Digitalisierung soll sich an ökologischen Zielen ausrichten
Bündnis 90/Die Grünen fordern in einem Antrag (19/15804), die Digitalpolitik stärker mit ökologischen Zielsetzungen in Einklang zu bringen. Auch die FDP will die Ökologie digital gestalten (19/17097). Über beide Anträge hat der Bundestag erstmals am Freitag, 14. Februar 2020, debattiert. Der Antrag der Grünen wurde im Anschluss zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss, der Antrag der FDP zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss überwiesen.
Grüne dringen auf ökologische Digitalisierung
Die Grünen fordern eine Abstimmung der Digitalpolitik mit ökologischen Zielsetzungen (19/15804). Richtschnur müssten die international vereinbarten Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sein, erklären die Abgeordneten in ihrem Antrag. Kernpunkte seien eine Reduktion des Stromverbrauchs der öffentlichen IT und insbesondere in den Rechenzentren von Bundeseinrichtungen, eine Überarbeitung diverser Digitalisierungsstrategien mit Blick auf Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung sowie ein Fokus auf energiesparsame Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz. Auch bei Ausschreibungen und Beschaffungsrichtlinien müssten Energie- und Ressourcenverbrauch stärker ins Gewicht fallen, heißt es weiter.
Die Abgeordneten begründen ihren Vorstoß mit der Schlüsselrolle, die digitalen Technologien beim Kampf gegen den Klimawandel zukomme: „Die Digitalisierung als Nachhaltigkeitsmotor auszugestalten, ist eine Chance für Deutschland und Europa im digitalen Wettbewerb wieder aufzuschließen und Vorsprünge zu erarbeiten, denn hier werden enorme Potentiale bisher liegen gelassen – und zwar weltweit.“
FDP will staatliche Strompreisanteile senken
Die FDP fordert die Bundesregierung unter anderem auf, Regulierungen zur vermeintlichen Minderung von Treibhausgasemissionen in Bereichen, die bereits vom europäischen Emissionshandelssystem erfasst sind und somit keine realen Auswirkungen auf das Klima hätten, abzuschaffen (19/17097). Auf EU-Ebene will die Fraktion stattdessen die Ausweitung des Emissionshandelssystems auf die Sektoren Gebäude und Verkehr vorantreiben und ein blockchainbasiertes Kreislaufsystem einführen, das auch den aktiven Entzug von Kohlendioxid aus der Atmosphäre belohnt.
Aus den zusätzlichen Einnahmen der Ausweitung des Emissionshandels in Höhe von rund 9,5 Milliarden Euro sollten die staatlichen Strompreisbestandteile ab 2021 gesenkt werden, verlangt die FDP. So solle die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß gesenkt werden. Bei der anstehenden Überarbeitung der EU-Energiesteuerrichtlinie solle sich die Regierung für die Abschaffung des Mindestsatzes auf Strom einsetzen. Darüber hinaus plädiert die Fraktion dafür, die Umlage nach dem Erneuerbar-Energien-Gesetz (EEG) um zunächst bis zu 2,2 Milliarden Euro pro Jahr zu senken.
Grüne: Fahrplan für eine zukunftsfähige Digitalisierung
Der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek erklärte, die Digitalisierung könnte eine große Chance sein für eine ressourcenschonende Wirtschaft – doch bislang würden diese Möglichkeiten vergeben. Der Antrag seiner Fraktion lege einen Fahrplan für eine zukunftsfähige Digitalisierung vor. Das grundsätzliche Problem sei, dass Digitalisierung kein Selbstzweck und nicht per se Fortschritt bedeute.
Die Bundesregierung habe die ökologische Dimension der Digitalisierung jedoch ausgeblendet. Zum Antrag der FDP sagte Janecek, einfach den Emissionszertifikatehandel auszuweiten reiche nicht. Digitalisierung brauche einen Rahmen.
FDP: Deutschland auf internationales Spitzenniveau heben
Die FDP-Fraktion konzentrierte sich zunächst auf den mangelhaften Glasfaserausbau in Deutschland. Auch bei Mobilfunkausschreibungen werde immer noch der Fehler gemacht, zu wenig auf Netzabdeckung zu setzen, sagt Dr. Marcel Klinge. Die FDP wolle Deutschland endlich auf internationales Spitzenniveau heben.
Klinge sprach in diesem Zusammenhang von einem digitalen Wirtschaftswunder, das gebraucht werde – und von dem nicht nur Konzerne, sondern auch im ländlichen Raum beheimatete Mittelständler profitieren. Ein eigenes Ministerium dafür wäre ein erster Schritt.
CDU/CSU: Auf Anreize und Entlastung der Bürger setzen
Vertreter der Regierungsfraktionen lehnten die Anträge als gestrig ab. Axel Knoerig (CDU/CSU) sagte, das Thema Green IT habe man seit Langem im Blick. Während sich die Grünen in Klein-Klein verlieren würden, hätten die Regierungsfraktionen das große Ganze im Blick und berücksichtigten, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit sich gegenseitig vorantreiben können.
Knoerig verwies darauf, dass Wirtschaftsrecht zu 90 Prozent europäisch geregelt werde – man müsse also den angekündigten „Green Deal“ der EU abwarten. Zum Antrag der FDP erklärte der Abgeordnete, seine Fraktion setze eher auf Anreize und Entlastung für Bürger.
SPD: Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenbringen
Falko Mohrs (SPD) sagte, es gehe um die Frage, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammengebracht werden könnten. Er zeigte sich dabei überzeugt, dass Digitalisierung Ökologie und Umwelt positiv beeinflussen kann.
Mohrs führte Beispiele an, wie beiden Dimensionen nachgekommen werden könne – etwa eine Plattform zur besseren Auslastung von Lastwagen. Wie weitere Redner seiner Fraktion betonte Mohrs die Notwendigkeit, die soziale, gesellschaftliche Perspektive bei der Diskussion über das Thema mitzuberücksichtigen. Es gehe um die Gestaltung eines guten Fortschritts für die Gesellschaft.
AfD: Stromverbrauch steigt mit der Digitalisierung
Enrico Komning (AfD) beschrieb als zentrale Herausforderung, wie das Land zukunftsfest gemacht werden könne und nicht, wie gegen den Klimawandel vorgegangen werden könne. Der Antrag der Grünen atme Verbote und Einschränkungen, kritisierte er. Der FDP-Antrag liefere nur einen Teil der Antworten.
Der Stromverbrauch werde mit der Digitalisierung steigen, hielt Komning fest. Man brauche mehr Energie und müsse sich mehr Energiequellen erschließen. In diesem Zusammenhang brachte er einen Wiedereinstieg in die Kernenergie zur Sprache.
Linke: Großes Defizit beim Thema Digitalisierung
Für die Linksfraktion sagte Jessica Tatti, beim Thema Digitalisierung habe die Bundesregierung ein großes Defizit. Es gebe nur Strategien, die auf der Basis von grenzenlosem Wachstum als Allheilmittel fußen. Das sei ein Irrweg, sagte Tatti.
Der Preis seien Umweltzerstörung und Ausbeutung und mit der Digitalisierung nicht durch Zauberhand besser – im Gegenteil: Union und FDP wollten wahllos in alles investieren, worauf Künstliche Intelligenz stehe, ohne dabei die ökologischen Folgen zu bedenken. Tatti forderte einen sozialökologischen Wandel, angetrieben durch öffentliche Investitionen. (pez14.02.2020)