Parlament

Lindner: Europäisch denken, Technologie­offenheit verteidigen

Ein Mann in einem grauen Anzug hält eine Rede hinter einem Podium vor einer Deutschlandflagge

Christian Lindner (FDP) (DBT/Marco Urban)

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Christian Lindner, sieht es als Erfolg seiner Fraktion an, „dass es nun endlich Bewegung beim Solidaritätszuschlag gibt“. Immer wieder habe seine Fraktion darauf hingewiesen, dass es für diese Sondersteuer nach dem Auslaufen des Solidarpakts Ost keine Grundlage mehr gebe, sagt Lindner im Interview. Im kommenden Jahr wird die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands seiner Auffassung nach zeigen, „ob Deutschland in Europa noch die Zügel der Gestaltung in den Händen hält“. Die FDP wolle ein starkes Europa überall dort, wo durch das europäische Zusammenwirken Mehrwert geschaffen werde, stellt er klar. Mit Blick auf die Meinungsfreiheit in Deutschland fordert der FDP-Fraktionsvorsitzende: „Wir sollten zurückweisen, was an Ressentiments vorgebracht wird, aber wir sollten uns auch nicht eine einseitige Diskurshoheit in der öffentlichen Debatte aufdrücken lassen.“ Das Interview im Wortlaut:

Herr Lindner, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge der FDP-Fraktion im Jahr 2019?

Anfang des Jahres haben wir mit einer Grundgesetzänderung im Bildungsbereich den Weg für den Digitalpakt Schule freigeräumt. Das ermöglicht erstmals konkrete Investitionen des Bundes in Personal und Weiterbildung. Bildung ist in Deutschland unser einziger Rohstoff. Um vorne mitzuspielen, müssen wir die neuen technischen Möglichkeiten dauerhaft, effektiv und effizient in den Bildungsalltag integrieren. Auch dass es nun endlich Bewegung beim Solidaritätszuschlag gibt, haben wir maßgeblich vorangetrieben. Wir sind drangeblieben und haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es für diese Sondersteuer nach dem Auslaufen des Solidarpakts Ost keine Grundlage mehr gibt. Dass die Koalition ihn nur für einen Teil der Steuerzahler abschafft, halte ich für verfassungswidrig. Eine vollständige Entlastung wäre zudem auch politisch längst geboten. Notfalls werden wir hier den Klageweg in Karlsruhe beschreiten.

Was halten Sie für die größte Herausforderung im kommenden Jahr? Welche thematischen Schwerpunkte will Ihre Fraktion 2020 setzen?

Die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im kommenden Jahr wird zeigen, ob Deutschland in Europa noch die Zügel der Gestaltung in den Händen hält. Wird es uns gelingen, in Zeiten von Brexit und erstarkenden Populisten hier starke Akzente zu setzen? Wir Freien Demokraten wollen ein starkes Europa überall dort, wo durch das europäische Zusammenwirken Mehrwert geschaffen wird. Vor allem der Klimaschutz muss stärker auf europäischer Ebene stattfinden. Hier brauchen wir keine nationale CO2-Steuer, sondern einen übergreifenden Emissionshandel mit einem klaren CO2-Limit. CO2 wird dann überall dort eingespart, wo es am effizientesten ist. Gerade Europa hat die Aufgabe, neue Technologien zu entwickeln und so einen klimaverträglichen Aufstieg zu unterstützen. Flugzeuge können mit synthetischem, klimaneutralem Kerosin fliegen, Autos mit Wasserstoff oder mit synthetischem Kraftstoff im Verbrennungsmotor fahren – hier muss auch Deutschland mehr leisten! Für die Freien Demokraten gilt deshalb: Europäisch denken und Technologieoffenheit verteidigen. Dafür werden wir uns 2020 auch im Deutschen Bundestag einsetzen.

Welche Ziele werden Sie als Fraktionsvorsitzender verstärkt verfolgen? Gibt es ein Thema, für das Sie sich persönlich besonders einsetzen wollen?

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland ist der Ansicht, man könne nicht mehr frei seine Meinung äußern, ohne schief angeschaut zu werden. Das besorgt mich. Die Meinungsfreiheit wird bei uns formell garantiert. Aus meiner Sicht umfasst dieses Recht aber auch die Befugnis, seine Meinung im Rahmen der bestehenden Gesetze frei äußern zu können, ohne Gefahr zu laufen, mit sozialen und gesellschaftlichen Sanktionen belegt zu werden. Wir sollten zurückweisen, was an Ressentiments vorgebracht wird, aber wir sollten uns auch nicht eine einseitige Diskurshoheit in der öffentlichen Debatte aufdrücken lassen. Es gibt eine breite Mitte in Deutschland, die es verdient, dass auch sie Teil der Meinungsvielfalt ist. Dafür möchte ich mich 2020 auch persönlich einsetzen. Was uns in öffentlichen Debatten gut täte, wären etwas mehr Gelassenheit, etwas mehr Bemühen um Verständnis beim anderen und mehr Toleranz gegenüber Meinungen, die man selbst vielleicht nicht teilt.

(hau/27.12.2019)

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