Opposition kritisiert Plan zur Passwortherausgabe
Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums hat in der vergangenen Woche für Aufregung gesorgt. Seit die bis dato nicht öffentliche Vorlage in den Medien kursiert, steht Ministerin Christine Lambrecht (SPD) im Kreuzfeuer der Kritik der Opposition. Die FDP beantragte am Mittwoch, 18. Dezember 2019, eine Aktuelle Stunde zum Thema „Vorfahrt für Bürgerrechte und IT-Sicherheit – Passwörter müssen geheim bleiben“.
Ministerin: Spirale von Hass und Gewalt stoppen
Vor allem an der geplanten Herausgabe von Passwörtern zur besseren Verfolgung von schweren Straftaten entzündete sich die Debatte. Nachdem Lambrecht zuvor bereits im Rechtsausschuss Rede und Antwort gestanden hatte, betonte sie in der Aktuellen Stunde, dass die Spirale von Hass und Gewalt gestoppt werden müsse und dass dafür die Mittel des Rechtsstaates konsequent genutzt werden müssten. Dies habe sie mit dem vorgelegten Entwurf klargemacht, der nunmehr an die Verbände und die Länder zur Stellungnahme übersandt werde.
Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit dürfe im Internet nicht gehetzt und gedroht werden, sagte Lambrecht. Es müsse endlich wieder gelten, dass die Meinungsfreiheit da endet, wo das Strafrecht beginnt. Deshalb schlage sie eine Meldepflicht der Plattformbetreiber bei Meldungen von Usern über Posts mit Volksverhetzung oder Morddrohungen an das Bundeskriminalamt (BKA) vor. Internet-Plattformen müssten in Zukunft, um Täter identifizieren zu können, IP-Adressen an das BKA weitergeben. Staatsanwaltschaften und Polizei könnten Lambrecht zufolge heute schon die Herausgabe von Bestandsdaten von den Plattformen verlangen. Dazu gehörten seit 2007 auch Passwörter. Die aktuelle Welle der Empörung sei daher unbegründet.
Sie wolle die geltende Regelung dahingehend präzisieren, sagte die Ministerin, dass die Staatsanwaltschaft in Zukunft nur im Einzelfall und nur mit schriftlichem Ersuchen die Befugnis bekommen soll, eine Datenherausgabe zu verlangen. Bei Passwörtern müsse zudem ein Richter sein Einverständnis geben. Es sei „glasklar“, dass die Passwortherausgabe, die jetzt so die Gemüter errege, unter dem Richtervorbehalt stehe. Auch werde unterstellt, dass Passwörter unverschlüsselt herausgegeben werden müssten. Sie halte jedoch an der Datenschutzgrundverordnung fest, so Lambrecht, wonach Diensteanbieter Passwörter verschlüsselt speichern müssen. Als Anwendungsbeispiel nannte sie Ermittlungen gegen Terrorverdächtige, wo die Chance bestehe, ein Passwort mit extrem hohen Aufwand zu entschlüsseln.
FDP: Ein gutes Ziel heiligt nicht jedes Mittel
Zuvor hatte Stephan Thomae (FDP) erklärt, auch ein gutes Ziel heilige nicht jedes Mittel. Passwörter seien der „Generalschlüssel“ zum Leben eines Menschen. Er warf dem Justizministerium vor, es wolle mit der Passwortherausgabe „einen Schlüsseldienst installieren für diesen Generalschlüssel zu unserem Leben“. Der jetzt bekannt gewordene Entwurf setze die Schwelle für die Herausgabe von Passwörtern herab und enthalte eine ganz neue Qualität. Denn hinter dem Passwortschutz gebe es mehr Informationen, als sich durch Kommunikationsüberwachung und Wohnraumüberwachung herausfinden ließen.
Als „enttäuschende Entwicklung“ bezeichnete es Thomae, dass das Justizministerium, früher eine Bastion gegen ausufernde Überwachungsbefugnisse, in die Fußspur des Innenministeriums trete und sich anschicke, dieses rechts zu überholen. Das Justizministerium plane den großen Lauschangriff im Netz, vor dem die FDP schon immer gewarnt habe.
CDU/CSU kritisiert Spekulationen
Carsten Müller (CDU/CSU) kritisierte die Spekulationen über einen Referentenentwurf, der noch gar nicht in der Welt sei. Er bekräftigte für die Union, dass die informationelle Selbstbestimmung als hohes Gut betrachtet werde.
Bereits in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gebe es eine zutreffende und anspruchsvolle Regelung, die das Speichern von Passwörtern im Klartext für unzulässig erkläre.
Grüne kritisieren Unverhältnismäßigkeit
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, der Kampf gegen strafrechtlich relevante Hetze im Netz sei nur ein Deckmantel. Dieser Kampf sei richtig und wichtig.
Er frage sich aber, was die Passwörter von 82 Millionen Bürgern mit dem rechtsstaatlichen Kampf gegen diejenigen zu tun haben, die die Demokratie zersetzen wollen.
Linke: Ein Axtschlag gegen die Bürgerrechte
Niema Movassat (Die Linke) sprach von einem „Axtschlag gegen die Bürgerrechte“. Der Staat wolle offenbar das gesamte Online-Verhalten seiner Bürgers nachvollziehen.
Aber auch die Strafverfolgung rechtfertige es nicht, den gläsernen Bürger zu schaffen.
AfD: Richtervorbehalt ist reine Beruhigungspille
Joana Cotar (AfD) sagte, angesichts des Angriffs auf die Bürgerrechte sei der Richtervorbehalt eine „reine Beruhigungspille“.
Eigentliches Ziel sei, das Volk weiter einzuschüchtern.
SPD: Entwurf schützt Ehrenamtliche
Für die Sozialdemokraten hob Falko Mohrs (SPD) darauf ab, dass es im Interesse aller sei, dass der besondere Schutz, der bisher für Landes- und Bundespolitikerinnen und -politiker gegolten habe, auch für alle Ehrenamtlichen gelten müsse, die vor Ort Kommunalpolitik machen.
Jene, die vor Ort Hass und Hetze auch online ausgesetzt seien, müssten geschützt werden. Das mache der Entwurf, indem die Ehrenamtlichen mit in den Blick genommen worden seien. (mwo/eis/19.12.2019)