Bundestag will maritime Wirtschaft in Deutschland stärken
Für Deutschland mit seinem starken Außenhandel spielt die maritime Wirtschaft eine wichtige Rolle. Schiffbau, Schiffahrt und Hafenwirtschaft waren am Freitag, 17. Mai 2019, auch Thema im Bundestag. Zur Debatte standen der sechste Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft (19/9030) sowie Anträge zu dem Thema der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD (19/10149) und der Oppositionsfraktionen AfD (19/10173), FDP (19/10163) und Bündnis 90/Die Grünen (19/10201). Die Aussprache stand im Zeichen der elften Nationalen Maritimen Konferenz, die am 22. und 23. Mai in Friedrichshafen stattfindet.
CDU/CSU: Schifffahrt nachhaltig machen
Die Stärkung der maritimen Wirtschaft sei „einer der Bausteine in unserem Konzept, dieses Land nachhaltig zu machen“, sagte Rüdiger Kruse (CDU/CSU), der den Antrag der Koalitionsfraktionen mit dem Titel „Nachhaltige maritime Wirtschaftspolitik umsetzen“ erläuterte. Man könne sich nicht darauf zurückziehen, dass nach Transportkilometern Schifffahrt schon jetzt die sauberste Lösung sei. Vielmehr gelte es auch hier den Ausstoß von Schadstoffen zu minimieren.
Besonders gefördert werden solle der Einsatz von Flüssig-Erdgas als Treibstoff und längerfristig von synthetischen Kraftstoffen, die mit überschüssiger Windenergie erzeugt werden. „Anders als die Autoindustrie“ sei die deutsche Schifffahrtsindustrie auf diesem Feld agil und habe sich schon früh auf eine solche Entwicklung vorbereitet, lobte Kruse.
AfD mahnt Elbvertiefung an
Der AfD-Abgeordnete Enrico Komning lobte, dass alle vorliegenden Anträge außer dem der Grünen die maritime Wirtschaft stärken wollten. Bei den Grünen dagegen habe man den Eindruck, als solle „nach der Autobranche eine weitere Hochtechnologie-Branche deindustrialisiert werden“.
Komning kritsierte, dass in Deutschland der Ausbau der Wasserwege seit Langem vernachlässigt worden sei. Sein Fraktionskollege Dr. Bernd Baumann mahnte insbesondere die seit Langem diskutierte Elbvertiefung vor Hamburg an. Die Hansestadt werde gegenüber Rotterdam und Antwerpen immer mehr abgehängt. Das unter der damaligen Umweltministerin Angela Merkel eingeführte Verbandsklagerecht sei „ihr links-grünes Gesellenstück“ gewesen, sagte Komning unter Verweis auf erfolgreiche Klagen von Umweltverbänden gegen die Elbvertiefung.
SPD: Schlüsselbranche stärken
Neunzig Prozent des deutschen Warenumsatzes gingen über die Weltmeere, 400.000 Arbeitsplätze hingen an der maritimen Wirtschaft, erläuterte Johann Saathoff (SPD). Diese solle deshalb als Schlüsselbranche in der nationalen Wirtschaftsstrategie gesehen werden. Deutschlands Stärke liege im Spezialschiffbau und im High-Tech. „Jetzt haben wir die Chance, die richtigen Weichen zu stellen, dass wir Vorreiter werden für den Bereich Green Shipping“, hob Saathoff hervor.
Uwe Schmidt (SPD) mahnte europäische Sicherheits- und Sozialstandards für die Schifffahrt an. So würden unqualifizierte Besatzungsmitglieder zu Arbeiten beim Beladen herangezogen und kämen dabei zu Schaden oder sogar ums Leben. Schmidt forderte, dass Ladungssicherungsarbeiten künftig nur noch von qualifizierten und tarifgebundenen Hafenarbeitern durchgeführt werden dürfen.
FDP: Fehlanzeige bei Meerestechnik
Hagen Reinhold (FDP) kritisierte, dass der Koalitionsantrag kaum Aussagen zur Meerestechnik mache. „Da wäre es möglich, dass wir in Deutschland mal das Heft des Handelns in die Hand nehmen und sagen, da wollen wir Weltspitze werden.“
Deutschland brauche eine Rohstoff-Strategie, etwa für den Aufbau einer Batteriezellen-Produktion für Elektroautos, und die Meerestechnik könne ein Schlüssel dafür sein. „Fehlanzeige, nichts davon zu sehen, und das ärgert mich“, rief Reinhold.
Linke: Unerträgliche Arbeitsbedingungen in Werften
Klaus Ernst (Die Linke) lobte Reinhold, weil er ein „Plädoyer für Industriepolitik“ gehalten habe. Sonst spreche seine Fraktion, wenn es um Industriepolitik gehe, immer von „Staatsinterventionismus“. Von der Bundesregierung forderte Ernst, das sie sich international für strengere Umweltauflagen in der Schifffahrt einsetze. Dann sei die deutsche maritime Wirtschaft auch konkurrenzfähig.
Scharf kritisierte Ernst „unerträgliche Arbeitsbedingungen“ in deutschen Werften. Wie osteuropäische Arbeitskräfte von Subunternehmern hier eingesetzt würden, sei „eine bodenlose Sauerei“.
Grüne vermissen neue Ideen
Der Antrag der Koalitionsfraktionen sei „an Allgemeinplätzen kaum zu überbieten“, kritisierte Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen). Zwar sei Vieles davon richtig, aber „mir fehlt das Neue, die neue Richtung“. Der weltweite Kohlendioxidausstoß der Schifffahrt sei schon heute so hoch wie der der gesamten Bundesrepublik. Wenn nichts geschehe, werde er sich wegen des erhöhten Frachtvolumens fast verdreifachen.
Die Alternative zu den heutigen Antrieben könne auf der Langstrecke nicht elektrisch sein. Deshalb müsse man die Erforschung und Erprobung anderer Alternativen intensivieren, forderte Müller. Denn „die Schiffe, die heute gebaut werden, werden auch 2050 noch das Klima anheizen“.
Ausbau der Binnenschiffahrt gefordet
Redner mehrerer Fraktionen forderten zudem den besseren Ausbau der Binnenschifffahrt als umweltfreundlichem Verkehrsträger im Inland.
Sie seien „so etwas wie ein hidden Champion“, sagte Daniela Ludwig (CDU/CSU).
Anträge der Fraktionen
Erstmalig beraten und mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen wurde ein Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Nachhaltige maritime Wirtschaftspolitik umsetzen“ (19/10149).
Ein Antrag der AfD mit dem Titel „Deutsche Seehäfen stärken – Einfuhrumsatzsteuer reformieren“ (19/10173) wurde zur weiteren Beratung in den federführenden Finanzausschuss überwiesen. Ein Antrag der FDP mit dem Titel „Für eine starke maritime Wirtschaft als Teil der deutschen Industrie der Zukunft“ (19/10163) sowie ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Maßnahmen für mehr Klimaschutz im internationalen Seeverkehr“ (19/10201) wurden zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.
Von der Tagesordnung abgesetzt wurde die Abstimmung über einen älteren Antrag der AfD (19/7431), zu dem der Verkehrsausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt hatte (19/8010).
Antrag von CDU/CSU und SPD
In dem beschlossenen Antrag von CDU/CSU und SPD wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, das Investitionsniveau für die Verkehrsinfrastrukturen mindestens beizubehalten und die Mittel auf den Aus- und Neubau sowie die Erhaltung der Bestandsnetze zu fokussieren. Auch soll sie sich für rechtliche Regelungen einsetzen, die die globalen Klima-, Umwelt- und Beschäftigungsstandards widerspiegeln und Investitionen zur Umsetzung dieser Standards ermöglichen.
Anzustreben seien anspruchsvolle Schiffssicherheits- und Umweltschutzanforderungen, die international einheitlich gesetzt werden, nicht nur für neue Schiffe, sondern auch in der fahrenden Flotte. Die Innovationsleistung der deutschen maritimen Industrie und der Bereich der maritimen Spitzenforschung müsse gestärkt werden, etwa durch zusätzliche Investitionen bei den Schiffbau-Versuchsanstalten. Bei der öffentlichen Beschaffung von bundeseigenen Schiffen soll sich die Bundesregierung für umweltfreundliche Antriebe einsetzen.
AfD-Antrag zu deutschen Seehäfen
In ihrem neuen Antrag fordert die AfD die Bundesregierung auf, alles zu tun, um zusammen mit den Bundesländern bis Ende 2019 das sogenannte Verrechnungsmodell bei der Einfuhrumsatzsteuer zu realisieren und den Bundestag regelmäßig über den Verfahrensstand bis zur Realisierung des Verrechnungsmodells zu informieren.
Nach der EU-Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 2006 / 112 / EG könnten die EU-Staaten Erleichterungen bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer dahingehend gewähren, dass die Einfuhrumsatzsteuer nicht bereits zum Zeitpunkt der Wareneinfuhr gezahlt werden muss, sondern erst im Zuge der Umsatzsteuer-Voranmeldung verrechnet wird (Verrechnungsmodell), heißt es in dem Antrag. Die Niederlande, Belgien und Österreich machten von diesen Erleichterungen Gebrauch.
Antrag der FDP
Die FDP fordert die Bundesregierung auf, die Nationalen Maritimen Konferenzen fortzusetzen und das Parlament über die Lage und künftige Ausrichtung der maritimen Wirtschaft zu unterrichten. Die FDP plädiert für eine technologie- und unternehmensneutrale Industriepolitik, die durch ihre Rahmenbedingungen die maritime Wirtschaft stärkt. Während der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU 2020 solle eine europäische maritime Strategie erarbeitet werden.
Projekte des Bundesverkehrswegeplans für die landseitigen Anbindungen deutscher See- und Binnenhäfen sollen zügig umgesetzt werden, heißt es weiter. Die Fraktion fordert den Mobilfunkstandard 5-G in allen Häfen und hafennahen Industriegebieten. Auch solle die Offshore-Windindustrie durch die Ausweisung von Industrieflächen noch mehr mit Industrieansiedlungen, etwa zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, verknüpft werden.
Antrag der Grünen
Die Grünen wollen, dass die Ziele der Klimakonferenz von Paris auch auf die Seeschifffahrt übertragen werden und verbindliche Maßnahmen zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes auf der Ebene der Internationalen Seschifffahrtsorganisation (IMO) verabschiedet werden. Das Umsteuern der Schiffseigner auf kohlendioxidemissionsneutrale oder -freie Kraftstoffe und Antriebe solle durch nationale Anreize bei Umbauten und neuen Schiffen erleichtert werden.
Auch will die Fraktion, dass die Sonderemissionszonen für Luftschadstoffe um weitere Gebiete mit strengeren Grenzwerten für schädliche Emissionen ausgeweitet werden, vor allem in Hafen- und Küstengebieten. Die Anbindung der Häfen im Hintelandverkehr solle so effizient wie möglich gestaltet werden, damit möglichst ein Großteil des Güterverkehrs über die elektrifizierte Bahn oder das Binnenschiff abgewickelt werden kann.
„Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands“
Dem Bericht der Bundesregierung zufolge ist die maritime Wirtschaft eine der Schlüsselbranchen in Deutschland. Das Umsatzvolumen werde auf bis zu 50 Milliarden Euro jährlich geschätzt, außerdem seien bis zu 400.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der maritimen Wirtschaft abhängig, heißt es darin. „Damit ist die Branche einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands.“
Zudem hebt die Bundesregierung die weitergehende gesamtwirtschaftliche Bedeutung der maritimen Wirtschaft hervor: Schätzungsweise jeder zweite Arbeitsplatz in der Industrie hänge vom Export ab. Etwa 60 Prozent der Warenexporte und ein Großteil der Rohstoffimporte erfolgten über den See- oder Wasserweg. Zum 30. November 2018 befanden sich den Angaben zufolge etwa 2.150 Handelsschiffe im Eigentum deutscher Reedereien, das entspricht der fünftgrößten Flotte der Welt. Die Kapazität der Containerschiffflotte sei mit einem Anteil von 16,4 Prozent die größte der Welt.
Schwerpunkte der elften Nationalen Maritimen Konferenz in Friedrichshafen im Mai 2019 sollen der Umgang mit globalen Herausforderungen im Handel sein, die Digitalisierung und damit verbunden der Fachkräftebedarf sowie Beiträge der Seeschifffahrt zum Umwelt-, Klima- und Naturschutz.
Abgesetzt: AfD-Antrag zur Unfallverhütung auf See
In dem abgesetzten AfD Antrag ging es um die Anlaufbedingungsverordnung vom 18. Februar 2004. Sie regelt die Bedingungen für das An- und Auslaufen von Schiffen an der seewärtigen Grenze des deutschen Küstenmeeres mit dem Ziel, Unfälle zu verhüten, Verschmutzungen zu vermeiden und die Sicherheit und Leichtigkeit des Seeverkehrs zu erhöhen. Anlage 1 der Verordnung enthält für Seefahrzeuge bestimmter Größe und Ladungen eine Verpflichtung zur Benutzung des Verkehrstrennungsgebietes „German Bight – Western Approach“ (Tiefwasserweg).
Die AfD erinnert an den Containerverlust der „MSC ZOE“ in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 2019 in der Nordsee, bei dem auch Container mit Gefahrgut über Bord gegangen seien. Die „MSC ZOE“ habe dabei das küstennahe Verkehrstrennungsgebiet „Terschelling – German Bight“ befahren. Die Wassertiefe an beiden Positionen, an denen Container über Bord gegangen seien, sei in den Seekarten mit 20 Metern, teilweise mit 18 Metern angegeben. Nach Auffassung der AfD fehlt in der Verordnung eine grundsätzliche Regelung, die Bezug auf den spezifischen Tiefgang der Schiffe nimmt. Der Ausschuss hatte die Ablehnung des Antrags empfohlen. (pst/pez/sas/vom/vst/17.05.2019)