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Experten sehen stei­gende Be­lastung im Ehren­amt durch die DSGVO

Eine App mit der Bezeichnung www.mobile-retter.de

Digitalisierung im Ehrenamt war Thema im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement. (© picture alliance/dpa)

Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vom 25. Mai 2018 hat bei Ehrenamtlichen und Vereinen für erhebliche Verunsicherung und Frustration gesorgt. Das war der Tenor in einer öffentlichen Sitzung des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement am Mittwoch, 13. November 2019, unter der Leitung des Vorsitzenden, Alexander Hoffmann (CDU/CSU) zum Segen und Fluch der Digitalisierung für Ehrenamt und Vereinswesen.

Die aus der fortschreitenden Digitalisierung hervorgehenden Belastungen für Ehrenamtliche und Vereine sind mit Inkrafttreten der europäischen Datenschutzgrundverordnung erheblich gestiegen, berichtete Benjamin Bergemann, ehrenamtlicher Vorstand des Vereins „Digitale Gesellschaft e.V.“. Sein Verein habe in den vergangenen Monaten zahlreiche Anfragen von anderen Vereinen erhalten, die nach Beratungsangeboten suchten. Das unterstreiche den Handlungsbedarf.

Forderung nach Ausweitung der Gemeinnützigkeit

Was die Vereine bräuchten, sei konkrete technische Unterstützung. An dieser Stelle sei die öffentliche Hand gefordert, mit öffentlichen Geldern technische Infrastrukturen zu fördern. Mit dem Info-Portal „DeineDatenDeineRechte.de“ habe sein Verein ein niedrigschwelliges und weitgehend unjuristisches Angebot zur DSGVO für Vereine geschaffen, einen leichten Zugang zu dem komplexen Thema mit Erklärtexten und -videos. Mit dem Internetportal, das sich explizit an die Verbraucher richte, habe man eine Informationslücke geschlossen, wie die hohen Zugriffszahlen zeigten.

Bergemann warb insbesondere dafür, den Themenbereich Digitalisierung und Datenschutz als Ehrenamt stärker als Handlungsfeld von Ehrenamtlichen und Vereinen anzuerkennen. Ehrenamtlich erstellte und betreute Beratungsangebote und vor allem auch die Bereitstellung dezentraler datenschutzkonformer Technik in Vereinen, also im nichtkommerziellen Bereich, müssten wie die Zwecke der betreuten Vereine als gemeinnützig anerkannt werden. 

Vereine die sich im Bereich der digitalen Hilfestellung bewegen, lebten vor allem von Spenden, die Gemeinnützigkeit müsse über inhaltliche Umwege hergeleitet werden. Hier sei eine steuerrechtliche Vereinfachung und Änderung der Abgabenordnung geboten. „Erkennen Sie den Wert der digitalen Zivilgesellschaft, die das Engagement für digitale Grundrechte, für Selbstbestimmung in der Information, als eigenes Handlungsfeld begreift“, sagte Bergemann.

Know-how muss an die Vereine herangetragen werden“

Auch Dr. Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg, ging auf die neuen Belastungen ein, die kleine Vereine mit der DSGVO nun ebenso treffen wie Konzerne wie Facebook. Darunter seien zahlreiche Pflichten, die das Bundesdatenschutzgesetz bislang nicht kannte. Er habe viele besorgte Anfragen und Beschwerden aus Vereinen erhalten, die sich überfordert fühlten oder schlicht Angst hätten vor Sanktionsandrohungen bei Fehlverhalten. Da das europäische Recht, das im Übrigen ein großer und wichtiger Schrei sei und zahlreiche Chancen eröffne, nun seitens der nationalen Gesetzgebung nicht nachgebessert werden kann, müsse man in den kommenden Jahren mit dem arbeiten, was wir nun haben, sagte Brink. Jetzt gehe es darum, die Vereine zu entlasten und zu beraten.

„Experten und Know-how muss an die Vereine herangetragen werden.“ Was man an der Basis jetzt brauche, seien konkrete Mustertexte und Ausfüllhilfen in den technisch-bürokratischen Bereichen statt nur allgemeiner Beratung. Der Markt an seriösen Beratern sei im Übrigen so gut wie leergefegt, da sich auch Unternehmen in großem Stil Expertise eingekauft hätten, um mit der neuen Situation umzugehen. Vereine könnten sich das nicht leisten und zögen den Kürzeren. Bei aller Kritik dürfe man nicht vergessen, welche Vorteile das neue Datenschutzrecht biete. Man habe nun, vor allem auch gegenüber anderen Wirtschaftsräumen, ein einheitliches europäisches Instrument. Die Bürgerrechte seien dadurch gestärkt worden. 

Beratungsgutscheine für Digitalthemen

Wie die anderen Referenten, ging auch Dr. Serge Embacher vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement nicht nur auf die Belastungen, sondern auch auf die Vorteile ein, die die Digitalisierung, nicht nur im Bereich des Datenschutzes, für die organisierte Zivilgesellschaft biete. Eine große gesellschaftliche Veränderung mit enormen Potenzialen, auch für die demokratische Entwicklung und Teilhabe, sei gerade im Gange. Alle seien gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. Zahlreiche digitale Instrumente würden auch im Vereinswesen genutzt: Tools, die die Vereinsarbeit sehr erleichterten und die Beteiligten im Bereich der Kommunikation entlasteten. Man höre von vielen positiven Erfahrungen. 

Das Bundesnetzwerk starte gerade ein über zwei Jahre angelegtes Evaluierungsprojekt, „Digitalisierung und Engagement“. Dessen Ergebnisse sollten dazu beitragen, das zivilgesellschaftliche Vereinswesen in dem Bereich des digitalen Wandels zu ertüchtigen und handlungsfähiger zu machen, gehe doch ein Großteil der Bürgergesellschaft bislang eher passiv damit um. Um Ehrenamtlichen und Vereinen kurzfristig zu helfen, könnte sich die Politik überlegen, Beratungsgutscheine für das Thema Digitalisierung für zivilgesellschaftliche Organisationen zu schaffen, ähnlich wie es das bereits für kleine und mittlere Unternehmen gebe.

Zu wenig vorbereitet auf die DSGVO

In den Jahren 2017/18 sei die bevorstehende Novellierung der Datenschutzgesetzgebung auf europäischer Ebene im Vereinswesen noch ein weitgehend unbekanntes Thema gewesen, berichtete Jan Holze, Geschäftsführer der Stiftung für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement in Mecklenburg-Vorpommern. Man habe damals festgestellt, dass im Bereich des Ehrenamtes und der Vereine das Bewusstsein nicht vorhanden war, dass die Zivilgesellschaft überhaupt betroffen sein könnte. Dann aber habe das Kürzel „DSGVO“ wie kein anderes in der Breite der Gesellschaft Bekanntheit erlangt. Die ersten Sensibilisierungsveranstaltungen seien förmlich überrannt worden. Kaum einer sei richtig darauf vorbereitet gewesen. 

Man versuche nun, der massiven Unsicherheit in der Gesellschaft in Bezug auf die DSGVO durch Handlungshilfen im Internet, mit Broschüren und weiteren Veranstaltungen zu begegnen. Die Abrufzahlen im hohen vierstelligen Bereich sprächen für den hohen Bedarf in dem Bereich. Es spreche nichts dagegen, Informationsangebote auch zentral, auf Bundesebene, zur Verfügung zu stellen. Vor allem aber müsse man künftig die Auswirkungen neuer Gesetze frühzeitiger untersuchen und die Betroffenen rechtzeitig vorbereiten. (ll/14.11.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit des Landes Baden-Württemberg
  • Jan Holze, Geschäftsführer der Ehrenamtsstiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern
  • Dr. Serge Embacher, Leiter des Arbeitsbereichs Fachprojekte des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
  • Benjamin Bergemann, ehrenamtlicher Vorstand des Vereins „Digitale Gesellschaft“