Parlament

Abigail aus USA staunt über Of­fen­heit und Trans­pa­renz im Bun­des­tag

IPS-Stipendiatin Abigal Sorlie mit ihrer Abgeordneten Dagmar Freitag (rechts) im Paul-Löbe-Haus (links) des Bundestages

IPS-Stipendiatin Abigal Sorlie mit ihrer Abgeordneten Dagmar Freitag (rechts) im Paul-Löbe-Haus (links) des Bundestages (© DBT/Photohek/Florian Gaertner)

Man sollte meinen, die Frage, wie sie die Politik von US-Präsident Donald Trump bewertet, hängt Abigail Sorlie so langsam zu Halse heraus. Doch dem ist nicht so. „Das ist eine tolle Frage, und es stört mich nicht, sie hier in Deutschland immer wieder gestellt zu bekommen“, sagt die 23-Jährige Amerikanerin, die derzeit ihr Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) im Büro der Bundestagsabgeordneten Dagmar Freitag (SPD) absolviert. Gibt diese Frage Sorlie als Anhängerin der Demokraten in den USA doch die Möglichkeit, deutlich zu machen, „dass das, was die derzeitige Regierung macht, nicht die Meinung von uns allen ist“.

Das sei gerade für Deutschland wichtig zu wissen, befindet die USA-Expertin Dagmar Freitag, die mit ihrer Stipendiatin in dieser Frage auf einer Linie liegt. Aber Hand aufs Herz, Frau Freitag: Wäre es für Sie ein Problem, wenn die Stipendiatin Anhängerin der Republikaner und Verfechterin der Politik des Präsidenten wäre? Nein, sagt die SPD-Politikerin, schiebt aber gleich hinterher: „Ich würde sicher intensiv und natürlich kontrovers mit ihr diskutieren.“

Außenpolitischer und wirtschaftspolitischer Schaden

Genau das tue sie im Übrigen auch, wenn sie derzeit in den USA unterwegs ist. Mit republikanischen Abgeordneten zu sprechen, sei aktuell sogar wichtiger als sich mit demokratischen Abgeordneten gegenseitig in seinen Auffassungen zu bestätigen, sagt Freitag. „Gott sei Dank“ treffe sie bei den Republikanern unterhalb der Regierungsebene sehr viele, die der Auffassung sind: So kann es nicht weitergehen. „Die sehen auch den außenpolitischen und wirtschaftspolitischen Schaden, den dieser Präsident anrichtet.“

Gerade weil die Beziehungen derzeit abgekühlt seien, sei es umso wichtiger, im Gespräch zu bleiben, betonen die Abgeordnete und ihre Stipendiatin. „Es darf nicht ein Zerwürfnis auf Dauer werden. Ein gutes transatlantisches Verhältnis ist ein Wert an sich. Für die USA, für Deutschland und für Europa“, sagt Dagmar Freitag.

Gutes Verhältnis unter den Stipendiaten

Im guten Gespräch ist Abigail Sorlie schon seit Beginn des IPS im März mit ihren 119 Mitstreitern aus 37 Ländern. „Das Verhältnis unter den Stipendiaten ist sehr gut“, sagt die junge Frau von der Westküste der Vereinigten Staaten. Alle seien politisch sehr interessiert und gut informiert. Wichtig sei es, zwischen dem Persönlichen und der Politik zu trennen, findet Abigail Sorlie. „Es wird diskutiert, um die Lage besser zu verstehen, nicht um jemanden persönlich anzugreifen oder ein Land zu verurteilen“, sagte sie mit leichtem schweizerischen Akzent.

Austauschjahr in der Schweiz

Den hat sie sich in Luzern angeeignet. „Ich habe als 16-Jährige ein Austauschjahr in der Schweiz gemacht und dabei Deutsch gelernt“, erzählt die Absolventin der Gonzaga University im Bundesstaat Washington. Die Sprache gefiel ihr, und so fügte sie weitere Aufenthalte im deutschsprachigen Raum hinzu. Von dem Angebot, im Bundestag im Rahmen des IPS ein Praktikum machen zu können, erfuhr sie von ihrer Deutschprofessorin, die von der Deutschen Botschaft in Washington, D.C. von dem Programm gehört hatte.

Klarer Fall von Mund zu Mund-Propaganda. „Davon lebt das Programm“, sagt Dagmar Freitag, die seit 1998 von der Abgeordnetenseite für ihre Fraktion sämtliche Internationalen Austauschprograme des Bundestages betreut. Zu verdanken sei dieses Weitertragen der Informationen auch den vielen ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich in Alumni-Vereinen zusammengeschlossen hätten. „Erst vor kurzem war ich in Washington, wo es eine dreitägige Konferenz mit mehr als 200 Ehemaligen gab, die am IPS oder PPP (Parlamentarisches Partnerschaft-Programm) teilgenommen hatten“, sagt die SPD-Abgeordnete. Das Netzwerk, das diese IPS-Alumni aufbauen könnten, ist nach ihrer Einschätzung unbezahlbar.

Beeindruckt von der Transparenz und Offenheit

Das weiß auch Abigail Sorlie, die Internationale Beziehungen studiert hat und sich vorstellen kann, künftig im Politikbereich zu arbeiten. Nicht so sehr bei einer Regierungsstelle, sondern eher bei einer NGO, wie sie sagt, also einer Nichtregierungsorganisation. Dabei kann sie all die Erkenntnisse einfließen lassen, die sie in ihrer Zeit im Bundestag gewonnen hat.

Am meisten beeindruckt hat die 23-Jährige nach eigener Aussage der bewusste Umgang der Deutschen mit ihrer eigenen Geschichte und die Offenheit und Transparenz, die der Bundestag mit all seinen Gebäuden ausstrahle und für die er auch stehe. „Dem Capitol Hill kommt man nie so nahe wie es beim Bundestag möglich ist“, kommt sie aus dem Staunen noch immer kaum heraus. (hau/27.05.2019)

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