Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 14. November 2019, eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:
Doppelbesteuerung: Der Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2017 / 1852 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union (19/12112) in geänderter Fassung bei Enthaltung der Fraktion Die Linke mit breiter Mehrheit der übrigen Fraktionen angenommen. Der Finanzausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (19/15154) vorgelegt. Bei Streitfällen über Doppelbesteuerungsabkommen soll damit ein neues Verfahren zur Beilegung eingeführt werden. Nach Angaben der Bundesregierung entstehen Doppelbesteuerungssachverhalte, wenn zwei souveräne Steuer-Jurisdiktionen auf dasselbe Besteuerungssubstrat zugreifen. Eine von einem Steuerpflichtigen vorgebrachte Doppelbesteuerungsstreitigkeit sei bisher beigelegt worden, indem die jeweiligen Staaten teilweise auf ihre Besteuerungsrechte verzichten. Die Verfahren sähen allerdings teilweise keinen Einigungszwang dieser Staaten durch eine Schiedsverfahrensphase vor. Durch die Umsetzung der Richtlinie werde nun innerhalb der EU ein weiteres Streitbeilegungsverfahren eingeführt, das eine solche Schiedsverfahrensphase für alle Doppelbesteuerungsstreitigkeiten vorsieht. In dieser Schiedsverfahrensphase werde die Streitfrage einem beratenden Ausschuss zur Stellungnahme vorgelegt, von dessen Stellungnahme die zuständigen Behörden abweichen könnten. Falls sich die zuständigen Behörden jedoch innerhalb von sechs Monaten nach Übermittlung dieser Stellungnahme nicht verständigen, seien sie inhaltlich an diese Stellungnahme gebunden, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Wenn der Steuerpflichtige der abschließenden Entscheidung über die Streitfrage zustimmt und auf Rechtsbehelfe verzichtet, seien die fraglichen Steuerbescheide des Steuerpflichtigen entsprechend zu ändern. Der Bundesrat vermisst in dem Entwurf Regelungen zur Information und Mitwirkung der Landesfinanzbehörden und bittet darum, die Beteiligungsrechte der Länder in der Schiedsverfahrensphase sicherzustellen. Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag der Länder in ihrer Gegenäußerung zu.
PTA-Reformgesetz: Der Bundestag hat einer Reform der Ausbildung zum pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) mit dem Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von AfD und Linken bei Enthaltung von FDP und Bündnis 90/Die Grünen in geänderter Fassung angenommen. Die Bundesregierung hatte dazu einen Gesetzentwurf (19/13961) vorgelegt. Die Hauptaufgaben der PTA bestünden heute vor allem darin, Arzneimittel und Medizinprodukte abzugeben und Patienten zu beraten. Darauf soll die modernisierte Ausbildung künftig abzielen. Daneben soll für die Herstellung von Arzneimitteln eine fundierte pharmazeutisch-technologische Kompetenz gewährleistet bleiben. Die Berufsausbildung soll weiterhin zweieinhalb Jahre dauern, darunter zwei Jahre in einer PTA-Schule und im Anschluss daran ein halbes Jahr Praxiseinsatz in einer Apotheke. Die PTA erhalten während ihrer praktischen Ausbildung eine Vergütung, die im Ausbildungsvertrag ausdrücklich festgelegt wird. Geprüft werden soll separat, wie für die Ausbildung in Gesundheitsfachberufen eine Schulgeldfreiheit erreicht werden kann. Erfahrene PTA können künftig unter bestimmten Voraussetzungen erweiterte Kompetenzen in der Apotheke übernehmen. Die reformierte Ausbildung soll zum Jahresbeginn 2023 starten. Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Der Bundesrat schlägt der Bundesregierung diverse Änderungen am Gesetzentwurf vor. Einige Vorschläge der Länder sollten übernommen oder geprüft werden, wie aus der Gegenäußerung der Bundesregierung (19/14088) hervorgeht. Das Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (19/15160) zugrunde .
Menschenrechte: Der Bundestag hat einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/4554) zur Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum Pakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit den Ablehnung des Antrags mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Linksfraktion und Grünen bei Stimmenthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt. Wie die Grünen schreiben, stehe die Nichtratifikation in deutlichem Widerspruch zum deutschen Engagement für die internationale Anerkennung dieser Rechte. „Die Ratifikation des Fakultativprotokolls wäre ein wichtiger Schritt, um dem Eindruck eines Doppelstandards im innen- und außenpolitischen Umgang mit Menschenrechten vorzubeugen“, heißt es in dem Entwurf. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hatte eine Beschlussempfehlung (19/10720) vorgelegt.
Atomabkommen: Die Abgeordneten haben einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/14824) mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen der Linksfraktion und Grünen abgelehnt, den deutsch-brasilianischen Atomvertrag zu kündigen. „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie dem eigenen Atomausstieg gerecht wird und diese Kooperation mit Brasilien endlich beendet“, schreiben die Abgeordneten. Die Bundesregierung sollte stattdessen Brasilien beim Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen und die wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Brasilien in allen Bereichen der erneuerbaren Energieversorgung verstärken, heißt es weiter. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hatte zur Entscheidung eine Beschlussempfehlung (19/15166) vorgelegt .
Ermäßigter Mehrwertsteuersatz: Der Bundestag hat mit breiter Mehrheit des Parlaments einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Artikel und Dienstleistungen des Kinderbedarfs – Steuern senken, Familien stärken“ (19/8560) abgelehnt, zu dem eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (19/13578) vorlag . Die AfD verlangte von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der die Umsatzsteuer für solche Produkte und Dienstleistungen auf sieben Prozent reduziert, die einen direkten Bezug zur Erziehung, Betreuung und Pflege von Kindern aufweisen, soweit dies nicht bereits geschehen ist. Zur Gegenfinanzierung schlug die AfD-Fraktion vor, die umsatzsteuerliche Privilegierung von Hotelübernachtungen wieder rückgängig zu machen. Damit könne die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Kinderbedarf auskömmlich gegenfinanziert werden. Weiteres Gegenfinanzierungspotenzial wurde im Katalog von privilegierten Luxusprodukten und Dienstleistungen gesehen. In der Begründung heißt es, Kinder seien in Deutschland ein Armutsrisiko. Ein Viertel der Familien mit drei oder mehr Kindern sei von Armut bedroht. Mehr als 4,4 Millionen Kinder in Deutschland würden in Armut leben. Die Einkommen der Familien mit Kindern würden im Schnitt 27 Prozent unter den Einkommen von kinderlosen Paaren liegen.
Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag hat 17 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen angenommen, die beim Bundestag eingegangen sind und vom Petitionsausschuss beraten wurden (19/14848, 19/14849, 19/14850, 19/14851, , 19/14852, 19/14853, 19/14854, 19/14855, 19/14856, 19/14857, 19/14858, 19/14859, 19/14860, 19/14861, 19/14862, 19/14863, 19/14864). Die Beschlussempfehlungen betreffen die Petitionen in den Sammelübersichten 375 bis 391.
Petent: Straßenbreite an moderne Pkw anpassen
Darunter befindet sich auch eine Petition mit der Forderung, das Regelwerk zum Straßenbau an die vergrößerten Fahrzeugbreiten moderner Pkw anzupassen. Wie der Petent in seiner Eingabe schreibt, würden gerade im ländlichen Raum die Fahrzeuge immer größer. Die Vorschriften für die Straßenbreiten seien hingegen immer noch auf dem „Niveau von zum Teil Pferdekutschen“. Es passten keine Traktoren mehr aneinander vorbei, vor allem wenn Geräte hinten und vorn angebracht seien. Selbst für normale Pkw reichten die Abstände nicht mehr aus, schreibt der Petent. An SUV sei dabei noch gar nicht gedacht. Es sei praxisfremd, dass diese Gegebenheiten bei den entsprechenden Vorschriften nicht berücksichtigt würden.
Die vom Petitionsausschuss in seiner Sitzung am 6. November 2019 gegen die Stimmen der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur „als Material“ zu überweisen. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zufolge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.
Fahrzeugbreiten sind seit 1970 um 30 Zentimeter angewachsen
In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung weist der Ausschuss auf eine Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums hin, wonach die Fahrzeugbreiten typischer Pkw ohne Außenspiegel seit dem Jahr 1970 im Schnitt von 1,60 Meter auf 1,90 Meter angewachsen seien. Bei Berücksichtigung der Außenspiegel liege die Mehrheit der Pkw-Neuzulassungen aktuell im Breitenbereich zwischen 2 Meter und 2,10 Meter. Im technischen Regelwerk seien die geänderten Fahrzeugbreiten insbesondere bei der Festlegung der Breite von Überholspuren an Autobahnbaustellen berücksichtigt worden, teilt die Regierung mit. Sie seien in der Regel so dimensioniert, dass Fahrzeuge mit einer Breite von 2,10 Meter die Überholspuren nutzen könnten.
Eine darüber hinausgehende Anpassung der Regelwerke für Autobahnen und Landstraßen ist aus Sicht des Ministeriums nicht erforderlich, da die Fahrstreifen so bemessen würden, dass sie von Lkw genutzt werden könnten. Diese dürften laut Straßenverkehrsordnung bis zu 2,60 Meter breit sein. Was Stadtstraßen angeht, so könnten diese laut der Stellungnahme mit einer geringeren Breite geplant werden, wenn dort nicht mit regelmäßigem Lkw- oder Busverkehr zu rechnen sei.
Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen werden derzeit überarbeitet
Gleichwohl würden derzeit die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) aus dem Jahr 2006 überarbeitet. Dabei sei eine Aktualisierung der Breite der Bemessungsfahrzeuge vorgesehen, schreibt der Petitionsausschuss.
Die vorliegende Petition, so befindet eine Mehrheit der Angeordneten, sei geeignet, in die Überarbeitung der Richtlinie einbezogen zu werden. (hau/eis/14.11.2019)