Parlament

EU-Wahl 2019: Ältere Wähler ein­fluss­reicher als jüngere

Zwei Männer und eine Frau sitzen auf einem Podium hinter weißen Namensschildern und vor blauer Wand.

Bundeswahlleiter Georg Thiel (Mitte) stellt die repräsentative Wahlstatistik zur Europawahl 2019 vor. Mit auf dem Podium: Florian Burg, Pressesprecher des Bundeswahlleiters (links) und Karina Schorn, Leiterin des Büros des Bundeswahlleiters (rechts). (DBT/von Saldern)

Schon bei der Wahl zum Deutschen Bundestag 2017 hat sich gezeigt, dass der Einfluss der über 60-Jährigen auf die Wahlergebnisse gestiegen ist. Wie die repräsentative Wahlstatistik zur Europawahl 2019 nun zeigte, bestätigt sich dieser Trend auch für die Wahl zum Europäischen Parlament am 23. bis 26. Mai dieses Jahres.

Vorgestellt wurde die Wahlstatistik am Mittwoch, 2. Oktober 2019, vom Bundeswahlleiter und Präsidenten des Statistischen Bundesamtes Dr. Georg Thiel in Berlin. Ergänzend zu den die Bundesrepublik betreffenden Zahlen stellte Philipp Schulmeister, Leiter des Referats für Meinungsforschung des Europäischen Parlaments, die gesamteuropäischen Wählerdaten vor. So sei die Wahlbeteiligung im europäischen Durchschnitt um acht Prozent gestiegen, stellte Schulmeister fest. In Deutschland seien es sogar 13 Prozentpunkte.

Ältere Wähler gewinnen an Einfluss auf Ergebnisse

Mit 66,4 Prozent hätten sich die 60- bis 69-Jährigen am stärksten an der Europawahl 2019 beteiligt, hieß es im Statement des Bundeswahlleiters. Zugleich seien von den Erst- und Jungwählern nur 57 Prozent an die Wahlurnen gegangen.

Deutlicher habe sich der Einfluss der älteren Generationen an den demografischen Vergleichsdaten gezeigt. Mit 37,9 Prozent umfassen die über 60-Jährigen über ein Drittel aller Wahlberechtigten. Jüngere Wähler unter 30 hätten mit 8,6 Millionen potenziellen Wählern mittlerweile weniger als ein Siebtel (14 Prozent) ausgemacht – nochmals sieben Prozentpunkte weniger als bei der Europawahl 1979. Damit kommen die unter 30-Jährigen auf einen unterdurchschnittlichen Wert.

Verluste bei CDU und SPD

2.232 Stichprobenwahlbezirke und 448 Briefwahlbezirke wurden für die repräsentative Wahlstatistik zur Europawahl 2019 ausgewertet. Damit sei das Wahlverhalten von 3,5 Prozent aller Wahlberechtigten (2,1 Millionen Wähler) in die Statistik eingeflossen, genug, um valide Daten zu erhalten, meinte Thiel.

Bei der Europawahl 2019 schafften es in Deutschland 14 Parteien ins Parlament. Erstmals eingezogen ist die Partei Volt mit einem Sitz. Die CDU verlor im Vergleich zum Wahljahr 2014 (29 Sitze) sechs Mandate, die SPD (2014: 27 Sitze) elf. Grüne und AfD konnten jeweils zulegen – von elf auf 21 Sitze sowie von sieben auf elf Sitze. Die CSU gewann ein Mandat hinzu und kommt nun auf sechs, die FDP gewann zwei Sitze im Vergleich zu 2014 und stellt nun fünf Abgeordnete. 

Wahlbeteiligung ähnlich in Ost und West

Gesamteuropäisch liege die Wahlbeteiligung nach derzeitigem Stand bei 50,6 Prozent (2014: 42,6 Prozent). Mit 61,4 Prozent habe Deutschland den „dritthöchsten Wert bei den Mitgliedsstaaten ohne Wahlpflicht“, heißt es im Statement des Bundeswahlleiters. 

Überdurchschnittlich hoch sei die Wahlbeteiligung in Rheinland-Pfalz (64,8 Prozent) und im Saarland (66,4 Prozent) gewesen, was mit den gleichzeitigen Kommunalwahlen zusammenhängen könnte, so die Einschätzung von Georg Thiel. Ansonsten seien „keine großen Unterschiede zwischen den ost- und den westdeutschen Ländern festzustellen“. Schlusslicht bei der Wahlbeteiligung ist Sachsen-Anhalt mit 54,7 Prozent.

Grüne gewinnen in allen Altersgruppen

CDU, CSU und SPD hatten besonders bei Wählern ab 70 Jahren Erfolg. Für die CDU waren das 37 Prozent, die CSU erreichte ihren Höchstwert mit 9,7 Prozent und die SPD gewann 23,3 Prozent der über 70-Jährigen. Während die Grünen in allen Altersgruppen Zugewinne erzielen konnten, verloren CDU und SPD allerdings gleichermaßen Stimmen im gesamten Altersspektrum.

„In den ersten vier Altersgruppen (von den 18- bis zu den 59-Jährigen)“ war die Partei Bündnis 90/Die Grünen „die klare Wahlsiegerin“, notiert der Bundeswahlleiter. Ihr Stimmenanteil in dieser Altersspanne liege zwischen 23,6 und 34, 9 Prozent. Zudem habe sich im Kontrast zu den anderen Parteien gezeigt, dass die Stammwähler der Grünen mitgealtert seien. Die junge Generation, die 1979 grün gewählt habe, gehöre auch heute, 40 Jahre später, noch zur Stammwählerschaft.

Auch die AfD habe in fast allen Altersgruppen an Zustimmung gewonnen. Lediglich die 18- bis 24-Jährigen hätten sich weniger überzeugt von der Partei gezeigt als noch im Jahr 2014. 

Deutlich mehr Männer als Frauen wählen AfD

Deutliche Unterschiede habe es im Wahlverhalten zwischen Männern und Frauen gegeben. Die Grünen erzielten bei den Frauen 23,2 Prozent der Stimmanteile und damit deutlich mehr als bei den Männern (17,7 Prozent). Genau anders herum verhielt es sich bei Linken und FDP. Für diese Parteien gaben mehr Männer als Frauen ihre Stimme. Deutliche Differenzen zeigen sich auch bei der AfD. Mit einem Stimmenanteil von 14,6 Prozent wählten etwa doppelt so viele Männer wie Frauen (7,6 Prozent) die Partei. Bei der SPD sowie bei der CSU waren die Unterschiede zwischen den Geschlechtern marginal. 

Auffällig seien auch Differenzen im ost- und westdeutschen Wahlverhalten. Mit 21,1 Prozent der Stimmen gewann die AfD in Ostdeutschland mehr als doppelt so viele Stimmanteile wie in Westdeutschland. Ähnliches gilt für Die Linke. CDU, SPD, Grüne und FDP konnten jeweils in Westdeutschland besser punkten als in den neuen Bundesländern.   

Rekordstand Briefwahlquote

Mit 28,4 Prozent erreichte der Anteil der Briefwähler einen neuen Rekordstand für die Europawahlen (2014: 25,3 Prozent). Bei der Bundestagswahl 2017 lag der Wert allerdings nochmals um 0,2 Prozent höher. Besonders bei der CSU machen sich Unterschiede zwischen Briefwählern und Urnengängern bemerkbar. So habe sie fast doppelt so viele Stimmen per Brief auf sich verbuchen können als in den Wahllokalen. Genau anders herum verhalte es sich bei der AfD. Mit einem Unterschied von 3,2 Prozentpunkten habe die Partei eher an der Urne gepunktet, notiert der Bundeswahlleiter.

Die höchste Briefwählerquote wurde für den Kreis Südwestpfalz ausgewiesen. Mit 53,1 Prozent aller eingegangenen Wahlzettel haben sich hier mehr als die Hälfte der Wähler für die Wahl per Brief entschieden.  

Klimaschutz ist in Deutschland Thema Nummer eins

Unterschiede hätten sich im europäischen Vergleich auch in der Wahlmotivation gezeigt. Die fünf wichtigsten und wahlentscheidendsten Themen waren laut Philipp Schulmeister von der Verwaltung des EU-Parlaments: Wirtschaft und Wachstum, die Bekämpfung des Klimawandels, die Förderung von Menschenrechten und Demokratie, das Funktionieren der EU und die Migration. 

Mit 51 Prozent war die Klimapolitik für die Deutschen der wichtigste Themenkomplex. Im gesamteuropäischen Durchschnitt nahm dieses Thema mit 37 Prozent nur den dritten Platz ein. Gesamteuropäisch betrachtet waren an erster Stelle Wirtschaft und Wachstum das Thema Nummer eins. In Deutschland stand es nach der Einwanderungspolitik (39 Prozent) mit 36 Prozent an fünfter Stelle. (ste/02.10.2019)

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