Parlament

Claudia Roth verabschie­det 21 Stipendiaten aus ara­bi­schen Staaten

Gruppenfoto einer Frau mittleren Alters mit sechszehn vorwiegend jugendlichen Menschen

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth mit 13 von insgesamt 21 IPS-Stipendiaten (DBT/Melde)

„Sie sind die Brückenbauer: Sie sprechen Deutsch, Sie kennen nun die Abläufe im Deutschen Bundestag. Sie sind die Brückenbauer zu uns.“ Mit diesen Worten verabschiedete Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) am Freitag, 27. September 2019, 21 junge Menschen, die im September vermittels des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Bundestages für arabische Staaten im Hohen Haus zu Gast waren. 

Das vierwöchige Stipendienprogramm begann am 1. September 2019 und ermöglichte es den 22- bis 35-Jährigen aus Ägypten, Algerien, dem Irak, dem Libanon, Marokko, Oman, Syrien und Tunesien den deutschen Parlamentarismus hautnah mitzuerleben. Das Sonderprogramm – „kleiner Bruder“ des IPS-Regelprogramms – fand damit zum achten Mal statt. Aufgelegt wurde es erstmals im Jahr 2012 als Reaktion auf den Arabischen Frühling.

„Das weibliche Gesicht des Arabischen Frühlings“

Zur Verabschiedung des jungen Politiknachwuchses äußerte Roth die Hoffnung auf ein Wiedersehen, ob hier in Deutschland oder in den Heimatländern der Gäste. „Ich hoffe, dass Sie neue Impulse, Beziehungen und Ideen nachhause und in Ihr Leben mitnehmen können“, sagte Roth, die jedes der durch die Stipendiaten vertretenen Länder schon bereist hat und von ihren Erlebnissen und Eindrücken vor Ort berichtete – ob von dem „weiblichen Gesicht des Arabischen Frühlings“, von der verheerenden Situation in Aleppo oder Palmyra oder vom Opernhaus in Oman. 

Dabei ging sie auch auf die Lage im Libanon ein, ein Land, das zigfach mehr geflüchtete Menschen aufgenommen habe als Deutschland. Der Libanon brauche „mehr Unterstützung von uns“, sagte sie. Auch unterstrich sie mit Blick auf das zivilgesellschaftliche Engagement in den arabischen Regionen, dass es ein Unterschied sei, ob man hierzulande, in Köln oder München, oder in Kairo am Tahrir-Platz oder in Bagdad seine Stimme erhebe. In Marokko habe sie gesehen, „dass das Mittelmeer unser gemeinsames Meer ist“, sagte Roth.

Roth: Ein System kann man nicht schenken

Dass in Deutschland eine Grünen-Politikerin einmal Bundestagsvizepräsidentin werden würde, hätte sie vor 40 Jahren nicht gedacht, gestand Roth. Das zeige, was sich hierzulande alles verändert habe. Mit diesen Worten bestärkte sie die jungen Menschen, in ihren Regionen als „Friedensstifter und Feministen“ unterwegs zu sein. Dies sei gewiss keine leichte Aufgabe. Die Lage in vielen Ländern, insbesondere in der Golfregion, sei höchst gefährlich. Man müsse sich etwa ehrlich machen und erkennen, dass eine Eskalation zwischen Iran und Saudi-Arabien unmittelbar dazu führen würde, die gesamte Region massiv zu destabilisieren.

Roth gestand auch Fehler seitens der europäischen auswärtigen Politik des letzten Jahrzehnts ein. So habe man den Arabischen Frühling in Europa gefeiert, habe es aber versäumt, im Anschluss an die Demokratiebewegungen im arabischen Raum unterstützend zur Seite zu stehen. Ein System könne man nicht herschenken, sagte Roth zu einigen Stipendiaten, die die Hoffnung auf mehr deutsche Unterstützung im arabischen Raum äußerten. Es gebe aber viele Stellen in den Regionen vor Ort, die unterstützend tätig sein könnten, etwa die parteinahen Stiftungen oder das Goethe-Institut.

Gespräch mit Experten für Nahost und Maghreb

Im Rahmen ihres Aufenthalts durchliefen die Stipendiaten, von denen viele ein Germanistik-Studium absolvierten, verschiedene Stationen. So absolvierten sie in der Woche vom 23. bis 27. September ein fünftägiges Kurz-Praktikum im Büro ihres jeweiligen Patenabgeordneten. Abgeordnete aller Fraktionen hatten sich erneut bereit erklärt, den jungen Leuten Einblick in ihre Arbeit zu gewähren.

Daneben gab es weitere Programmpunkte außerhalb der Bundestagsgebäude. So trafen die Stipendiatinnen und Stipendiaten mit Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik, einem unabhängigen „Think Tank“ zur Politikberatung, zusammen.

Das Thema der Diskussion lautete „Transformationsprozesse in der Mena-Region und deutsche Politik“, wobei Mena für „Middle East and North Africa“, also die Herkunftsländer der Teilnehmer, steht. Auch der Deutschen Welle in Berlin wurde ein Besuch abgestattet. Vorgestellt wurde die Sendung „Jaafar Talk“ mit Jaafar Abdul Karim im arabischen Programm des Auslandssenders.

Religionsfreiheit und interreligiöser Dialog

Ein weiterer Schwerpunkt des Programms war das Thema Religionsfreiheit. So besuchten die Teilnehmer ein Seminar mit dem Titel „Plurale Gesellschaft: Vielfalt, Religionsfreiheit und Minderheiten in Deutschland“, das von Alsharq, einem Berliner Verein für Politische Bildung zum Nahen und Mittleren Osten ausgerichtet wurde.

Mehr über den interreligiösen Dialog in Deutschland erfuhren sie bei der Stiftung „House of one“ in Berlin, wo sie mit Vertretern des Christentums, des Judentums und des Islams zusammentrafen. Am Müggelsee nahmen sie an einem Planspiel mit Kleingruppenarbeit zum Thema „Umgang mit autokratischen Herrschern“ teil. Im Anschluss stand ein Besuch des Auswärtigen Amts und ein Gespräch mit den dortigen Nahost- und Maghreb-Experten auf dem Programm. (ste/vom/27.09.2019)


Marginalspalte