Parlament

Delegation informiert sich über die Lage im Tschad und Senegal

Gruppenfoto von 16 Männern und Frauen vor einem unverputzten Gebäude in einer Stadt

Abgeordnete Dietmar Friedhoff (AfD), Jessica Tati (Die Linke), Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) und Carl-Julius Cronenburg (FDP) bei der Besichtigung eines deutschen Entwicklungsprojekts in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. (© Jakob Kießling)

Der Tschad spielt im internationalen, vor allem afrikanischen Flüchtlingsdrama, eine zentrale Rolle. Die Europäer sehen das Land als wichtigen Partner, um die Migration nach Europa zu unterbinden und versuchen gleichzeitig, die Lage dort mit Entwicklungsgeldern zu stabilisieren. Zudem unterstützen sie den Aufbau einer regionalen Militärtruppe gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Welche Fortschritte es bei diesen Bemühungen gibt, das wollten die Bundestagsabgeordneten der Parlamentariergruppe Westafrika bei ihrer Delegationsreise im Juni in den Tschad herausfinden.

Der zentralafrikanische Wüstenstaat ist ein Transitland und ein Drehkreuz der Migration. Zahllose gestrandete Flüchtlinge halten sich hier auf. Über deren Situation und über die Aktivitäten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) informierte sich die deutsche Delegation in einer Flüchtlingsunterkunft und bei einem Gespräch mit der regionalen Leitung der IOM.

Europäer fördern ländliche Entwicklung …

Um die Lage für die Menschen im Tschad und in der Region zu verbessern, leistet Deutschland im Rahmen der „Allianz für den Sahel“ gemeinsam mit Frankreich und der Europäischen Union Unterstützung. Schwerpunkte der Sahel-Allianz sind Investitionen in die Landwirtschaft, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern, Berufsbildungsangebote für die junge Bevölkerung und Schulbau sowie Beratung zum Thema Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung.

Zwei Schulen und ein Gesundheitszentrum besichtigten die Parlamentarier als aktuelle Beispiele der Entwicklungszusammenarbeit in der Nähe der Hauptstadt N’Djamena und trafen sich dort außerdem mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, um über die Themen humanitäre Hilfe und Menschenrechte im Tschad zu sprechen.

… und Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität

„Im Tschad wollten wir uns aber vor allem einen Überblick über die dortige Sicherheitslage verschaffen“, sagt Uwe Kekeritz (Bündnis90/Die Grünen), Vorsitzender der Parlamentariergruppe Westafrika. Dabei interessierte die Abgeordneten vor allem, wie es um die sogenannte G5-Initiative steht, die 2017 von fünf Ländern der Region zur Bekämpfung des Terrorismus, aber auch zur Armutsbekämpfung, zum Ausbau der Infrastruktur und der Landwirtschaft ins Leben gerufen wurde. Kern der G5 ist eine „Sahel Joint Force“ genannte Eingreiftruppe aus 5000 Soldaten und Polizisten mit gemeinsamem Oberkommando in Mali, die künftig Terrorismus, aber auch Drogen- und Menschenschmuggel an den zwischenstaatlichen Grenzen von Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad bekämpfen soll. Mit der G5-Initiative, an deren Aufbau und Finanzierung neben den Ländern der Region auch die EU, Deutschland, Frankreich, Saudi-Arabien und weitere internationale Geber beteiligt sind, seien große Hoffnungen verbunden, sagt Kekeritz und erklärt die ungewöhnliche Allianz der Geberländer, inklusive dem Königreich Saudi-Arabien: „Alle diese Länder verbindet die Angst vor unkontrolliertem Terrorismus.“ In die G5-Initiative seien daher auch bereits beträchtliche finanzielle Mittel geflossen.

„Wir wollten jetzt wissen, wie weit die Partner vor Ort mit der Umsetzung sind. Aber da hapert es offensichtlich noch“, so der Vorsitzende und Delegationsleiter. Die Delegation traf sich in N’Djamena mit Regierungsangehörigen und Diplomaten der beteiligten Geberländer und Internationalen Organisationen, um über Aufbau, Arbeitsweise und die aktuellen Probleme der G5-Truppe zu sprechen. Fazit: „Die kommen nicht voran, die Sicherheitslage im Tschad und der Sahel-Region verbessert sich bislang nicht - im Gegenteil.“ Das stehe in offensichtlichem Widerspruch zu dem erheblichen finanziellen Aufwand. Kekeritz macht für die Verzögerungen und ausbleibenden Erfolge nicht nur Missmanagement verantwortlich, sondern auch fehlende Fortschritte und fehlendes finanzielles Engagement im sozialen Bereich - während das autoritäre und korrupte Regime von Präsident Idriss Déby auch noch mit ausländischen Steuergeldern am Leben gehalten werde.

Der Tschad ist ein undemokratisches, instabiles Land

Während ihrer Gespräche und Ortstermine im Tschad, bei dem die Delegation sowohl mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern der Regierungs- als auch der Oppositionsparteien zusammentraf, habe sich für die deutschen Abgeordneten der Eindruck der politischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Instabilität des Landes verfestigt, berichtet Kekeritz. In dem westafrikanischen Staat würden „immer undemokratischere Zustände“ herrschen. Die Opposition sei seit langem ausgeschaltet, eine Zivilgesellschaft nicht mehr existent. Auf dem Land herrsche ein unstrukturierter, regierungsloser Zustand. Der autoritär regierende Präsident Idriss Déby der sich bereits seit 1991 mit militärischen Mitteln an der Macht hält, habe seitdem „fast alles im Tschad unter seine Kontrolle gebracht. Ein solches Regime mit finanziellen und militärischen Mitteln zu unterstützen ist mehr als problematisch“, gibt der Bundestagsabgeordnete zu bedenken.

Die Legislaturperiode des für 2011 bis 2015 gewählten Parlaments wurde verfassungswidrig verlängert. Im Parlament treffe man vor allem auf regierungstreue Parlamentarier, die im Auftrag des Präsidenten agierten. Letzterer stelle sich gegenüber internationalen Hilfen und Entwicklungsbemühungen auf den dreisten Standpunkt: „Wenn der Westen eine Wahl haben will, dann muss er deren Durchführung auch bezahlen.“

Senegal eine der ältesten Demokratien Afrikas

Auch im Senegal, der zweiten Station auf dem Besuchsprogramm der Parlamentarier, ging es für die deutschen Abgeordneten darum, sich einen aktuellen Eindruck von der Entwicklungszusammenarbeit und den dabei erzielten Fortschritten und Problemen zu verschaffen. Der Senegal zähle zu den bemerkenswertesten Ländern Afrikas, gehöre er doch einerseits zu den sogenannten least developed countries, also den am wenigsten entwickelten Staaten der Welt, und könne dabei andererseits auf eine politische Erfolgsgeschichte als eine der ältesten Demokratien Afrikas zurückblicken, so Kekeritz. „Hier gab es noch nie einen Putsch.“ Dafür vor kurzem eine absolut regelmäßig verlaufene Präsidentschaftswahl.

In der senegalesischen Hauptstadt Dakar traf die Delegation mit Abgeordneten der Regierungs- und Oppositionsparteien des Parlaments zusammen. Die Gespräche drehten sich vor allem um den „Nationalen Entwicklungsplan“ Senegals, ein umfangreiches Programm zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung bis 2035, das auf die Ertüchtigung des Privatsektors, den Ausbau von Infrastruktur und Energiewirtschaft, Landwirtschaft und Fischerei, nachhaltigen Tourismus, den Bildungs- und Gesundheitssektor zielt, berichtet Kekeritz.

In diesem Zusammenhang sprachen die Bundestagsabgeordneten auch mit Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), aber auch der westafrikanischen Zentralbank. Vor allem sei es dabei um den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz gegangen, sowie darum, wie sich der Zugang der Menschen zu bezahlbarer Energie und zu Angeboten der Hochschul- und Berufsausbildung verbessern lässt. Die Delegation sah sich dazu Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit an. Treffen mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen rundeten das Arbeitsprogramm ab.

Erfolgreicher Protest gegen Kohlekraftwerk

Eine energie- und klimapolitische „Problembaustelle“ im wahrsten Sinne des Wortes besuchten die Deutschen am Rand der Hauptstadt. Ein Kohlekraftwerk wird dort mit Fördermitteln und Krediten der Afrikanischen Entwicklungsbank, an der auch Deutschland Anteile hält, gebaut. Problematisch sei dies gleich in mehrfacher Hinsicht, erklärt Kekeritz. Nicht nur sei die CO2-Technologie bei Kraftwerksneubauten nicht mehr vertretbar. In diesem konkreten Fall habe man auch bei der Standortwahl einen Fehler gemacht. Viel zu nah an Siedlungen und in der Nachbarschaft eines Fischmarktes gelegen, verschlechtere das Kraftwerk nicht nur die globale und nationale CO2-Bilanz, sondern gefährde auch lokal durch buchstäblich schlechte Luft Gesundheit und Wohlbefinden der Anwohner, so der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das ganze werde dadurch getoppt, dass man bei einer Nachrüstung zunächst auch noch ungeeignete Filter eingebaut habe, die nun wieder abgebaut werden müssten.

Dass man parallel bereits an Alternativen gearbeitet hat, die die Fehler der Vergangenheit zwar nicht ungeschehen machen, aber zumindest ausgleichen könnten, sei beim Besuch eines Solarkraftwerks deutlich geworden. Die riesige 15-Megawatt-Anlage, die ebenfalls nahe der Hauptstadt Dakar von einem internationalen Konsortium gebaut wurde, solle nun auf eine Leistung von 24 Megawatt aufgestockt werden. Das führe vor Augen, dass sich gerade auf dem afrikanischen Kontinent die Solarkraft als Ersatz für fossile Energieträger zur Stromerzeugung eigne. Und auch über das Kohlekraftwerk ist wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen. Nach heftigen Protesten in der Hauptstadt habe Präsident Macky Sall nun versprochen zu prüfen, ob sich die Dreckschleuder in ein Gaskraftwerk umbauen lässt.

Entwicklungszusammenarbeit muss Gemeinwohl fördern

Auf der Haben-Seite bei diesem Streit um die Energieversorgung könne man auf jeden Fall einen erfolgreichen zivilgesellschaftlichen Protest verbuchen. Das mache Mut und motiviere auch die internationalen Geber, das äußerst arme Land weiter zu unterstützen. Momentan verhandele Deutschland mit Senegal über eine Reformpartnerschaft. Das würde die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Land auf eine neue Stufe heben, begrüßt Kekeritz die Gespräche. Dabei dürfe man eben nicht blind Investitionen fördern, sondern müsse bei jedem wirtschaftlichen Engagement auch das Gemeinwohl im Auge behalten. 

Die internationale Arbeit der Parlamentarier ist dem Bundestagsabgeordneten eine Herzensangelegenheit. „Als Parlamentarier eines wohlhabenden, demokratischen Landes müssen wir vor allem für die Menschen da sein,“ gerade in armen Ländern, mit denen Deutschland als eines der bekanntesten und erfolgreichsten Länder selbstverständlich politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Beziehungen unterhalte. Mit einer Delegationsreise wolle man, abgesehen von dem eigenen Informationsbedarf vor Ort, auch ein Zeichen setzen für die Menschen, egal, ob ihm Senegal oder im Tschad, dass sie nicht isoliert sind, und den Verantwortlichen dort signalisieren, dass ihr Tun unter Beobachtung stehe und positive Entwicklungen Unterstützung erfahren. (ll/09.09.2019)

Marginalspalte