Finanzlage von Städten, Gemeinden und Landkreisen debattiert
Die Linke fordert einen „Altschuldenfonds für Kommunen“. Der Bundestag hat ihren Antrag (19/14153) am Freitag, 20. Dezember 2019, erstmals beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen. Die Fraktion hatte die Federführung beim Finanzausschuss beantragt, konnte sich in der Abstimmung aber gegen die Mehrheit der anderen Fraktionen nicht durchsetzen.
Einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Altschulden – Existenzgefährdung für ostdeutsche Wohnungsunternehmen vermeiden“ (19/15921) überwies das Parlament zur federführenden Weiterberatung an den Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen.
Linke: 138 Milliarden Euro Investitionsrückstand
Die Linksfraktion hält die Finanzlage vieler Städte, Gemeinden und Landkreise für „alarmierend“. Der Investitionsrückstand belaufe sich in diesem Jahr auf rund 138 Milliarden Euro, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Straße und Schulen: „Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht dabei immer weiter auseinander, was entsprechend zu einer immer größeren Ungleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland führt“, kritisiert die Fraktion. 70 Kommunen aus acht Bundesländern mit mehr als neun Millionen Einwohnern seien hoch verschuldet. Viele Kommunen würden in einer „Vergeblichkeitsfalle“ sitzen.
Immer teurere Pflichtaufgaben, stark schwankende oder schrumpfende Steuereinnahmen, steigende Schulden und erdrückende Zinslasten würden nicht zulassen, aus dem Schuldensumpf zu entkommen. Ein Altschuldenfonds könne dabei ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der finanziellen Situation in vielen Kommunen sein, dürfe aber nicht das einzige Instrument bleiben. Die Fraktion verlangt weitere Maßnahmen wie zum Beispiel eine stärkere Entlastung der Kommunen bei sozialen Leistungen.
Grüne wollen Altschuldenfonds für Ost-Wohnungsunternehmen
Die Grünen fordern einen Altschuldenfonds in Höhe von zunächst zehn Millionen Euro für ostdeutsche Wohnungsunternehmen, der nach einer Laufzeit von 15 Jahren in seiner Höhe und Ausgestaltung überprüft werden soll, um es Wohnungsunternehmen mit hoher, demografisch bedingter Leerstandsquote wirtschaftlich zu ermöglichen, leerstehende Gebäuderuinen zurückzubauen und den Sanierungsstau in den bewohnten Gebäuden abzubauen. Damit sollen Wohnungsunternehmen auch in Regionen mit zurückgehender Bevölkerung attraktive Wohnungen vorhalten können.
Die Altschuldenentlastung per Anschlussregelung wollen die Grünen dann gewähren, wenn ein Wohnungsunternehmen dauerhaft nicht mehr nachgefragte Wohngebäude oder Wohngebäudeteile ab Baujahr 1949 abreißt und der Entlastungsbetrag vollständig in den Erwerb und die Sanierung von Wohngebäuden in den Innenstädten und in Sanierungsobjekte in notwendige Stadtquartiere investiert (Koppelungsregelung). Leerstehende Gebäude an der Peripherie abzureißen und im Ortskern zu investieren, sei der geeignete Weg zur Revitalisierung von Regionen mit zurückgehender Bevölkerung. Die Umwidmung von Gebäuden für gemeinwohlorientierte Zwecke und Projekte will die Fraktion förderfähig machen.
Viele deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise schleppen eine hohe Schuldenlast mit sich herum, die ihnen notwendige Investitionen erschwert. In Ostdeutschland stöhnen zudem viele Wohnungsunternehmen unter Altschulden, die noch aus der DDR stammen, und haben gleichzeitig mit hohem Leerstand zu kämpfen. Ob und wie der Bund in beiden Fällen helfen soll, darüber gingen bei einer Debatte am Freitag, 21. Dezember 2019, die Meinungen auseinander.
Linke lobt Finanzminister Scholz
In der Aussprache verwies Fabio De Masi (Die Linke) verwies auf einen Investitionsstau von 138 Milliarden Euro bei den Kommunen und Altschulden von über 40 Milliarden Euro. Vor allem in Nordrhein-Westfalen stünden viele strukturschwache Kommunen bereits unter Aufsicht von Sparkommissaren der Landesregierung. „So stirbt unsere Demokratie, weil Menschen vor Ort nichts mehr entscheiden können“, sagte De Masi.
Ein Grund sei, dass der Bund den Kommunen in der Vergangenheit soziale Aufgaben zugeschoben habe, nicht aber die entsprechenden Finanzmittel. Ausdrücklich lobte De Masi den Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, einen Altschuldenfonds einzurichten, der bis zu 50 Prozent kommunaler Kassenkredite übernimmt. Mit ihrem Antrag unterstütze Die Linke diesen Vorstoß.
CDU/CSU auf Distanz zum Koalitionspartner
Dass dieser Vorschlag des sozialdemokratischen Ministers keiner der ganzen Koalition ist, zeigte sich in den Reden der Unionsabgeordneten, auch wenn sie ihn nicht direkt ansprachen. Christian Haase (CDU/CSU) verwies darauf, dass „die Länder für eine aufgabengemäße Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich“ seien. Nordrhein-Westfalen habe bereits 1986 den kommunalen Anteil an den Steuereinnahmen gekürzt, seitdem habe sich die Finanzlage bei vielen Kommunen verschlechtert. Jetzt unter einer schwarz-gelben Landesregierung bessere sich die Lage allmählich.
Volkmar Vogel (CDU/CSU) verwies auf einen relativ geringen Schuldenstand ostdeutscher Kommunen. Die sei nicht nur den Hilfen im Rahmen der deutschen Einheit zu verdanken, sondern auch „meist CDU-geführten Aufsichtsbehörden“, die dafür gesorgt hätten, dass sie sich nicht überschulden. Zum Problem verschuldeter ostdeutscher Wohnungsunternehmen sagte Vogel, dass die Koalition bereits handele, etwa mit „Städtebauförderung auf hohem Niveau“ und mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau.
SPD lobt Scholz und mahnt CDU
„Wenn wir sagen, Schuld haben alle, nur nicht die CDU, kommen wir nicht zusammen“, ermahnte Bernhard Daldrup (SPD) den Koalitionspartner. Wegen des Strukturwandels im Ruhrgebiet seien dort heute in vielen Kommunen die Sozialausgaben weit über dem westdeutschen Durchschnitt, die Steuereinnahmen dagegen weit darunter. Die Überschuldung beeinträchtige „auch die Lebenschancen in diesen Städten und die Würde dieser Städte“. Ausdrücklich begrüßte Daldrup das „Angebot“ von Scholz, dass der Bund die Hälfte der Kassenkredite übernimmt.
Gegen einen Altschuldenfonds auch für ostdeutsche Wohnungsunternehmen, wie von den Grünen gefordert, sprach sich Elisabeth Kaiser (SPD) aus. Die im Zuge der Wiedervereinigung aus den Büchern der DDR-Staatsbank auf die Wohnungsunternehmen übertragenen Verbindlichkeiten beliefen sich in den ostdeutschen Bundesländern ohne Berlin immer noch auf über vier Milliarden Euro, sagte Kaiser. Das Altschuldenhilfegesetz habe sie teilweise entlastet, aber das reiche nicht überall aus, sagte Kaiser. Die Koalition arbeite jedoch unter anderem an einer Reform der Städtebauförderung, um hier gezielt zu helfen.
AfD sieht Migration als eine Ursache
Als ein Problem für die Überschuldung mancher Kommunen identifizierte Stefan Keuter (AfD) „zu viele Sozialleistungsempfänger“. Dies sei auch eine Folge „ungezügelter Migration“. In vielen Kommunen jedoch sei die Überschuldung auch selbstverschuldet. Man dürfe „keine Kommunen belohnen, die Misswirtschaft betrieben haben“, sagte Keuter zu der Forderung nach einem Altschuldenfonds.
Die Altschulden ostdeutscher Wohnungsunternehmen seien dagegen eine vereinigungsbedingte Sonderlast, erklärte Udo Theodor Hemmelgarn (AfD). „Die Regierung Kohl ging fälschlicherweise davon aus, dass überall blühende Landschaften entstehen.“ Hemmelgarn forderte für diese Fälle ein neues Altschuldenhilfegesetz.
Grüne für Bundeshilfe an Kommunen
Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) begründete den Antrag seiner Fraktion mit der „doppelten Belastung“, die viele ostdeutsche Wohnungsunternehmen zu tragen hätten. Wegen der rückläufigen Bevölkerung in vielen Regionen bräuchten sie eigentlich Geld für den Rückbau leerstehender Gebäude, das sie aber wegen der Altschuldenlast nicht aufbringen könnten. Deshalb müsse der Bund in diesen Fällen finanziell zum Rückbau beitragen.
Zum Antrag der Linken bemerkte Schmidt, dass es sich diese „ein bisschen einfach“ mache. Kein Wort stehe darin etwa dazu, wie man mit Ländern wie Hessen verfahren soll, welche die Entschuldung von Kommunen bereits selbst in Angriff genommen hätten. Grundsätzlich sprach sich Schmidt aber für eine Bundesbeteiligung an den kommunalen Altschulden aus, damit künftige Generationen nicht unter den Umbrüchen der Vergangenheit zu leiden hätten.
FDP: Länder müssen Kommunen helfen
Eine ganz andere Position nahm die FDP-Fraktion ein. Die kommunale Ebene erwirtschafte inzwischen hohe Überschüsse, und die Kassenkredite sänken auch ohne Bundeshilfe, stellte Ulla Ihnen (FDP) fest. 2020 würden Länder und Kommunen erstmals mehr Steuern einnehmen als der Bund. Es sei daher an den Ländern, ihre überschuldeten Kommunen fair auszustatten. Wie dies gehe, zeigten Niedersachsen und Hessen vorbildlich. Bei einem Altschuldenfonds wären „die Kommunen, die sich selbst geholfen haben, die Dummen“, bemerkte Ihnen.
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) kritisierte, dass viel Geld, das der Bund für kommunale Aufgaben überweise, bei den Landesfinanzministern hängen bleibe. Die FDP fordere daher, dass der Bund für Kommunen bestimmtes Geld direkt an diese überweisen kann. (pst/pez/hau/vom/20.12.2019)