Parlament

Was Frauen im Parlament in hundert Jahren erreicht haben

Wulf Schmiese, Kristina Schröder, Brigitte Zypries und Prof. Dr. Dominik Geppert

Moderator Wulf Schmiese, Ex-Bundestagsabgeordnete Kristina Schröder und Brigitte Zypries, Professor Dominik Geppert vor Beginn der Tagung am 6. April. (DBT/Melde)

100 Jahre Wahlrecht für Frauen in Deutschland. Zum Auftakt einer dreitägigen internationalen Historiker-Konferenz im Deutschen Bundestag diskutierten am Mittwochabend, 6. März 2019, die frühere Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) und die frühere Bundesjustiz- und Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) über das Thema „100 Jahre Frauen in Politik und Parlament – historische Erfolge, aktuelle Herausforderungen“.

Er könne sich keinen passenderen Ort für die Veranstaltung denken als den Deutschen Bundestag, „und dazu noch das Haus, das den Namen von Marie Elisabeth Lüders trägt, die als eine der ersten Frauen im Parlament saß“, sagte Prof. Dr. Dominik Geppert, Vorsitzender der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (KGParl) zum Auftakt der Konferenz.

Der einhundertste Jahrestag der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung im Januar 1919, als Frauen im Deutschen Reich erstmals das aktive und passive Wahlrecht gewährt wurde, sei Anlass gewesen, die Konferenz auszurichten. Der internationale Frauentag verweise neben den anderen großen Fragen der Gleichberechtigung auf den langen Kampf der Frauen für parlamentarische Stimmrechte seit dem 19. Jahrhundert, so Geppert.

Unterschiedliche Ansichten über Frauenpolitik

Die Tagung wolle aber nicht nur das Erreichte würdigen, sondern vor allem „die Mühen der Ebene“ in den Blick nehmen, denen sich die Frauen nach der erfolgreichen Einführung ihres Wahlrechts stellen mussten: Wir entwickelte sich die Wahlbeteiligung der Frauen von Wahl zu Wahl, wie ihre Mitwirkung in den politischen Parteien? Wie füllten weibliche Abgeordnete die ihnen nun rechtlich gewährte Rolle im Parlamentsalltag praktisch aus? Wie wurde ihr Tun in Öffentlichkeit und Medien wahrgenommen?

Wie unterschiedlich die Ansichten über Frauenpolitik heute sein können, das machten die beiden ehemaligen Abgeordneten und Ministerinnen, Kristina Schröder und Brigitte Zypries, deutlich. Ob es denn noch ein Thema gebe, bei dem sich weibliche Abgeordnete über Parteigrenzen hinweg einig seien, wie zu der Zeit, als der Kampf um das Frauenwahlrecht Sozialistinnen und Konservative einte, wollte Moderator Dr. Wulf Schmiese (Redaktionsleiter des ZDF-„heute-journals“) wissen.

„Ein alle Frauen verbindendes Thema“

Das sei auf jeden Fall das Thema der Kinderbetreuung für Abgeordnete gewesen, über die man in der vergangenen Wahlperiode eine fraktionsübergreifende Initiative gestartet habe, sagte Kristina Schröder. Während in den zurückliegenden Jahrzehnten Frauen in der Politik häufig diesen Weg ohne Kinder gegangen seien, habe es in der vorigen Wahlperiode dann auf einmal 25 weibliche Abgeordnete mit Neugeborenen und Kleinkindern gegeben. Das Thema sei in diesen Jahren neu aufgekommen. Parteiübergreifend habe Einigkeit geherrscht, dass man eine Regelung brauche, die die Arbeitsbedingungen von weiblichen Abgeordneten mit Kindern berücksichtigt. „Über Fragen der Kinderbetreuung finden Frauen nach wie vor einen Konsens“, sagte auch Brigitte Zypries. „Das ist ein alle Frauen verbindendes Thema.“

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der weiblichen Abgeordneten mit Kindern sei aber eben gerade kein politisches Thema gewesen, gab Kristina Schröder zu bedenken. Die ehemalige Familienministerin störte vor allem, dass Frauen in der Politik gerne immer noch auf den Arbeitsbereich der Frauenpolitik reduziert würden. „Frauen, egal ob als Wählerinnen oder als Abgeordnete, interessieren sich für alle Politikfelder.“ Und da gebe es dann den ganz normalen Wettkampf um Inhalte und die beste Lösung.

Zypries: Es war ein mühsamer Kampf

„Es gibt nicht die typische weibliche Position“, fuhr Schröder fort. „Nur weil wir Frauen sind, haben wir nicht automatisch dieselben Wertvorstellungen. Selbst bei der Frauenpolitik können wir völlig unterschiedlicher Meinung sein.“ Sie selbst stelle das immer wieder fest, sogar bei Gesprächen unter besten Freundinnen. Da prallten dann die Ansichten einer Konservativen und einer Grünen aufeinander: „Dann ruft sie: Gleichheit, und ich rufe: Freiheit.“ Und am Ende „hilft nur noch ein Glas Rotwein“.

Einig waren sich die beiden Diskussionsteilnehmerinnen darin, dass sie und die anderen heutigen weiblichen Abgeordneten ihren Vorkämpferinnen aus der Weimarer Zeit und den Abgeordneten und Ministerinnen aus den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik viel zu verdanken hätten. „Es war ein mühsamer Kampf, die Plätze zu erringen, die bis dahin nur Männer hatten“, sagte Zypries. „Aber sie mussten die Frauen ranlassen, als es nicht mehr anders ging. Den Frauen wurden dann zunächst nur Ämter mit ,frauentypischem' Bezug angeboten.“ Es habe lange gedauert, bis Frauen dann auch nicht allein „frauen-typische“ Ministerämter bekamen.

Schröder: Die Gleichberechtigung ist heute erreicht 

„Denen, die vor einhundert Jahren die Fundamente der Gleichberechtigung erkämpft haben, verdanke ich meine politische Karriere“, zollte auch Schröder den historischen Vorbildern Respekt. Aber während es damals um die Gleichberechtigung gegangen sei, gehe es heute weiter um Fragen der Gleichstellung. „Die Gleichberechtigung ist heute erreicht“, so Schröder, die sich damit von ihrer Diskussionspartnerin abgrenzte. „Ich lehne weitere staatliche Ziel- oder Wertfestlegungen ab.“ Wie ein Paar seine Rollen zu Hause verteile, sei allein dessen Privatsache. Der Staat habe nicht zu kommentieren, wie zwei erwachsene Menschen leben wollen.

Zypries stimmte dem nur teilweise zu: „Wer zu Hause bleibt, ist Privatsache“ – sah weiteren Handlungsbedarf für den  Staat aber darin, für Frauen und Mütter „Möglichkeiten zu schaffen, zu partizipieren“. Man solle nicht überholte Rollenbilder auch noch durch das Steuerrecht betonieren. „Ich würde das Ehegattensplitting sofort abschaffen, wenn ich die politische Möglichkeit dazu hätte“, so Zypries.

Pro und Contra verpflichtende Quoten

Die beiden ehemaligen Ministerinnen streiften auch noch die Debatte über Möglichkeiten und Sinn einer gleichen Bezahlung für Frauen und Männer („Offenlegungsgesetz“) und stritten über verpflichtende Frauenquoten oder freiwillige Quoten in Wirtschaft und Politik („Paritätsgesetz“). Während Zypries für weitere gesetzliche Regelungen plädierte, sprach sich Schröder klar gegen verpflichtende Quoten aus, da diese die Arbeit von Frauen entwerten könnten, wenn es nicht mehr um die Auswahl der Besten gehe, sondern nur darum, einen Listenplatz aus einem Bewerberinnen-Pool zu besetzen, der viel kleiner sei als der der Männer. „Das ist vor-modern.“

Die Veranstaltung war Auftakt zu der geschichtswissenschaftlichen Tagung „Vorhang auf – Frauen in Parlament und Politik im internationalen Vergleich“. Veranstalter der dreitägigen Konferenz, die vom 6. bis 8. März 2019 im Deutschen Bundestag stattfindet, ist die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e. V. (KGParl) in Berlin, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte am Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dem Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag und dem Masaryk-Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag. (ll/07.03.2019)

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