Opposition fordert nachhaltige Stärkung der Krankenhauspflege
Die Oppositionsfraktionen im Bundestag fordern eine nachhaltige Stärkung der Krankenhauspflege. Notwendig sei ein neues Konzept zur Strukturierung und Finanzierung der Pflegeversorgung, erklärten Gesundheitspolitiker der Opposition am Donnerstag, 12. März 2020, in einer Aussprache über einen Antrag der Linksfraktion für eine bedarfsgerechte Personalbemessung in Kliniken (19/17544), der im Anschluss zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde. Redner der Koalitionsfraktionen räumten Probleme in der Krankenhauspflege ein und sicherten eine Prüfung des von der Gewerkschaft Verdi, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Deutschen Pflegerat (DPR) gemeinsam entwickelten Reformkonzepts (PPR 2.0) zu.
Einführung der PPR 2.0 bereits zum 1. Januar 2021 gefordert
In ihrem Antrag fordert die Linksfraktion die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Einführung des neuen Instruments zur Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in Krankenhäusern (PPR 2.0) zum 1. Januar 2021 per Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit ermöglicht. Verordnung und Gesetzentwurf sollen sich an den „Eckpunkten zur Umsetzung der PPR 2.0“ orientieren und „unter Beteiligung der maßgeblichen Akteure“ erarbeitetet werden. „Hierbei ist besonders zu beachten, dass die vollständige Refinanzierung der Pflegepersonalkosten sichergestellt wird“, betonen die Abgeordneten.
Außerdem verlangen sie, die „unmittelbar maßgeblichen Akteure“ zu beauftragen, Instrumente zur Personalbemessung für die Intensivmedizin und die Pädiatrie zu entwickeln und zu erproben. Ferner solle sichergestellt werden, heißt es weiter, „dass die Pflegepersonaluntergrenzen in der Intensivmedizin erst aufgehoben werden, sobald sie durch die gesetzlich verpflichtende Anwendung des für diesen Bereich neu zu entwickelnden Personalbemessungsinstruments ersetzt werden können.“
Zur Begründung schreibt die Fraktion, die von der Gewerkschaft Verdi, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat gemeinsam entwickelte und erprobt PPR 2.0 stelle „einen erheblichen Fortschritt zu den bisherigen Regelungen“ dar. Als Weiterentwicklung der bis 1996 geltenden Pflegepersonalregelung (PPR) sei die PPR 2.0 „unmittelbar einsatzfähig“. Dies habe die die Evaluation der Testphase im November 2019 in bundesweit 44 Krankenhäusern bestätigt.
Linke: Pflegenotstand sofort angehen
Harald Weinberg (Die Linke) kritisierte, es sei einiges schiefgelaufen in der Krankenhauspolitik der zurückliegenden 15 Jahre. Er nannte unter anderem die mangelhafte Investitionsförderung der Kliniken durch die Bundesländer. Auch die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege müssten besser werden, um die Flucht aus dem Beruf zu stoppen und neue Pflegefachkräfte zu gewinnen.
Weinberg sprach von einem Pflegenotstand, der sofort angegangen werden müsse. Für das Konzept PPR 2.0 spreche, dass es unmittelbar einsatzfähig wäre. Derzeit würden die pflegeintensiven Stationen mit viel zu wenig Personal betrieben. Das dürfe nicht so weitergehen, zumal die Pflegekräfte mit der Coronakrise nun zusätzlich gefordert seien.
CDU/CSU warnt vor unkalkulierbaren Kosten
Einig waren sich alle Fraktionen darin, dass die Pflegekräfte in den Kliniken engagiert und kompetent arbeiten und unverzichtbar sind. Alexander Krauß (CDU/CSU) erinnerte an die bereits erreichten Fortschritte, etwa durch das Sofortprogramm Pflege. So würden neue Pflegekräfte in Kliniken und Tarifsteigerungen vollständig refinanziert. Der auf dem Tisch liegende Vorschlag werde wohlwollend geprüft. Allerdings stelle sich die Frage, woher die benötigten zusätzlichen Pflegekräfte kommen sollten.
Es machen keinen Sinn, Pflegefachkräfte aus der Rehabilitation oder Altenpflege „abzusaugen“. In den Krankenhäusern gebe es derzeit rund 17.000 unbesetzte Pflegestellen, der Bedarf liege noch weit darüber. Unklar sei zudem, was eine solche Reform letztlich kosten würde, das müsse solide durchgerechnet werden. Es dürften auf keinen Fall unkalkulierbare Kosten entstehen. Derzeit sei das somit ein „Wunschzettel“.
AfD wünscht ein System mit weniger Bürokratie
Auch Detlev Spangenberg (AfD) erinnerte daran, dass der Markt im Moment keine Pflegefachkräfte in ausreichender Zahl biete. Zudem habe auch die Altenpflege noch Personalbedarf. Nach Ansicht der AfD müssen auch andere Berufsgruppen im Krankenhaus eine Personalbemessung bekommen. Spangenberg warnte jedoch vor ausufernden bürokratischen Anforderungen. Wünschenswert wäre eine System mit weniger Bürokratie.
Die Arbeitssituation der Pflegekräfte ist auch nach Ansicht der AfD nicht akzeptabel. Daher gingen viele aktive Pflegekräfte aus dem Beruf heraus. Die Anwerbung ausländischer Pfleger sei keine Lösung, weil dies in den jeweiligen Ländern einen Mangel an Fachkräften auslösen würde.
SPD: Eine Pflegepersonalbemessung aushandeln
SPD und Grüne stehen dem Vorschlag der Linken aufgeschlossen gegenüber und sehen in der Umsetzung des Konzepts PPR 2.0 eine mögliche Zwischenlösung. Dr. Edgar Franke (SPD) sagte, die Pflegekräfte stünden trotz der gesetzlichen Änderungen weiterhin unter Druck. Das PPR-Konzept gehe in die richtige Richtung und werde von der Bundesregierung bereits geprüft.
Die Frage sei, ob die Verordnung zur Festlegung von Personaluntergrenzen in der Klinikpflege noch gebraucht werde, ergänzte Franke und wies darauf hin, dass diese aktuell ausgesetzt sei, um den Kliniken einen flexiblen Pflegeeinsatz in der Coronakrise zu ermöglichen. Es sollten sich nun alle an einen Tisch setzen, um eine Pflegepersonalbemessung auszuhandeln.
Grüne: Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) forderte Solidarität mit den Pflegekräften, die in der Corona-Epidemie noch dringender benötigt würden. Ohne gute Pflege seien die demografischen und aktuellen Probleme nicht zu bewältigen. Vor allem müssten die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte besser werden. Auch seien Fachkräfte aus dem Ausland nötig, um den Pflegenotstand zu beenden. Die Personaluntergrenzen seien fragwürdig, wichtig sei eine Personalbemessung, die sich am Bedarf ausrichte.
Die Grünen-Politikerin betonte: „Der Standard ist nicht die Untergrenze, der Standard ist die gute Pflege.“ Der von den Linken vorgelegte Antrag könne ein wichtiger Zwischenschritt sein. Es müsse jetzt gehandelt und sichergestellt werden, dass die Finanzierung der Pflege auf eine neue Grundlage gestellt werde.
FDP: Am Personalnotstand hat sich nicht geändert
Auch Andrew Ullmann (FDP) räumte ein, dass sich trotz der Reformen am Personalnotstand nichts geändert habe. Pflegekräfte klagten über unhaltbare Zustände, viele arbeiteten an ihrer Leistungsgrenze. Auch Ullmann erinnerte an die ungenügende Finanzierung durch die Länder, die für die Investitionskosten der Kliniken verantwortlich sind.
Die zunehmende Arbeitsverdichtung führe dazu, dass kaum noch Zeit für die Patienten zur Verfügung stehe. Mit den Personaluntergrenzen sei das System zu unflexibel. Nötig sei eine Krankenhausstrukturreform. (pk/12.03.2020)