Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne vorherige abschließende Aussprache stimmte der Bundestag am Donnerstag, 26. September 2019, über eine Reihe von Vorlagen ab:

Marktkonzentration im Agrarbereich: Der Bundestag lehnte mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD gegen das Votum der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag der Grünen mit dem Titel „Marktkonzentration im Agrarmarkt stoppen – Artenvielfalt und Ernährungssouveränität erhalten“ (19/1654) ab. Die Abgeordneten hatten die Bundesregierung darin aufgefordert, Konzernzusammenschlüsse im Hinblick auf die Ernährungssouveränität Deutschlands, der EU und weltweit zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Prüfung müssten öffentlich gemacht werden. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (19/13573) zugrunde.

Pauschalreisen bei Insolvenzen: Der Bundestag lehnte mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Grünen, Die Linke bei Enthaltung der FDP einen Antrag der Grünen zur Insolvenz von Anbieten von Pauschalreisen (19/8565) ab. In der Vorlage wurde die Bundesregierung aufgefordert, die nationale Gesetzgebung zur EU-Pauschalreiserichtlinie entsprechend nachzubessern. Sie müsse sicherstellen, dass Kunden ihre Auslagen in vollem Umfang erstattet bekommen, wenn ein Reiseveranstalter pleitegeht. Dies sei auch die Intention der EU-Richtlinie, der der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung in nationales Recht indes nur unzureichend nachgekommen sei. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (19/13584) zugrunde.

Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Bundestag stimmte mit breiter Mehrheit bei Enthaltung der Linksfraktion für eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (19/13555) zur Abgabe einer Stellungnahme und Bestellung eines Prozessbevollmächtigten in den Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 2480 / 10, 2 BvR 421 / 132, 2 BvR 786 / 15, 2 BvR 756 / 16 und 2 BvR 561 / 16 vor dem Bundesverfassungsgericht. Beschlossen wurde, zu den genannten Verfahren eine Stellungnahme abzugeben und den Bundestagspräsidenten zu bitten, einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Mit den fünf Verfassungsbeschwerden gingen zahlreiche europäische Unternehmen unmittelbar gegen Entscheidungen des Europäischen Patentamtes und mittelbar gegen das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente, dessen Ausführungsordnung sowie die Verfahrensordnungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes vor, schreibt der Rechtsausschuss. Die Verfahren hätten Probleme des Rechtsschutzes im Patenterteilungsverfahren nach dem Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente zum Gegenstand und würfen vor allem die Frage auf, inwieweit das Bundesverfassungsgericht Rechtsschutz gegen Rechtsakte von Organisationen bietet, auf die Hoheitsrechte nach Artikel 24 Absatz 1 des Grundgesetzes mit Zustimmung des Bundestages übertragen wurden. Sie stünden damit im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 739 / 17 betreffend das Einheitliche Patentgericht, in dem der Deutsche Bundestag am 22. Januar 2018 eine Stellungnahme abgegeben habe.

Doping im Sport: Der Bundestag stimmte mit breiter Mehrheit gegen die Stimmen der AfD für einen Antrag von CDU/CSU und SPD  mit dem Titel „Evaluierung des Gesetzes gegen Doping im Sport“ (19/13506). Damit erklärte der Bundestag sein Einvernehmen mit der Bestellung der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg sowie des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medienstrafrecht der Universität Leipzig als wissenschaftliche Sachverständige, die bei der Evaluierung der straf- und strafverfahrensrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des Dopings im Sport einbezogen werden.

Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag hat 13 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen angenommen, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden sind (19/13125, 19/131256, 19/13127, 19/13128, 19/13129, 19/13130, 19/13131, 19/13132, 19/13133, 19/13134, 19/13135, 19/13136, 19/13137). Die Beschlussempfehlungen betreffen die Petitionen in den Sammelübersichten 322 bis 334.

Änderung des Transsexuellengesetzes gefordert

Darunter befindet sich auch eine öffentliche Petition mit der Forderung nach Änderung des Transsexuellengesetzes entsprechend dem Vorbild aus Dänemark, Irland oder Malta. Erforderlich ist aus Sicht des Petenten der Schutz intersexueller Säuglinge und Kleinkinder von operativen Eingriffen, das Recht auf Selbstbestimmung „ohne jahrelangen Alltagstest“ sowie die Änderung des juristischen Geschlechts unabhängig vom Familienstand.

Benötig werde auch die Übernahme medizinischer Leistungen durch Krankenkassen und die Anerkennung des dritten Geschlechts. 

Petent: Geforderte Alltagstests „unnötig und nicht sinnvoll“

Zur Begründung seines Anliegens verweist der Petent darauf, dass bereits 2011 durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden sei, dass das deutsche Transsexuellengesetz grundgesetzwidrig sei. In etlichen Studien seien als Ursachen der psychischen Leiden transsexueller Menschen hauptsächlich die fehlenden Akzeptanz ihrer Identität durch die Gesellschaft und die Inkongruenz zwischen Körper und Identität festgestellt worden, heißt es in der Petition. Hilfreich sei allein die Angleichung des Körpers an die geschlechtliche Identität. Die derzeit geforderten Alltagstests - die Betroffenen müssen das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle mindestens ein Jahr kontinuierlich erproben - seien unnötig und nicht sinnvoll und würden das Leiden der Betroffenen verstärken, schreibt der Petent. 

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 11. September 2019 verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJ) „als Material“ zu überweisen. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“. Zugleich soll die Petition den Fraktionen des Bundestages „im Hinblick auf mögliche Gesetzesinitiativen“ zur Kenntnis gegeben werden.

Interministerielle Arbeitsgruppe „Intersexualität/Transsexualität“

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung weist der Petitionsausschuss auf die am 8. September 2014 unter Federführung des BMFSFJ eingerichtete interministerielle Arbeitsgruppe „Intersexualität/Transsexualität“ hin. Diese habe sich mit der medizinischen Behandlung von Menschen mit angeborenen Variationen der Geschlechtsmerkmale, dem Ausbau sowie der Stärkung von Beratungs-, Aufklärungs- und Präventionsstrukturen, der Analyse der faktischen und rechtlichen Situation transsexueller, trans- und intergeschlechtlicher Menschen und schließlich der Prüfung erforderlicher Gesetzesänderungen beschäftigt. Bei den regelmäßigen Besprechungen sei die interministerielle Arbeitsgruppe auch durch Stellungnahmen externer Gutachter unterstützt worden, heißt es in der Vorlage. Zudem seien durch das BMFSFJ zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben worden. Das in der Folge erarbeitete Positionspapier des BMFSFJ enthalte unter anderem die Forderung nach Ersetzung des Transsexuellengesetzes durch ein Gesetz zum Schutz und zur Akzeptanz der geschlechtlichen Vielfalt sowie eine klarstellende Verbotsregelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), „dass Eltern von Kindern mit angeborenen Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale in Operationen ohne zwingende medizinische Notwendigkeit nicht einwilligen dürfen“ – ergänzt durch eine obligatorische Beratungspflicht für Eltern. 

Wie aus der Beschlussempfehlung weiter hervorgeht, haben das BMJ und das BMI am 8. Mai 2019 einen gemeinsamen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrages zur Ressortabstimmung vorgelegt, der auch Regelungen zum Wechsel des Geschlechtseintrages für transgeschlechtliche Menschen enthalte. Die Petition sei geeignet, in die weiteren Planungen einbezogen werden, befinden die Abgeordneten und empfehlen die Materialüberweisung. 
(vom/hau/eis/26.09.2019)