Kinderkommission

Ideen für die Gesundheit der ganzen Familie

Eine Frau hält ein Kind auf dem Arm, das einer Ärztin in weißem Kittel die Hand reicht.

Die Kinderkommission befasste sich erneut mit postnatalem Kindeswohl. (picture-alliance)

Wie steht es um die seelische und körperliche Gesundheit von Kindern und Eltern nach der Geburt? Mit dieser Frage befasste sich die Kinderkommission des Bundestages (Kiko) am Mittwoch, 15. Mai 2019, in einem öffentlichen Expertengespräch unter dem Titel „Postnatales Kindeswohl II: Medizinische und soziale Versorgung in ,Normalfällen'“

Unter dem Vorsitz von Susann Rüthrich (SPD) hatte sich das Gremium in seiner vergangenen Sitzung verstärkt mit der ärztlichen und medizinischen Situation für das nachgeburtliche Kindeswohl beschäftigt. Im Fokus dieser Unterredung standen nun vor allem soziale Konzepte und Leitfäden für eine gute Versorgung von Kindern und ihren Eltern.

Hohe Rate nachgeburtlicher Depressionen

Neugeborene bräuchten im Wesentlichen eine möglichst stressfreie und komplikationslose Geburt sowie ein starkes Bonding mit der Mutter durch Hautkontakt und Stillen. Zugleich seien Mütter besonders in der ersten Phase nach der Geburt auf eine stabile Unterstützungsstruktur in ihrem Umfeld angewiesen. Diese drei allgemeinen Faktoren betonte Dr. Inés Brock, Ausbilderin in der Elternbegleitung und -beratung, Kinderpsychotherapeutin sowie systemische Familientherapeutin, zu Beginn ihrer Darlegung zu Gelingensfaktoren und Hemmnissen im Bereich der professionellen Elternbegleitung und -beratung.

Die Bedarfsforschung, so Brock, zeige frappierende Zeit- und Personalmängel im Nachsorgebereich auf. Gleichzeitig hätten Mütter nach der Geburt häufig selten Gelegenheit, eine psychologische Beratung in Anspruch zu nehmen, durch die das Ereignis der Geburt aufgearbeitet würde. Darüber hinaus mangele es an Hebammen, die nachgeburtlich tätig seien, und es gebe eine hohe Rate unerkannter postnataler Depressionen bei Müttern wie bei Vätern. 

Mehr Öffentlichkeitsarbeit für Elternberatung

Vor diesem Hintergrund sei es hierzulande zudem problematisch, dass für die Elternbegleitung, die solchen systemischen Mängeln entgegenwirken könnte, häufig keine räumlichen Strukturen gegeben sei und dass es zu wenig Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich gebe. Neben dem Engagement der Kollegen, deren Unterstützung durch Leitungsebene und Träger sowie deren Netzwerkkompetenz seien dies aber wichtige Faktoren für eine gute und gelingende Elternbegleitung, von der am Ende vor allem die Kinder profitierten.

Der Bundestag sei deshalb angemahnt, die bundesweite Versorgung durch Hebammen zu verbessern und die Freiberuflichkeit in der Nachsorge zu steigern. Hilfreich wären zudem breite Informationskampagnen, damit Nachsorgeangebote auch wahrgenommen würden. Eine stabilere Finanzierung der Elternbegleitung und -beratung, die momentan zumeist von Trägern und Kommunen abhängt, wäre außerdem begrüßenswert, so die Therapeutin. 

Niedrigschwellige Unterstützung    

Eine wichtige Säule für die nachgeburtliche Gesundheit von Kindern und Eltern sei das Ehrenamt, betonte Hendrik Karpinski, Leiter des Niederlausitzer Netzwerks „Gesunde Kinder“ und Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Niederlausitz. Im Rahmen des Netzwerkes „Gesunde Kinder“ würden brandenburgweit mittlerweile 1.100 zumeist weibliche ehrenamtliche Patinnen für Familien nach einer Geburt zur Verfügung stehen. Solche Patinnen seien dezidiert keine Medizinerinnen oder Psychologinnen, sondern hätten die Aufgabe, auf niedrigschwelligem Niveau unterstützend in Familien tätig zu werden. So vermitteln diese etwa Betreuungsangebote in der Region oder alltagspraktisches Gesundheitswissen.

Die Arbeit der ehrenamtlichen Patinnen sei aber nicht risikobasiert, betonte Karpinski. Vielmehr gehe es dem Netzwerk darum, dass jede Familie die Möglichkeit habe, eine Patin und deren hohes Systemwissen in der Region an die Seite gestellt zu bekommen.

„Die schlechteste Patin schadet nicht“

Vorteile dieses Systems der Patenschaften zeigten sich viele, gab der Mediziner an. So könne man beispielsweise erkennen, dass Eltern, die durch eine Patin unterstützt wurden, hinsichtlich etwa der Auffrischimpfungen ihrer Kinder sehr verlässlich zum Kinderarzt gehen würden. Auch seien die Beziehungen zwischen Eltern und Patinnen sehr positiv und intim, gerade weil sie nicht auf öffentlichem Strukturterrain angesiedelt seien, was wiederum Glaubwürdigkeit und Identifikation stiften würde.

Obgleich die Patinnen speziell und nach einem standardisierten Kurrikulum geschult sind, sei ein falsches Rollenverständnis der Betreuerinnen eines der höchsten Risikofaktoren des Systems. Hier gelte es, sehr sensibel zu sein; das Motto müsse immer lauten: „Die schlechteste Patin schadet nicht.“ Insgesamt würden durch dieses Nachsorgekonzept aber alle gesundheitlich profitieren, gab sich Karpinski überzeugt. (ste/15.05.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Inés Brock, Ausbilderin in der Elternbegleitung und -beratung, Kinderpsychotherapeutin, systemische Familientherapeutin
  • Dipl.-Med. Hendrik Karpinski, Leiter des Niederlausitzer Netzwerks „Gesunde Kinder“,
    Chefarzt Klinik für Kinder- und Jugendmedizin


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