Parlament

Filiz Polat enttäuscht von der Flüchtlings- und Asylpolitik

Eine jüngere, dunkelhaarige Frau sitzt auf einer Treppenstufe, hält eine Akte in der Hand und blickt in die Kamera.

Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen im Paul-Löbe-Haus des Bundestages (DBT/Melde)

Der aktuelle Deutsche Bundestag besteht aus 709 Abgeordneten – 219 Frauen und 490 Männer. Der Frauenanteil im Parlament ist mit 31,3 Prozent gegenüber der vorherigen Wahlperiode (2013 bis 2017) um fünf Prozent gesunken. 2013 lag der Anteil weiblicher Abgeordneter noch bei 37,3 Prozent. Es sei „nicht akzeptabel, dass der Frauenanteil im Parlament immer weiter sinkt“, sagt Filiz Polat.

Die Politikerin aus Niedersachsen wurde 2017 in den Bundestag gewählt und gehört der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Die stellt mit 39 Frauen die meisten weiblichen Abgeordneten aller Fraktionen. „Der Frauenanteil im Bundestag war noch nie befriedigend, aber ein Rückgang um fünf Prozent gegenüber 2013 ist ein Tiefpunkt. Alle Parteien sollten sich dafür einsetzen, dass in den kommenden Jahren mindestens 50 Prozent Frauen im Parlament sitzen. Denn tatsächliche Gleichstellung ist nur mit Repräsentation möglich, davon sind allerdings sowohl unsere Gesellschaft als auch der Deutsche Bundestag noch weit entfernt“, sagt Polat.

13 Jahre Mitglied im niedersächsischen Landtag

Als Kind wollte Filiz Polat Archäologin werden. Alte Städte auszugraben, diese Vorstellung fand sie interessant. Als sie sich im jugendlichen Alter näher damit beschäftigte, fand sie den Gedanken, in glühender Hitze mit einem Pinsel Mauern freizulegen, nicht mehr so spannend. Sie studierte stattdessen Volkswirtschaft und im Zweitstudium Politologie. Ihr Interesse für grüne Politik hat familiäre Wurzeln, denn ihre Mutter war vor 30 Jahren Grüne der ersten Stunde.

Als Filiz Polat 25 Jahre alt war, kandidierte sie für Bündnis 90/Die Grünen für den Landtag in Niedersachsen und gehörte 13 Jahre der Landtagsfraktion an. Seit 2017 ist die Tochter eines türkischen Arztes und einer deutschen Mutter Bundestagsabgeordnete, Obfrau der Grünen im Innenausschuss und stellvertretendes Mitglied im Menschenrechtsausschuss.

„Katalog der Entrechtung und der Inhumanität“

Als Filiz Polat in den Bundestag gewählt wurde, hatte sie konkrete Vorstellungen von ihrer politischen Arbeit und von dem, was sie erreichen wollte. Vor allem in der Flüchtlings- und Asylpolitik. Jetzt ist Halbzeit im Parlament und Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Hat sich die Situation für Geflüchtete und andere Einwandernde verbessert? Ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht ein gutes Gesetz?

Für diese Themen hatte sich Filiz Polat immer wieder stark gemacht und leidenschaftlich argumentiert. „Die erste Bilanz ist düster und enttäuschend“, sagt sie und fügt hinzu: „In dieser Legislaturperiode wurden nach 1993 im Deutschen Bundestag die schärfsten Eingriffe in das Asylrecht und unverhältnismäßig große Eingriffe in die Grund- und Menschenrechte von Geflüchteten vorgenommen. Vor allem das sogenannte ,Geordnete Rückkehr-Gesetz' ist ein Katalog der Entrechtung und der Inhumanität.“

Gegen das Migrationspaket gestimmt

Für die grüne Fraktion und für Filiz Polat ist die Arbeit für Geflüchtete und Einwandernde frustrierend. Als Sprecherin für Migration und Integration hatte sie im Plenum engagiert gegen die unterschiedlichen Gesetze des sogenannten Migrationspakets argumentiert. Trotzdem hat das Plenum mehrheitlich mit Ja abgestimmt.  Woran hat es gelegen, dass die Argumente der Grünen keine Zustimmung finden konnten?

„Das Problem sind nicht die Einwandernden, das Problem ist, dass Teile der Bundesregierung offenbar dem ausgrenzenden und pauschalisierenden Kurs der AfD zu folgen scheint. Es werden Flüchtlinge pauschal als Identitätstäuscher kriminalisiert. Es ist ein fatales Signal gegenüber der Einwanderungsgesellschaft“, sagt Polat.

Lähmende Koalitionsverhandlungen 

Wenn die Sprecherin für Migrationspolitik auf die vergangen zwei Jahre im Parlament zurückblickt, fallen ihr sofort die lähmenden Koalitionsverhandlungen zu Beginn der Wahlperiode ein. Die seien sehr unbefriedigend gewesen. Als besonders unangenehm bezeichnet sie die Begegnungen mit den Fraktionsmitgliedern der AfD. „Ich habe zu dieser Partei eine klare Haltung und wurde in meiner Beurteilung ihrer Inhalte immer wieder negativ bestätigt. Für mich ist die AfD in großen Teilen verfassungsrechtlich bedenklich. Es sind nicht nur die Äußerungen in der Öffentlichkeit, sondern auch die im Deutschen Bundestag“, sagt Filiz Polat.

Hier würde sie sich wünschen, dass die parlamentarische Ordnung restriktiver durchgesetzt würde. „Wenn zum Beispiel Begriffe verwendet werden, die klar eine NS-Verbindung haben oder wenn Menschen entwürdigt werden, hat das nichts mit parlamentarischer Kultur zu tun. Für mein Empfinden gibt es in solchen Fällen viel zu selten Ordnungsrufe oder Rügen“, sagt die Politikerin.

Teamplayer in der Fraktion

In der Frage der parlamentarischen Fraktionsdisziplin ist Filiz Polat grundsätzlich für demokratische Mehrheitsentscheidungen, denn sie ist ein Teamplayer. Sie sagt: „Ich trage die Entscheidungen der Fraktion mit, weil über Themen im Vorfeld immer intensiv diskutiert wird. Geht es um ethische Fragen, wie bei der Organspende, finde ich es angemessen, wenn jeder nach seinem Gewissen entscheiden kann und die Fraktionsdisziplin aufgehoben wird.“

Besonders wichtig ist Filiz Polat der enge Austausch mit den Kollegen der Landesparteien, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern. In diesem Sommer verzichtet sie zum Beispiel auf einen ausgedehnten Urlaub, um die Parteifreunde in Sachsen im Wahlkampf vor der Landtagswahl zu unterstützen. Sie sagt: „Ich als Migrationspolitikerin möchte in Freital oder Chemnitz mit den Menschen ins Gespräch kommen, um auch auf Landesebene für grüne Politik bei der Migration und beim Klima zu werben. Darauf freue ich mich, denn die Erfahrungen werden meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete ganz sicher bereichern.“ (bsl/19.08.2019)

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