Freilassung der saudi-arabischen Menschenrechtlerin Israa al-Ghomgham ein. (DBT/Andreas Reich)

Es ist eines der schockierendsten Beispiele für die Verfolgung von Menschenrechtlern. Der saudi-arabischen Anwältin und Menschenrechtsverteidigerin Israa al-Ghomgham droht in ihrem Heimatland eine lange Haftstrafe. Bis vor Kurzem hatte die vom saudischen König kontrollierte Staatsanwaltschaft sogar noch die Todesstrafe für die 30-jährige Aktivistin gefordert. Inzwischen scheint es so, dass zwar die Forderung nach einer Todesstrafe fallen gelassen wurde. An den Vorwürfen gegen al-Ghomgham halten die Behörden aber fest. Damit bleibt die Gefahr, dass sie zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird.

Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“

Im Sommer 2018 ist die Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic (Die Linke) durch die Berichterstattung von Medien und Menschenrechtsorganisationen auf Israa al-Ghomgham aufmerksam geworden und hat sie für das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PsP) des Deutschen Bundestages vorgeschlagen.

Mit dem Patenschaftsprogramm hat der Ausschuss für Menschenrechte Bundestagsabgeordneten eine Möglichkeit geschaffen, Abgeordnete und Menschenrechtsverteidiger weltweit zu unterstützen.

Patenschaftsprogramm ermöglicht konkrete Unterstützung

„In vielen Ländern sind massive Verstöße gegen die Menschenrechte an der Tagesordnung. Wer sich dort für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt, geht ein hohes Risiko ein. Autoritäre Regime dulden keine Opposition und freie Meinungsäußerung, die ihre Machtgrundlage gefährden könnten. Wer Kritik äußert, wird oft brutal zum Schweigen gebracht“, sagt Nastic, die Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und Sprecherin für Menschenrechtspolitik ihrer Fraktion ist.

Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages setze sie sich international für die Achtung der Menschenrechte ein. Es sei eine Verpflichtung für alle Politiker, sich zu engagieren. „Kurz nach meiner Wahl in den Deutschen Bundestag 2017 habe ich von dem Programm des Bundestages erfahren“, sagt Nastic. „Ich bin froh dass es diese Möglichkeit gibt, Patenschaften zu übernehmen. Damit können wir Abgeordneten einen konkreten Beitrag leisten: Aktivisten unterstützen und schützen und dem Thema insgesamt Aufmerksamkeit verschaffen.“

„Aus gutem Grund haben die Abgeordneten des Bundestages dieses Programm geschaffen“, sagt Nastic. „Es gibt nach wie vor viel zu viele gravierende Verstöße.“ Und das 70 Jahre nach der Unterzeichnung der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen, der sich die allermeisten Länder der Welt angeschlossen haben. Wer dennoch in einer feindseligen Umgebung oder sogar unter Lebensgefahr für Menschenrechte und Vielfalt seine Stimme erhebe, verdiene höchste Anerkennung und Beistand, betont Nastic und weist auf die oftmals besonders bedrohliche Lage von Frauen hin.

Seit drei Jahren in Haft

Ende 2015 wurde Israa al-Ghomgham verhaftet. Inzwischen soll die Anwältin sogar in Isolationshaft genommen worden sein. Bereits direkt nach ihrer Verhaftung sei ihr aber der Kontakt zu Familie, Freundeskreis sowie einem Rechtsbeistand verweigert worden, fasst Nastic die Geschichte von Israa al-Ghomgham zusammen. Die offiziellen Vorwürfe lauten: zu Protestkundgebungen gegen die Regierung aufgerufen, an diesen teilgenommen, und dort Videoaufnahmen gemacht und im Internet verbreitet zu haben.

Der Gerichtsprozess gegen Israa al-Ghomgham vor dem sogenannten, direkt dem König unterstellten Terrorismusgericht, das dafür berüchtigt sei, Rechtsgrundsätze zu missachten und keinen fairen Prozess zu gewähren, laufe seit vergangenem Sommer, erläutert Nastic. Bei den letzten beiden Verhandlungstagen im Oktober und November 2018 war al-Ghomgham nicht anwesend. Das Gericht gab hierfür keine Gründe bekannt. Der für den 13. Januar 2019 angesetzte Gerichtstermin wurde ohne Angabe von Gründen und ohne die Bekanntgabe eines Ersatztermins abgesagt.

„Reale Gefahren für Leib und Leben“

Die Gefahren für Leib und Leben, denen Menschenrechtsverteidiger in Saudi-Arabien ausgesetzt sind, seien real, so Nastic. Dafür nehme die Führung in Riad sogar ein politisches Zerwürfnis mit wichtigen Wirtschaftspartnern in Kauf, wie im Fall Israa al-Ghomgham mit Kanada, das Unterstützung für die Aktivistin signalisiert hatte. Bereits der Fall des Journalisten Khashoggi habe gezeigt, dass die Führung in Riad nicht zimperlich mit Regimegegnern umgehe und sogar einen Streit mit den USA nicht scheue.

Die Menschenrechtspolitikerin erinnert daran, dass in Saudi-Arabien 2017 über 100 Menschen hingerichtet worden seien. Damit sei das Land auf der arabischen Halbinsel der Staat mit den meisten Exekutionen pro Einwohner.

„Deutschlands zweitbester Rüstungskunde“

Nastic verweist darauf, dass Menschenrechtsverstöße Saudi-Arabiens wiederholt Beratungsgegenstand im Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages gewesen seien. Dabei bringe man auch immer wieder die Rüstungsexporte deutscher Unternehmen in das Land zur Sprache, mit denen letztlich ein Unrechtsregime unterstützt werde, das sich gegen seine eigene Bevölkerung und internationales Recht stelle.

„Saudi-Arabien ist Deutschlands zweitbester Rüstungskunde. Mit dem gelieferten Gerät festigt das Regime seine Macht, unterdrückt seine eigene Bevölkerung und führt Krieg im benachbarten Jemen“, so Nastic. Deswegen fordere ihre Fraktion einen Stopp der Rüstungsexporte. Nachdem der Tod des Journalisten Khashoggi und dessen nähere Umstände Ende Oktober 2018 bekannt geworden waren, hatte die Bundesregierung die deutschen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien für zwei Monate gestoppt. Inzwischen sei der Exportstopp bis zum 9. März verlängert worden. Dass dies zu einem dauerhaften Stopp der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien führt, glaubt Nastic allerdings nicht.

Freispruch für saudische Aktivistin gefordert

Nastic fordert, wie viele andere Persönlichkeiten und Menschenrechtsorganisationen auch, von den saudi-arabischen Autoritäten einen sofortigen Freispruch für die Menschenrechtsaktivistin. Israa al-Ghomgham sei zu Unrecht in Haft und angeklagt. Dahinter stünden politische Motive, sagt Nastic. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International wiesen die Anklagepunkte der saudischen Behörden entschieden zurück. Al-Ghomgham habe sich keiner Verbrechen schuldig gemacht, sondern lediglich ihre Meinung kundgetan und friedlich Protest geübt gegen die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrem Land.

Irgendwie veränderten sich zwar die Dinge in Saudi-Arabien in Richtung gesellschaftlicher Erneuerung und Modernität, jedoch viel zu langsam und zu selektiv, sagt Nastic. Viele der vordergründigen Verbesserungen der Situation von Frauen seien vor allem Inszenierungen, um das Bild der Golfmonarchie aufzupolieren. Der saudische Kronprinz lasse sich dabei gerne als Reformer feiern, etwa als er Frauen das Autofahren erlaubt und Kinos in Saudi-Arabien zugelassen habe.

„Das ist noch nicht die Frauenbefreiung“

„Das ist aber sicher noch nicht die Frauenbefreiung“, so Nastic, zumal zur Wahrheit ebenso gehöre, dass viele grundlegendere Rechte von Frauen immer noch nicht verwirklicht worden seien und kurz vor Aufhebung des Fahrverbots für Frauen diejenigen Aktivistinnen, die sich jahrelang dafür eingesetzt hatten, verhaftet worden seien.

Wer in diesem Politikfeld mit offiziellen saudi-arabischen Stellen das Gespräch suche, werde regelmäßig ausgebremst. Ausländische Kritik werde von der saudischen Führung stets mit einer Einbestellung des jeweiligen Botschafters beantwortet sowie der Androhung, den bilateralen Handel einzufrieren. „Wir haben es in Saudi-Arabien mit einem vollkommen anderen politischen System zu tun, das man nicht mit Samthandschuhen anfassen darf.“

„Thema auf der Tagesordnung halten“

Man müsse um der Menschen willen, die sich für die Verbesserung ihrer Lage und für die Menschenrechte allgemein einsetzen, an der Sache dran bleiben, gibt sich Nastic kämpferisch. Sie ist davon überzeugt, etwas bewirken zu können. Als Parlamentarierin verfüge sie dazu über einige Möglichkeiten. Zunächst gelte es, das Thema auf der politischen Tagesordnung zu halten, in Deutschland wie auch in Saudi-Arabien, und dazu einerseits medienwirksam die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren.

Andererseits müssten die institutionellen Instrumente genutzt werden, die ihr als Abgeordneter gegeben seien. Sie werde weiter auf die Bundesregierung einwirken, sich der Angelegenheit anzunehmen. So arbeite sie an einer Kleinen Anfrage an die Regierung über die in Saudi-Arabien inhaftierten Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, sagt Nastic.

„Jede Möglichkeit nutzen, ihr zu helfen“

Sie werde zudem versuchen, Israa al-Ghomgham im Gefängnis zu besuchen, um ihr ihre Unterstützung, die des deutschen Parlaments, politisch, aber vor allem auch mental, zuzusichern und sich vor Ort über die Lage zu informieren.

Wahrscheinlich habe Israa al-Ghomgham wegen der isolierten Haftbedingungen nicht von ihrer Unterstützung seitens des Bundestages erfahren. Aber gerade weil sie unter diesen Bedingungen in Haft festsitze, müsse man jede Möglichkeit nutzen, ihr zu helfen.

„Das Beste wäre, wenn Israa al-Ghomgham freikäme“

Durch das PsP-Programm bekomme der Fall mehr Aufmerksamkeit. Der Deutsche Bundestag als Institution verschaffe dem Anliegen zudem den nötigen Nachdruck, vor allem bei der saudischen Führung. Zahlreichen Menschenrechtlern hätten Abgeordnete dadurch bereits helfen können. Auch dass die Todesstrafe gegen al-Ghomgham nicht mehr gefordert werde, ist ihrer Ansicht nach vor allem darauf zurückzuführen, dass der Fall auf großes öffentliches Interesse gestoßen sei. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Journalisten und Politiker hätten in den letzten Monaten darauf aufmerksam gemacht.

In Verbindung mit dem beschädigten Image Saudi-Arabiens als Folge des Mordes am Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul, habe dies sicher dazu beigetragen, dass die Forderung nach der Todesstrafe für Israa al-Ghomgham – allerdings nicht für ihre Mitangeklagten – zurückgenommen worden ist. „Das Beste wäre, wenn Israa al-Ghomgham und die fünf weiteren Angeklagten freikämen“, hofft Nastic. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sie wegen der Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Teilnahme an Demonstrationen für viele Jahre ins Gefängnis gesperrt würden. Dies zu verhindern werde sie alles in ihrer Macht stehende tun, so Nastic. (ll/22.02.2019)


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