Grüne und Linke: Regierung fehlt Plan für EU-Ratspräsidentschaft
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke werfen der Bundesregierung vor, bisher keinen Plan für die im zweiten Halbjahr anstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorgelegt zu haben. “Das ist eine vertane Chance„, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Dr. Franziska Brantner am Freitag, 17. Januar 2020, in der Debatte über einen Antrag ihrer Fraktion mit dem Titel “Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 zur Klimapräsidentschaft machen und Europas Versprechen für Demokratie, Menschenrechte und Frieden einlösen„ (19/16492), der im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen wurde.
Grüne fordern eine “Klimapräsidentschaft„
In dem Antrag fordern die Grünen die Bundesregierung unter anderem zu einer “Klimapräsidentschaft„ auf. “Wir müssen die Herausforderungen gemeinsam angehen„, betonte Brantner mit Verweis auf das Anfang der Woche von der EU-Kommission vorgelegte Klimapaket (“Green Deal„), mit dem die EU bis 2025 klimaneutral werden soll. Es sei “blamabel„, dass die Bundesregierung die Pläne zwar öffentlich begrüße, zugleich aber klarstelle, dass sie “keinen Cent mehr„ dazugeben wolle. “Das ist das größte Greenwashing in der Geschichte dieser Bundesregierung„, urteilte Brantner.
Als weitere Prioritäten nennen die Grünen in ihrem Antrag das Engagement für eine bessere soziale Absicherung in Europa und die Förderung von Digitalisierung und Innovation. Außerdem müsse Europas Rolle als gestaltender Akteur in der Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt werden.
Linke: Luftbuchungen und ungedeckte Schecks
Andrej Hunko (Die Linke) nannte es ebenfalls ein “Armutszeugnis„, dass die Bundesregierung noch kein Programm vorgelegt habe. Europa brauche einen ökologischen und sozialen “New Deal“, ähnlich wie in den 1930er-Jahren in den USA. Dieser habe die Lage der arbeitenden Menschen erheblich verbessert und zu einem kulturellen Aufblühen im Land geführt.
Was die EU vorgelegt habe, sei damit jedoch nicht vergleichbar, kritisierte Hunko. Er sprach von „Luftbuchungen“ und ungedeckten Schecks„.
CDU/CSU: Europa braucht eine Wachstumsstrategie
Katja Leikert (CDU/CSU) hielt den Grünen und der Linken entgegen, sie verfolgten “unrealistische Ziele„. Europa brauche “echte Nachhaltigkeit„ und eine Wachstumsstrategie, die das Wirtschaftswachstum nicht abwürge.
Leikert sprach von einem “europäischen Superjahr„, in dem neben dem Klimaschutz auch die Handelspolitik eine zentrale Rolle spielen werde.
Regierung: Die Erwartungshaltung spornt uns an
Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, zeigte Verständnis für die Forderungen von Grünen und Linken, verteidigte aber das Abwarten bei der Vorlage eines Arbeitsprogramms. “Die Erwartungshaltung ist hoch, und das spornt uns an„, betonte er. Doch bevor die Bundesregierung ein Programm vorlegen könne, müsse sie sich mit der EU-Kommission und ihren europäischen Partnern abstimmen. So werde die Kommission am 29. Januar ihr Programm vorlegen.
“Das müssen wir zusammenbringen„, sagte Roth, “die Ratspräsidentschaft ist kein Egotrip.„ Als wichtige Bewährungsproben nannte Roth die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zu Großbritannien nach dessen Austritt aus der EU und die Einigung auf einen neuen EU-Haushalt ab 2021. Auch müsse das soziale Europa “spürbarer und glaubwürdiger„ werden.
FDP will schnellere Entscheidungen auf EU-Ebene
Thomas Hacker (FDP) sprach von einer “Riesenchance„ für Deutschland. Europa erwarte Lösungen für die ganz großen Herausforderungen, darunter die Umsetzung des Brexits und die Reform der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.
Gerade im Hinblick auf letzteres Politikfeld befürworte seine Fraktion die Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat. “Wir müssen Entscheidungen auf EU-Ebene schneller treffen können„, sagte Hacker.
AfD wirft Grünen “Klimahysterie„ vor
Für die AfD-Fraktion signalisierte Prof. Dr. Harald Weyel die Anlehnung des Grünen-Antrags durch seine Fraktion. In Anspielung auf das jüngst gekürte “Unwort des Jahres„ warf er ihnen “Klimahysterie„ und “moralische Dauermanipulation„ vor.
Statt dreistellige Milliardenbeiträge für Staatsverschuldung, Umverteilung und Zentralismus auszugeben, müsse der Wettbewerb von Forschern, Entwicklern und Firmen vorangetrieben werden, um die Probleme Europas zu lösen.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag unter anderem auf, sich in der deutschen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 dafür einzusetzen, dass die EU ausreichende finanzielle Mittel erhält. Eine Ausstattung in Höhe von 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens, wie es das Europäische Parlament fordert, sei vertretbar und notwendig. Die Bundesregierung solle sich im Rahmen der Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen für die Erreichung dieses Ziels einsetzen.
Die sozial-ökologische Transformation der europäischen Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt und europäische digitale Souveränität müssten dabei im Zentrum stehen, heißt es weiter. Zur Bekämpfung von Korruption in der nationalen Vergabe der EU-Gelder sei es wichtig, diese an Kriterien der Rechtsstaatlichkeit zu binden.
Eckpunkte für künftige Beziehungen mit Großbritannien
Mit Blick auf die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen mit Großbritannien müsse sich die Bundesregierung für die Verankerung von umfassenden Umwelt-, Verbraucherschutz- und Sozial- und Arbeitnehmerrechte-Standards sowie deren dynamische Anpassung einsetzen. Für ein Sicherheitsabkommen sei Bedingung, dass die EU-Grundrechtecharta anerkannt wird und dass das Datenschutzniveau bei Datenverarbeitung insbesondere auch im Bereich der Nachrichtendienste dem der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entspricht.
Die Vorschläge der letzten EU-Kommission zur Nutzung der Brückenklauseln für den Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip hin zur qualifizierten Mehrheit mit Blick auf die Steuerpolitik, die Außen- und Sicherheitspolitik, die Arbeits- und Sozialpolitik und die Energiepolitik müssen nach Ansicht der Grünen unterstützt werden.
Urteile des Europäischen Gerichtshofs dürften Mitgliedstaaten der EU nicht ignorieren. Vertragsverletzungsverfahren liefen auch gegen Deutschland. Dabei müsse gerade Deutschland während der Ratspräsidentschaft zeigen: Vertragsverletzungsverfahren werden ernst genommen. Die Bundesregierung müsse daher den “andauernden Verstoß gegen die EU-Nitratrichtlinie„ beenden. (vom/17.01.2020)