Auswärtiges

Experte: China will Stabilität ent­lang der großen Handels­wege

Chinas Rolle im Rahmen der multilateralen Krisenprävention“ war Thema eines öffentlichen Fachgesprächs des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ am Montag, 13. Mai 2019. Der Einfluss der Volksrepublik China in der internationalen Politik steigt – entsprechend seiner wachsenden Wirtschaftsleistung, der Größe als bevölkerungsreichstes Land der Welt, und anknüpfend an seine bereits frühere Bedeutung als Großmacht. Das zeige sich besonders auf dem afrikanischen Kontinent, aber auch in vielen Ländern Europas, nicht zuletzt durch die zahlreichen Infrastrukturvorhaben, die die Volksrepublik im Rahmen des Projekts der „neuen Seidenstraße“ verfolge, sagte Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen), der Vorsitzende des Unterausschusses. Es stelle sich die Frage, inwieweit China Teil der multilateralen Bemühungen zur Krisenprävention sein könne, welche außen- und sicherheitspolitischen Interessen Peking verfolge und wie eine Kooperation mit Deutschland und Europa künftig aussehen sollte.

„China ist überall mit dabei“

Dr. Gudrun Wacker von der Stiftung Wissenschaft und Politik stellte fest, dass es heute längst nicht mehr darum gehe, China in irgendeiner Form „einzubinden“, wie immer noch formuliert werde. „Wir binden China nicht mehr ein. China ist einfach überall mit dabei, wo es mitmachen will.“ Das gelte auch für den Bereich der internationalen zivilen Krisenprävention und Krisenreaktion.

Seit Beginn der 1990er-Jahre habe sich die Volksrepublik im Rahmen der Vereinten Nationen mit großer Vorsicht an die anspruchsvolle Aufgabe friedenserhaltender Missionen herangetastet, sich zunächst in den Bereichen der Beobachtung, Logistik und Medizin beteiligt, 2008 habe man ein Ausbildungszentrum der Polizei eröffnet, und erst seit 2013 sei Peking auch mit militärischen Kräften dabei.

Uno-Mitarbeit in zahlreichen Ad-hoc-Formaten

Das Gründungsmitglied der Vereinten Nationen (Uno) sei heute der zweitwichtigste Beitragszahler für den den Bereich des Peacekeeping der Uno. Die Volksrepublik beteilige sich darüber hinaus „aktiv und konstruktiv“ in zahlreichen Ad-hoc-Formaten, über regionale Organisationen und auch allein an der Aufgabe der Friedenssicherung weltweit – in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, von Afghanistan bis zum südchinesischen Meer.

Peking begreife sich dabei gar nicht als Vermittler, sonder vielmehr als „facilitator“, der Konfliktparteien überhaupt erst ermögliche, ins Gespräch zu kommen, beispielsweise indem es eine Konferenz ausrichte oder schlicht Fahrzeuge anbiete, um sich zu einem Treffpunkt zu begeben. Leitendes Interesse an der Politik der Konfliktvermeidung und raschen Beilegung von Konflikten, kurzum an einer stabilen Weltordnung, sei für die Pekinger Führung die Sicherheit der Handelswege, die China wiederum als Beitrag zur Entwicklung und Stabilität betrachte.

„Professionelle Kapazitäten aufgebaut“

Wie sehr das Engagement bei der zivilen Krisenprävention für China als Prestigeprojekt gilt, illustrierte Bernt Berger von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. „China will als verantwortungsvoller Spieler wahrgenommen werden.“ Um diesen Anspruch zu untermauern, habe das Land in den letzten zwanzig Jahren hoch professionelle Kapazitäten aufgebaut. Das reiche von einem Polizei-Trainingscenter bis hin zur Ausbildung afghanischer Soldaten und umfasse sämtliche Aspekte der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Krisenmanagement-Einsätzen. 

Zu den Kernkompetenzen Chinas bei internationalen Einsätzen gehöre zweifelsohne die Beteiligung mit gut geschulten Polizeikräften. Im Trainingscenter der Polizei würden die UN-Normen übersetzt und auf den chinesischen Kontext angewendet. Polizisten nehmen in China eine wichtige Karrierestufe, wenn sie ins Ausland gehen. Nach Einsätzen werden sie umfassend und systematisch befragt, um daraus die richtigen Schlussfolgerungen (lessons learned, best practices) zu ziehen.

Es sei noch zu früh, um sagen, auf welchen Grundprinzipien dieses Engagement beruhe. Es lohne sich aber, dafür jeweils die konkreten Einsätze zu betrachten, weltweit und in der unmittelbaren Nachbarschaft des Riesenreiches. Dabei ergebe sich ein durchaus unterschiedliches, „hybrides“ Bild, von einer eher auf Interessendurchsetzung getriebenen Politik in der Nachbarschaft bis hin zu einer stärker der Verantwortungslogik folgenden Herangehensweise in weiter entfernten Regionen.

„China setzt zunehmend auf Deeskalation“ 

China habe definitiv ein Terroristenproblem. Chinesische Staatsbürger agierten in umliegenden Ländern und kehrten auch immer wieder einmal nach China zurück. Peking trainiere daher bereits seit Ende der 2000er-Jahre afghanische Soldaten und helfe, die gemeinsame Grenze zu sichern. Im Konflikt um die Region Kaschmir, in dem China selbst eine der Konfliktparteien sei, habe man die jahrelange Allianz mit Pakistan verlassen und setzte mehr und mehr auf Deeskalation, ja kooperiere dafür mit den Vereinigten Staaten. China wolle im Prinzip Frieden, Stabilität und Sicherheit entlang der großen Handelswege, wie sie mit dem Vorhaben der neuen Seidenstraße wieder belebt werden sollen.

Hat China das Zeug, als ehrlicher Makler und Friedensstifter zum Segen der Welt tätig zu werden? Kann man China im Sinne des Multilateralismus und der Durchsetzung der Menschenrechte einbinden? Oder hat die Pekinger Führung lediglich Interesse an Ruhe und Ordnung dort, wo ihr Land Investitionen tätigt, fragte Markus Grübel (CDU/CSU) die beiden Sachverständigen. Und auch Dr. Daniela De Ridder (SPD) fragte, ob Chinas Afrika-Strategie nicht lediglich darauf beruhe, eigene Investitionen zu schützen.

„Ohne das Gepäck des Neokolonialismus“

Am ehesten trete China als ehrlicher Makler in der Tat in Afrika auf, so Gudrun Wacker. Dort treffe sich die fernöstliche Großmacht mit über 50 Ländern in den unterschiedlichsten Formaten, um Konflikte zu lösen. Neben ihrem Engagement in den Vereinten Nationen nutze die Volksrepublik in hohem Maße regionale Formate, um außenpolitisch tätig zu werden. Was der Pekinger Führung bei ihren außenpolitischen Ambitionen helfe, sei, nicht wie viele europäische Staaten Kolonialmacht gewesen zu sein. China schleppe nicht „das Gepäck des Neokolonialismus“ mit sich.

Auch das Prinzip der Nichteinmischung verleihe der Politik Pekings eine hohe Glaubwürdigkeit und erleichtere China den Zugang zu zahlreichen Ländern, erläuterte China-Experte Berger. China mache Angebote, ohne dabei innenpolitische Bedingungen an das Partnerland zu stellen, beispielsweise im Bereich der Infrastruktur, und dieser Ansatz werde angenommen. China als zweitgrößter Geldgeber der Uno-Friedensmissionen einerseits und andererseits die Auftritte der Großmacht als „Konflikttreiber“ im südchinesischen Meer – wie das zusammenpasse, wollte Renata Alt (FDP) wissen.

„Verantwortungsvoller stake holder

Chinas Interesse in der Region bestehe im Kern darin, das südchinesische Meer zu beherrschen, um einen möglichen Konflikt mit den USA geografisch so weit wie möglich von sich wegzuschieben, sagte Berger. Um Stabilität in der Region zu schaffen, nehme Peking im Übrigen gerade wieder Fahrt auf mit der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit, einer Organisation, die auch die Konfliktparteien Indien und Pakistan zu ihren Mitgliedern zähle. „Dabei könnte durchaus einiges Sinnvolles herauskommen.“ Im Westen solle man solche Bemühungen Chinas, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft für Ordnung zu sorgen, nicht gleich als Konkurrenz für die Nato sehen. Es liege in der Logik einer multipolaren Welt, dass derartige regionale Organisationen entstünden.

Mit seinem zunehmenden internationalen Engagement wolle China zur internationalen Stabilität beitragen und sehe sich als „verantwortungsvoller stake holder“. Aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft aber wolle Peking die USA heraushalten und akzeptiere nur die regionalen Anrainer, erläuterte Wacker. Die Anrainer des südchinesischen Meeres versuchten gerade sich auf einen „code of conduct“ zu einigen, insbesondere was die Wirtschaftszonen und Fischereirechte betreffe.

Liste der geladenen Sachverständigen

Bernt Berger, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
Dr. Gudrun Wacker, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

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