Kinderkommission

Pränatale Tests stoßen auf ethische Bedenken

Ultraschallaufnahme eines relativ ausgewachsenen Fötus

Die Kinderkommission beschäftigte sich erneut mit dem „pränatalen Kindeswohl“. (dpa Bilderdienste)

Der medizinische Fortschritt schreitet voran und das sei zu begrüßen; zugleich würde ebendieser Fortschritt aber auch ethische Fragen auf den Plan rufen. Auf diesen Widerspruch gebracht, fasste Susann Rüthrich (SPD), Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestages (Kiko), die Experteneinschätzungen zusammen, die das Gremium in seiner zwölften Sitzung am Mittwoch, 13. März 2019, einholte.   

Nachdem sich die Kiko in ihrer letzten Anhörung im Februar mit der Versorgung von Schwangeren und ungeborenen Kindern befasst hatte, rückten dieses Mal Problemstellungen im Bereich der pränatalen Diagnostik ins Zentrum der Diskussion. Durch nicht invasive pränatale Diagnostik (NIPD) lässt sich etwa eine Trisomie 21 (Down-Syndrom) heutzutage relativ zuverlässig via Bluttest feststellen. Welche Folgen sich daraus für Schwangere, Kinder, Ärzte und Gesellschaft ableiten, war nun Gegenstand einer Expertenanhörung.

„Wir wollen nicht abgetrieben werden“

Natalie Dedreux ist 20 Jahre alt, kommt aus Köln und hat das Down-Syndrom. Ihr Wunsch ist es, Journalistin zu werden. Ihre Empfehlung hinsichtlich der Frage, ob NIPD-Tests von Krankenkassen übernommen werden sollen, formulierte sie den Mitgliedern der Kiko gegenüber klar, sie sei gegen eine Bezahlung, denn sie finde „es nicht gut, schon früh zu wissen, ob das eigene Kind das Down-Sydrom hat“. 

„Mein Leben mit Down-Sydrom ist cool!“, betonte sie und verwies in diesem Zusammenhang auf das Grundgesetz, dessen Grundrechte für alle gelten würden, auch für Menschen mit Behinderung. Kinder, die mit dem Down-Syndrom geboren werden, könnten schließlich nichts dafür und müssten deshalb geschützt werden. „Wir wollen nicht abgetrieben werden“, sagte die Jugendliche, die sich beispielsweise über das Forschungsprojekt Touchdown 21 für Menschen mit Trisomie 21 einsetzt. „Die Welt soll aufhören, Angst vor uns zu haben“, schloss sie.

 „Inklusion ist ein Menschenrecht“

Die pränatale Diagnostik könne sie nicht sachlich betrachten, betonte Michaela Dedreux, Natalies Mutter, denn beide ihre Kinder seien mit Behinderungen zur Welt gekommen und wären so in das „Raster für eine mögliche Abtreibung“ gefallen.

Ihrer Einschätzung nach sollte die Diagnostik nur in Risikosituationen genutzt werden, etwa um Föten in Not zu helfen oder gar zu retten. Trisomie 21, so Dedreux, sei aber keine Krankheit:  „Nur weil ein Kind das Down-Syndrom hat, weiß man noch nicht, ob es gesund ist oder krank“, merkte sie an.

Für sie seien vor allem zwei Schlüssel bei der Integrierung von pränataler Diagnostik in den medizinischen Alltag relevant. Erstens eine gute, nicht defizitorientierte Beratung von werdenden Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom erwarten. Und zweitens der gesellschaftspolitische Auftrag, eine inklusive Gesellschaft zu gestalten. „Inklusion ist keine Option, Inklusion ist ein Menschenrecht“, appellierte Dedreux zum Schluss ihrer Einschätzungen.

Unsicherheit provozieren oder Sicherheit geben

Dr. Gabriele du Bois, Vorsitzende des Ethikausschusses im Deutschen Ärztinnenbund (DÄB) und Vorsitzende der gemeinsamen PID-Ethikkommission der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID), wies darauf hin, dass das Down-Syndrom nur eine von mehreren Diagnosen sein könnte, die durch pränatale Tests gestellt werden könnten. 

Du Bois nahm in ihrer Einschätzung vor allem das Befinden von schwangeren Frauen in den Blick. So betonte sie etwa, dass die Anwendung der Bluttests sowohl Unsicherheiten provozieren als auch Sicherheiten geben könnte. Besonders ältere Schwangere, die höhere Risiken tragen, könnten durch solche Tests auch psychisch entlastet werden, wenn ihnen etwa gesagt würde, dass die Schwangerschaft positiv verlaufe. Grundsätzlich teile sie aber die Einschätzung, dass die Gesellschaft stärker in Kontakt mit Menschen mit Down-Syndrom kommen sollte, um etwaige Trugbilder in den Köpfen abzubauen. 

„Ethisch betrachtet, eine Rasterfahndung“

Dr. Joachim Vetter, Leiter der Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates, beleuchtete die NIPD-Tests zunächst aus historischer Perspektive. 2013, als der Ethikrat hierzu eine Stellungnahme verfasste, sei die Test-Sicherheit nicht überzeugend gewesen. Heute hingegen sei sie deutlich besser geworden. Auch bei der Ärzteschulung im Bereich Beratungskompetenzen sei vieles geschehen. Dennoch: „Ethisch betrachtet, ist das eine Art Rasterfahndung“, gab Vetter mit Blick auf die NIPD-Tests und ihr Diskiminierungspotenzial zu bedenken.

Zugleich provoziere das Thema soziale Ungerechtigkeit. Schließlich würden private Krankenkassen die Bluttests übernehmen, bei gesetzlichen Kassen geschehe das hingegen nur in Ausnahmefällen. 

Vetters Vorschlag zur (durchaus auch gesetzlichen) Regelung der NIPD bestand nach Abwägung des Diskriminierungspotenzials mit den medizinischen Vorteilen darin, die Tests auf Risikoschwangerschaften zu begrenzen. (ste/13.03.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Gabriele du Bois, Vorsitzende des Ethikausschusses im Deutschen Ärztinnenbund (DÄB) und Vorsitzende der gemeinsamen PID-Ethikkommission der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID)
  • Natalie Dedreux, Journalistin und Expertin für Down-Syndrom
  • Michaela Dedreux, Mutter von Natalie Dedreux 
  • Dr. Joachim Vetter, Leiter der Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates

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