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German sieht Europas Zukunft in der Zu­sam­menarbeit Russland-EU

IPS-Stipendiat German Smirnov (links) und Abgeordneter Christoph Neumann im Büro.

IPS-Stipendiat German Smirnov (links) mit dem AfD-Abgeordneten CHristoph Neumann in dessen Büro (DBT/Gaertner/photothek.net)

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Diesem Motto ist German Smirnov im vergangenen Jahr gefolgt und hat sich für die Teilnahme am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Bundestages beworben. Schon drei Jahre zuvor hatte der heute 23-jährige Russe von dem Programm gehört, seine Deutschkenntnisse aber als noch nicht ausreichend eingeschätzt. Das 2017 an der Universität Kiel aufgenommene Masterstudium hat ihn in dieser Hinsicht deutlich vorangebracht, und so startete er seine erfolgreiche IPS Bewerbung, die ihn in diesem Sommer in das Büro des Bundestagsabgeordneten CHristoph Neumann (AfD) brachte, wo er sein Praktikum absolviert.

Fahrten mit der transsibirischen Eisenbahn

Sehr zur Freude von Neumann, der beruflich lange Jahre in Russland und der Ukraine unterwegs war und ein „Faible für die Region“ hat, wie er sagt. „Jetzt komme ich endlich mal wieder dazu, auf Russisch zu kommunizieren.“ Den Sachsen aus Leipzig zog es nach Abschluss seines PR-Studiums in den 1990er-Jahren nach Russland. „Es gab damals so eine Art Goldgräberstimmung“, erzählt er. Viele deutsche Unternehmen seien seinerzeit nach Russland gegangen. Einige Firmen habe er als PR-Berater begleitet. „Ich habe aber auch Fotoreportagen für die ,Moskauer Deutsche Zeitung‘ gemacht und bin intensiv durch das Land gereist – bis nach Kamtschatka – und bin auch dreimal mit der transsibirischen Eisenbahn gefahren.“ Eine sehr spannende Zeit sei das gewesen, erinnert er sich.

Mit der transsibirischen Eisenbahn gefahren ist German Smirnov noch nicht. Das stehe aber noch an, versichert er. „Herr Neumann hat mir so leidenschaftlich davon berichtet, dass ich es auch tun möchte.“ Geboren in Saratow – einer Millionenstadt an der Wolga – wohnt er seit 2002 in Moskau und fühlt sich inzwischen durchaus als Moskauer. Seine Vorfahren seien sogenannte Wolgadeutsche gewesen, erzählt er. Und so ist das relative enge Verhältnis der Familie zu Deutschland wohl auch kein Wunder. Die Mutter – gelernte Dolmetscherin – hat Germanistik studiert und auch zwei Jahre im deutschen Konsulat in Saratow gearbeitet. Der Großvater hat als Vertreter von Aeroflot und später Sibirian Airlines in Deutschland gearbeitet.

Russen schauen eher skeptisch auf Deutschland

Das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland ist ja aktuell nicht das Beste. Wie schauen denn die Russen auf Deutschland und auf die EU? Eher skeptisch, sagt German Smirnov und bedauert das. Auch deshalb sei aber das IPS wichtig, „damit zukünftige Diplomaten hier hautnah erleben können, wie der Parlamentarismus in Deutschland abläuft“.

Zukünftige Diplomaten? Wo soll denn sein Weg hingehen? Geht es nach CHristoph Neumann, dann ganz nach oben. „In zwanzig Jahren ist er der russische Botschafter in Deutschland“, prognostiziert der Abgeordnete. Der junge Russe hält den Ball da deutlich flacher. Nachdem er den Masterstudiengang „Internationale Politik und Internationales Recht“ absolviert hat, überlege er zu promovieren. „Ich würde auch gern einen Forschungsaufenthalt in den USA einlegen, um auch das dortige Denken und Handeln besser zu verstehen.“

Denn: Die USA und Russland dürfen keine Gegenpole sein, betont er. Zuerst brauche es das gemeinsame Haus Europa. „Ich bin der festen Ansicht, die Zukunft Europas liegt in der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU. Das ist der einzige und richtige Weg, um den Herausforderungen der Zukunft – wie dem Klimawandel und der Migration -- zu begegnen.“ Dann brauche es die Sicherheitsstrecke von Wladiwostok nach Vancouver. „Das Konzept hätte schon lange umgesetzt werden müssen. Gerade vor dem Hintergrund der Kündigung des INF-Vertrages und anderer globaler Herausforderungen ist jetzt die Zeit dafür“, findet German Smirnov.

Hoffnung auf Besserung

Hoffnung auf Besserung gibt es, auch wenn die Beziehungen auf Regierungsebene derzeit sehr belastet sind. „Ich hoffe, meine Generation – aber auch ich persönlich – werden das in naher Zukunft ändern können“, sagt er.

Auch für den Russland-Kenner Neumann ist klar: Deutschland und die EU müssen mit Russland zusammenarbeiten. „Konfrontation bringt nichts“, sagt er. Die Situation in der Ukraine, in der er früher ebenfalls beruflich aktiv war, findet er bedauerlich. „Das Land wird missbraucht“, sagt Neumann.

„Was unter den Regierungen abgeht, ist hohe Politik“

Trotz des Konfliktes hat aber German Smirnov einen freundlichen und unproblematischen Umgang sowohl mit den ukrainischen IPS-Stipendiaten als auch mit seinen ukrainischen Kommilitonen in Kiel an der Universität. „Was unter den Regierungen abgeht, ist hohe Politik. Das sollte uns auf unserer Ebene nicht betreffen“, findet er. Zugleich macht er deutlich, in der Krimfrage auf der Seite der Ukraine zu stehen. „Es war nicht rechtmäßig, was dort passiert ist.“ Gleichwohl könne er aber nachvollziehen, „wie es dazu gekommen ist“. Das Misstrauen zwischen Russland und der Nato sei sehr groß. „Wir sind mitten in einem neuen kalten Krieg.“ Deswegen hätten russische Sicherheitsfachleute Angst, die Nato könne auf der Krim eine neue Nato-Basis schaffen. Das sei für die Russen nicht hinnehmbar gewesen.

Dass es den jungen Mann aus Moskau nun für sein IPS-Praktikum zu einem AfD-Abgeordneten verschlagen hat, hat ihn anfangs nicht so glücklich gemacht, „weil ich eigentlich zur FDP wollte“. Inzwischen ist er aber nach eigener Aussage sehr zufrieden mit der Zuordnung. Es sei sehr interessant, diese neue Partei kennenzulernen und nicht nur das zu erfahren, „was in den Medien berichtet wird“.

Blockadehaltung in Ausschüssen und Plenum

Und so ist er zu überraschenden Erkenntnissen gelangt. „Ich bin davon ausgegangen, dass es keinerlei Kontakte zwischen etwa der AfD und der Linksfraktion gibt – das ist aber nicht der Fall“, sagt er. Negativ überrascht habe ihn, dass es eine Art von Blockadehaltung in den Ausschüssen und auch im Plenum gegen Ansätze der AfD, aber auch der Linksfraktion gebe, „weil sie eben von diesen Fraktionen kommen“. Später würden dann die Regierungsfraktionen teilweise deren Ansichten als ihre eigenen Ideen verkaufen. „Da hätte ich mehr Kooperation erwartet“, sagt der 24-jährige IPS-Stipendiat.

Aus Sicht des AfD-Abgeordneten Neumann, der Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Tourismus ist, „ist ein guter Vorschlag nicht schlecht, nur weil er von den Grünen oder den Linken kommt“. Wenn damit ein Nutzen für die Bevölkerung verbunden ist, springe er über seinen Schatten. „Das würde ich mir von anderen auch öfter wünschen“, sagt CHristoph Neumann. (hau/15.07.2019)

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