Parlament

Abgeordnete aus der Schweiz zu Gast im Bundestag

Acht Männer und eine Frau stehen vor einer grünen Wand und schauen in die Kamera.

Die Schweizer Delegation traf mit Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich zusammen: von links Nationalräte Adrian Amstutz (SVP), Albert Rösti (SVP), Thomas Hardegger (SP), Kathy Riklin (CVP), Botschafter Paul R. Seger, Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich, Ständeratspräsident Joachim Eder (FDP), Nationalrat Peter Schilliger (FDP), Bundestagsabgeordneter Felix Schreiner (CDU/CSU), Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe (DBT/Melde)

Eine hochrangige sechsköpfige Delegation von schweizerischen Abgeordneten des Stände- und Nationalrates war vom 10. bis 12. April 2019 auf Einladung der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe zu einem Gedankenaustausch mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen in den Deutschen Bundestag gekommen. Sie trafen mit Bundestagsvizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (CDU/CSU) zusammen und führten Gespräche mit Mitgliedern des Auswärtigen, des Europa- und des Verkehrsausschusses.

Seit Jahrhunderten eng miteinander verflochten

Welche Auswirkungen der Brexit auf das wirtschaftliche Gefüge und die Handelsbeziehungen in Europa hat, darüber sprachen die Gäste unter anderem mit Bundestagsvizepräsident Friedrich. Angesichts der politischen Turbulenzen und Unsicherheiten in Teilen Europas und der Welt hätten die Schweizer ihr Interesse an einer stabilen und umfassenden Partnerschaft mit Deutschland und einem Deutschland als starkem europäischen Nachbarn zum Ausdruck gebracht, sagt Felix Schreiner (CDU/CSU), Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe, und ruft in Erinnerung, wie eng verflochten beide Länder bereits seit Jahrhunderten sind – weit über die unmittelbare gemeinsame Grenzregion hinaus.

So ist Deutschland mit Abstand größter Handelspartner der Schweiz und in der Rangliste der wichtigsten deutschen Handelspartner nimmt die Schweiz den neunten Platz bei den Exporten und den achten Platz bei den Importen ein. Beide Länder sind zudem durch Direktinvestitionen eng miteinander verflochten, zahlreiche Arbeitnehmer im jeweiligen Nachbarland beschäftigt. Dabei mache der alpenländischen Volkswirtschaft das Lohn- und Preisgefälle in Deutschland zunehmend zu schaffen, sagt Schreiner. In diesem Zusammenhang sei es den Schweizern ein wichtiges Anliegen, nun mit der EU rasch ein Rahmenabkommen abzuschließen. Den Austausch zwischen den beiden Ländern zum beiderseitigen Vorteil zu fördern und dazu Impulse und Anregungen zur Zusammenarbeit zu geben, begreife die Parlamentariergruppe als ihre Kernaufgabe.

Gäste dringen auf Ausbau deutscher Bahnstrecken

Breiten Raum in den Gesprächen mit der Schweizer Delegation nahmen verkehrspolitische Themen ein. Die Schweizer dringen darauf, das Großprojekt „Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT)“, das Nord- und Südeuropa mit einer schnelleren und leistungsfähigeren Schienenverbindung einander näher bringt, nun zu vollenden, indem auch die Zubringerstrecken aus Nachbarländern wie die Rheintalbahn in Deutschland, wie im Vertrag von Lugano vereinbart, ausgebaut werden.

„Da hängen wir massiv hinterher, während die Schweizer ihren Tunnel fristgerecht fertig gebaut haben“, mahnte Schreiner, der auch ordentliches Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ist. Die Delegation der Stände- und Nationalräte sprach auch die sogenannte Hochrheinstrecke an, die, größtenteils auf deutscher Seite verlaufend, täglich von zahlreichen Pendlern zwischen den beiden schweizerischen Städten Basel und Schaffhausen genutzt wird. Die Schweizer wünschen sich eine Elektrifizierung der Strecke und würden sich auch an den Kosten beteiligen, so Schreiner.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz seien exzellent, aber es gebe natürlich nicht nur Wohlfühlthemen, sagt der Vorsitzende der Parlamentariergruppe. Unter Freunden spreche man die auch vorhandenen Spannungsfelder offen an und bemühe sich um eine Lösung.

Mediationsverfahren wegen Fluglärm angeregt

So belaste der Fluglärm des boomenden Drehkreuzes Zürich große Teile der Bevölkerung im grenznahen Süddeutschland. Um den Streit zu schlichten und die Belastungen zu reduzieren, hätten die Bundestagsabgeordneten für ein von der Bundesregierung angeregtes Mediationsverfahren geworben. Man warte jetzt auf die Antwort der schweizerischen Regierung.

Der Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dessen Wahlkreis Waldshut in Baden-Württemberg direkt an die Schweiz grenzt, erinnert daran, dass das gutnachbarschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz nicht zuletzt auf dem über Jahrhunderte gewachsenen gemeinsamen Kultur- und Sprachraum gründe, zu dem der größte Teil der Schweiz gehöre. Nicht nur um ihrer selbst willen gelte es daher, Instrumente des Austausches zu pflegen und zu erhalten.

Erklärung zum Erhalt freier Fernsehprogramme

Um die kulturellen und sprachlichen Bande nicht zu schwächen, haben die Abgeordneten beider Länder bei ihrem Treffen auf deutsche Initiative hin eine Gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der sie die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft auffordern, die Ausstrahlung ihrer bislang auch in Deutschland mit digitalem Antennenfernsehen (DVB-T) empfangbaren Programme nicht wie beabsichtigt aus technischen Gründen zum 3. Juni 2019 einzustellen. Durch einen solchen Schritt würde dem „kulturellen und informativen Austausch über das zentrale Medium Fernsehen die Grundlage entzogen“, heißt es in der Erklärung.

Und weiter: „Mit dem Ziel den gemeinsamen Kulturraum gerade im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet zu pflegen und zu stärken, sehen wir die Notwendigkeit und Chance, dass der unverschlüsselte Empfang des schweizerischen Fernsehens auch weiterhin ermöglicht werden muss.“

Fasziniert vom schweizerischen Milizsystem

Dem Besuch der Schweizer Delegation sei seitens der Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen hohes Interesse entgegengebracht worden, resümiert Schreiner, die Arbeitstreffen der Ausschüsse seien gut besucht gewesen. Das liege wohl nicht zuletzt daran, dass die spezifische Form der schweizerischen Verfassung mit ihrem Milizsystem ohne berufliche Vollzeitpolitiker und ihren starken Elementen direkter Demokratie auf fast alle politisch Interessierten hierzulande eine große Faszination ausübe, sagt Schreiner.

Man habe auch bei dem aktuellen Treffen Zeit gefunden, sich über Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Modelle der Demokratie in Deutschland und der Schweiz auszutauschen, voneinander zu lernen und sich der Passgenauigkeit der eigenen Staatsform zu versichern. Beide Modelle hätten in dem jeweiligen Land ihre Funktionsfähigkeit und Berechtigung unter Beweis gestellt.

„Bürgerbeteiligung hat heute höheren Stellenwert“

Forderungen nach der Einführung von Volksbegehren und Volksabstimmungen „wie in der Schweiz“ auf Bundesebene auch in Deutschland habe das deutsche Grundgesetz sein bewährtes parlamentarisch-repräsentatives System entgegenzusetzen, in dem die gewählten Abgeordneten das letzte Wort hätten. Auch die repräsentative Demokratie sei aber in den letzten Jahren immer stärker durch Instrumente der Bürgerbeteiligung ergänzt worden, so der CDU-Politiker.

„Da hat es definitiv ein Umdenken gegeben. Bürgerbeteiligung, etwa im Vorfeld großer Infrastrukturprojekte, beim Lärmschutz, hat einen höheren Stellenwert bekommen. Da beteiligen wir die Bürger heute viel stärker am politischen Prozess als noch vor zwanzig, dreißig Jahren.“ Das hätten die schweizerischen Abgeordneten auch gewürdigt und das Verfahren um die Rheintalbahn, bei deren Ausbau nun eine Milliarde Euro mehr für den Lärmschutz ausgegeben werde, ausdrücklich gelobt. (ll/16.04.2019)



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