Befragung der Bundesregierung

Kramp-Karren­bauer: Trend­wende muss bei der Truppe ankommen

Zu wenig Personal, zu wenig Ausrüstung, zu viel Bürokratie – es sind Dauerthemen bei der Bundeswehr. Der aktuelle Wehrbericht (19/16500), den der Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, gerade vorgelegt hat, dokumentiert erneut die bekannten Mängel. In der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 29. Januar 2020, hat nun die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dazu Stellung genommen. Neben Ausrüstungsmängeln und Auslandseinsätzen standen insbesondere auch Fragen nach den steigenden Verdachtsfällen von Rechtsextremismus in der Bundeswehr im Mittelpunkt der Befragung. Kramp-Karrenbauer hatte ihr Eingangsstatement zu Beginn der einstündigen Befragung durch die Abgeordneten auch selbst dazu genutzt, um die Ergebnisse des Wehrberichts 2018 aufzugreifen.

Ministerin: Bundeswehr nicht unter „Generalverdacht“ stellen

Es bleibe deshalb „Kernaufgabe“ für das Bundesverteidigungsministerium, dass die bereits eingeleitete finanzielle Trendwende auch bei den Soldatinnen und Soldaten ankomme, betonte Kramp-Karrenbauer. „Am Ende dieses Jahres muss die Situation besser sein als Ende 2019.“ Dies sei auch die „Voraussetzung“ dafür, dass Deutschland seinen „internationalen Verpflichtungen“ gerecht werden könne, so die Ministerin.

Auch mit der inneren Verfasstheit der Bundeswehr werde sich die Bundesregierung „mit aller Kraft“ befassen, versprach Kramp-Karrenbauer. „Jeder Fall von Extremismus, von Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist zu viel und muss verhindert und aufgeklärt werden.“ Gleichzeitig wandte sich die Ministerin dagegen, die Bundeswehr unter „Generalverdacht“ zu stellen.

AfD fragt nach Nachfolger für Tornado-Jets

Gerold Otten (AfD) knüpfte mit seiner Frage an die Debatte um Materialmängel in der Bundeswehr an. Er verwies auf die veraltete Technik der deutschen Tornado-Kampfjets und wollte von der Verteidigungsministerin wissen, ob die Bundeswehr weiterhin zum Konzept der „nuklearen Teilhabe“ in Deutschland stehe.

Das bejahte Kramp-Karrenbauer. Es sei eine „Grundkonstante“ der deutschen Sicherheitspolitik, dass Deutschland unter dem „Schutz des amerikanischen Nuklearschirm“ stehe. Davon rücke das Verteidigungsministerium nicht ab. Es sei aber auch „völlig klar“, dass der Tornado in die Jahre gekommen sei und ersetzt werden müsse. Die Debatte über das Nachfolge-Modell müsse in den „nächsten Wochen und Monaten“ geführt werden, so Kramp-Karrenbauer.

SPD dringt auf deutlichere Konsequenzen

Ulla Schmidt (SPD) griff einen Fall aus dem aktuellen Wehrbericht auf, nach dem eine Bundeswehr-Führungskraft im Rahmen einer Weiterbildung Menschen mit Down-Syndrom als „Mongo“ beschimpft hatte und fordert härtere Konsequenzen. „Der betreffende Major erhielt als Strafe nur zwei Jahre Beförderungsverbot. Wie schätzen Sie diesen Fall ein?“, fragte Schmidt die Ministerin.

Diese verurteilte die Äußerung als „inakzeptabel“, betonte aber, es gebe auch viele gute Beispiele für das Engagement der Bundeswehr für Menschen mit Behinderungen – unter anderem sei auch die Ausrichtung der Invictus Games, einem internationalen sportlichen Wettkampfs für verwundete, verletzte und kranke Soldatinnen und Soldaten, in diesem Jahr in Deutschland ohne die Bundeswehr nicht denkbar. Kramp-Karrenbauer versprach zudem, sich den konkreten Fall noch einmal genauer anzuschauen. 

FDP erkundigt sich nach Stationierung in Jordanien

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erkundigte sich nach dem Verbleib deutscher Soldaten an der Airbase Al-Asrak in Jordanien nach dem Auslaufen des aktuellen Bundestagsmandats Ende März. Angesichts der Situation im Irak habe sich die CDU/CSU für eine Verlängerung ausgesprochen, die SPD sei dagegen. „Wann bekommen die Soldaten Klarheit? Können wir damit rechnen, an diesem wichtigen Ort zu bleiben?“, fragte die Liberale.

Kramp-Karrenbauer sagte, es sei „kein Geheimnis“, dass die Union den Einsatz fortsetzen wolle. Aktuell liefen Gespräche innerhalb der Koalition, aber es gebe noch kein „belastbares Signal“ aus der SPD, dass sich ihre Haltung dazu geändert habe.

Erfahrungen mit Gratis-Bahnfahrten für Soldaten

Henning Otte (CDU/CSU) betonte die Wichtigkeit, Wertschätzung gegenüber Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auszudrücken. Als eine solche Wertschätzung seien etwa das öffentliche Gelöbnis vor dem Reichstag und auch die seit Januar möglichen Gratisfahrten für Bundeswehrangehörige mit der Deutschen Bahn zu verstehen. Beides habe auch für mehr „Sichtbarkeit“ der Bundeswehr in der Öffentlichkeit gesorgt, lobte Otte und bat die Ministerin, über die „Erfahrungen“ mit der neuen Regelung zu berichten.

Diese sagte, die Erfahrungen seien „durch und durch positiv“. Nach wenigen Wochen seien bereits 35.000 der insgesamt 130.000 Berechtigungen eingelöst. Auch die Handhabung laufe „reibungslos“. Gegenwärtig würden allerdings noch Gespräche mit regionalen Bahngesellschaften geführt, damit die Regelung bald für das ganze Bahnnetz gelte.

Fortsetzung der Ausbildungsmission im Irak

Nach der teilweisen Wiederaufnahme der Ausbildung kurdischer Sicherheitskräfte im Nordirak durch die Bundeswehr fragte Dr. Alexander Neu. Der Linken-Abgeordnete wollte wissen, wer konkret die Zustimmung gegeben habe, die wegen des Konflikts zwischen den USA und Iran unterbrochene Ausbildungsmission in Erbil wieder fortzusetzen. „Erfolgte die Zustimmung mündlich oder schriftlich?“, wollte Neu wissen und bat die Ministerin, gegebenenfalls die betreffenden Dokumente der „kontrollierenden Opposition“ zur Verfügung zu stellen.

Kramp-Karrenbauer erinnerte daran, dass sich die Bundeswehr im Rahmen der Operation Inherent Resolve (OIR), als Teils der internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat, unter anderem in Erbil im Einsatz befinde. Grundlage sei das Mandat des Bundestages, das wiederum auf der Einladung der irakischen Regierung basiere. „Diese Einladung ist nach wie vor existent“, betonte die Ministerin. Angesichts der gegenwärtig verbesserten Sicherheitslage habe dann das OIR-Headquarter beschlossen, die Ausbildungsmission wieder aufzunehmen.

Gemeinsame Nordsyrien-Position der Bundesregierung

Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) thematisierte in ihrer Frage die von der Bundesverteidigungsministerin nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien vorgeschlagene internationale Schutzzone in Syrien. Von diesem Plan habe sich Bundesaußenminister Maas international rasch distanziert. „Wie sieht denn jetzt die Position der Bundesregierung aus – setzt sie sich für einen militärischen Einsatz in Syrien ein – und in welchen internationalen Gremien wie den Vereinten Nationen?“, fragte Brugger.

Kramp-Karrenbauer antwortete ausweichend. Die Lage in Syrien bezeichnete sie als „weiterhin unbefriedigend“ und eine „humanitäre Katastrophe“. Das mache es notwendig, dass die internationale Gemeinschaft diese Region im Blick behalte. Nordsyrien sei auch Gegenstand der E3-Gespräche am Rande des Nato-Gipfels in London gewesen, sagte die Ministerin und bekräftigte: „Nordsyrien steht weiter auf der Tagesordnung.“

(sas/29.01.2020)

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