Verteidigung/Untersuchungsausschuss

Verstöße gegen Recht und Regeln bei der Vergabe von Verträgen

Ein runder Saal mit einem runden, innen offenen Tisch und schwarzen Stühlen

Der Sitzungssaal des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss im Paul-Löbe-Haus des Bundestages (DBT/Stephan Klonk)

Die selbst eingestandenen Verstöße gegen Recht und Regeln bei der Vergabe von Beraterverträgen haben der Bundeswehr keinen Anlass für personelle Konsequenzen gegeben. Dazu habe es keinen Anlass gegeben, weil kein Schaden entstanden sei, meinte der Leiter der Rechtsabteilung, Andreas Conradi, am Donnerstag, 11. April 2019, als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses. In der Sitzung unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD) rückten auch persönliche Beziehungen zwischen den Auftraggebern in Ministerien und Truppe sowie externen Auftragnehmern in den Fokus der Abgeordneten.

Keine Hinweise auf vorsätzliches Fehlverhalten

Fehlerhaftes Verhalten der Verwaltung führe nicht zwangsläufig zu Konsequenzen, beschied Conradi. Er hatte im vergangenen Jahr nach der Kritik des Bundesrechnungshofes an der Vergabepraxis mit Rügen für fast alle der stichprobenartig überprüften Verträge eine interne Verwaltungsermittlung des Ministeriums geleitet. Da habe er keine Hinweise auf vorsätzliches Fehlverhalten gefunden. Es habe keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, die zwingend die Aufnahme disziplinarischer Ermittlungen nahegelegt hätten. Auf Nachfragen ließ er offen, ob er dieser Frage näher nachgegangen war. Ein häufiger Regelverstoß sei die fehlende Dokumentation rund um die Vergabe von Beraterverträgen gewesen. Dies erschwere, Verantwortlichkeiten nachzuspüren, war Conradis Aussage zu entnehmen.

Im Gegensatz zum Verteidigungsministerium beharrt der Bundesrechnungshof darauf, dass in einem Fall ein Schaden von gut einer Million Euro entstanden sei. Dem hielt Conradi entgegen, ein Schaden müsse in jedem Einzelfall „positiv nachgewiesen“ werden. Das sei bei den fraglichen Verträgen nicht der Fall. Nicht jeder Verstoß gegen das Vergaberecht führe zu wirtschaftlichem Schaden.

Befragung von Ex-Rüstungsstaatssekretärin Suder

Zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses zählt auch, der Frage nachzugehen, ob Aufträge aufgrund persönlicher Beziehungen, von „Kennverhältnissen“ ist die Rede, vergeben wurden. Conradi berichtete, dass im Rahmen der Verwaltungsermittlung eine Reihe von Personen vernommen worden seien, darunter die Ex-Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder. Dass sie solche „Kennverhältnisse“ mit dem damals an Vergaben im IT-Bereich verantwortlichen Erhard Bühler und andererseits beteiligten Auftragnehmern hat, war laut Conradi rechtlich nicht zu beanstanden und habe sich auch nicht ausgewirkt. Es habe in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte für sachfremde Entscheidungen gegeben. Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) beförderte Bühler inzwischen vorübergehend vom Drei- zum Viersternegeneral und entsandte ihn zeitlich begrenzt zur Nato.

Abgeordnete machten bei der Sitzung öffentlich, dass in der Verwaltungsuntersuchung, die dem Ausschuss übergeben wurde, die Vernehmung Suders nur knapp und ohne Auflistung der gestellten Fragen dokumentiert worden sei und – nur bei ihr – die Uhrzeiten geschwärzt worden seien. Ob ihre Befragung länger oder kürzer als bei den anderen über 30 Personen gedauert habe, sei mithin nicht festzustellen. Dass Suder nicht vorm Verteidigungsausschuss erscheinen und Fragen nur schriftlich beantworten wollte, gilt als Auslöser dafür, dass er die ihm grundgesetzlich gegebene Möglichkeit ausschöpfte, sich zum Untersuchungsausschuss zu erklären. Der wird Suder jetzt als Zeugin bindend vorladen.

Unverständnis bei Bundeswehr-Revisor

Mit völligem Unverständnis hat Bundeswehr-Revisor Reinhard Müller auf die zahlreichen Verstöße bei der Vergabe von Beraterverträgen reagiert: „Warum man so agiert hat, entzieht sich meinem Horizont“, meinte er bei seiner Zeugenvernehmung. Das Verhalten entspreche nicht dem Transparenzgedanken der öffentlichen Verwaltung. Es sei aber auch im Interesse der Beschäftigten, sich durch Transparenz vor möglichen Ermittlungen gegen sie zu schützen.
Müller war nach seinem Bekunden schon ein Dreivierteljahr vor dem Bundesrechnungshof in ähnlichen Fällen Verstößen gegen die Vergabeordnung auf die Spur gekommen. Er habe deshalb gleich nach Bekanntwerden der Rechnungshof-Kritik den Auftrag bekommen, dem Befund erneut nachzugehen. Er wies darauf hin, dabei auf das „Uraltsystem“ mit der Abkürzung „EMIR“ angewiesen zu sein - ein System zum elektronischen Management unter anderem der Vertragsvergabe. Es enthalte nur Fragmente von Informationen darüber, was geregelt worden sei, welche Papiere zu Grunde lägen und wer verantwortlich sei – und sei „gefühlt 40 bis 50 Jahre alt“.

Revision hat nur „homöopathische Auswirkungen“

Ohnehin hat die interne Revision bei der Bundeswehr nach Müllers Darstellung nur „homöopathische Auswirkungen“. Die gerade mal 25 Prüferstellen seien zum Teil nicht besetzt. Es reiche gerade mal für zwei routinemäßige Prüfvorgänger im Jahr. Müllers Schwerpunkt im Bereich Ausrüstung ist mit dem IT-Bereich genau jener Sektor, auf den auch der Bundesrechnungshof ein besonderes Augenmerk legte. Die Bundeswehr-Revisoren prüfen nach Müllers Schilderung, ob beim Abschluss der Verträge die Verwaltungsvorschriften eingehalten wurden, ob alle Unterlagen vorliegen. Sie gingen nicht Fragen nach, ob Projekte sinnvoll und zweckmäßig seien. Demgegenüber lege der Bundesrechnungshof sein besonderes Augenmerk auf Haushaltsaspekte.

Müller erläuterte das Verfahren der Revisoren: Wenn sie bei der Überprüfung der Einhaltung von Verwaltungsregeln eine Soll-Ist-Abweichung feststellen, verfassten sie dazu zunächst einen vorläufigen Bericht. Den besprechen sie zunächst mit dem betroffenen Bereich. Erst danach werde der endgültige Bericht vorgelegt. (fla/12.04.2019)

Liste der geladenen Zeugen

  • Reinhard Müller
  • Beatrice Tomelzik
  • Andreas Conradi

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