Befragung der Bundesregierung

Gesundheitsminister Spahn empfiehlt einheit­liches Vorgehen

Oberstes Ziel der Bundesregierung bleibt vor dem Hintergrund der steigenden Corona-Fälle in Deutschland, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. „Wir müssen dem Virus alle Chancen nehmen, sich schnell auszubreiten“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 11. März 2020. Die Bundesregierung habe deshalb dazu aufgerufen, Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen. „Ich empfehle hier ein einheitliches Vorgehen.“

Minister: Sicherheit geht vor

Die Sicherheit der Bürger „gehe vor wirtschaftliche Interessen“ – auch wenn klar sei, dass der Corona-Ausbruch für viele Branchen „sehr harte wirtschaftliche Folgen“ haben werde. Diese werde die Bundesregierung aber versuchen, „zielgerichtet abzufangen“. Betroffene würden unterstützt, versprach Spahn. Es gehe im Moment vielmehr darum, die Balance zwischen Einschränkungen und Alltag zu halten.

Bevor er sich den Fragen der Abgeordneten widmete, appellierte der Minister erneut eindringlich an die Verantwortung jedes Einzelnen, dazu beizutragen, besonders gefährdete Menschen wie Ältere oder Personen mit Vorerkrankungen zu schützen. „Auf Liebgewonnenes wie ein Fußballspiel zu verzichten, ist schwer, hilft aber, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.“

AfD erkundigt sich nach Urteil zur Sterbehilfe

Detlev Spangenberg (AfD) erkundigte sich als erster Fragesteller nach der Reaktion der Bundesregierung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“. Dieses Verbot habe das Gericht am 26. Februar für nichtig erklärt. „Aus Ihrem Haus höre ich jetzt aber die Äußerung, dass sich daraus nicht ableiten lasse, dass die Mittel zur Selbsttötung zur Verfügung gestellt werden müssen. Ist das nicht ein Widerspruch?“, fragte Spangenberg.

Spahn erklärte, derzeit werde das Urteil noch ausgewertet. Klar sei aber, dass sich daraus kein Anspruch gegenüber Dritten ableiten lasse, Beihilfe zur Selbsttötung zu leisten. „Was daraus für behördliches Handeln folgt, darüber sind wir noch im Gespräch.“

SPD fragt nach Abhängigkeit von China bei Arzneimitteln

Martina Stamm-Fibich (SPD) wollte vom Gesundheitsminister wissen, ob und wie die Bundesregierung drohenden Arzneimittelengpässen durch die Corona-Pandemie in China und Indien entgegenwirken werde. „Die derzeitige Situation demonstriert uns die Abhängigkeit von Arzneimittelimporten eindrücklich. Viele fordern, die Produktion nach Deutschland zurückzuholen“, sagte Stamm-Fibich.

Spahn bestätigte, dass dieses Thema die Bundesregierung bereits „intensiv“ beschäftigt habe. „Ob Atemschutzmasken oder Arzneimittel – die ökonomische Abhängigkeit von einem Land ist kein guter Zustand.“ In der Außenhandels- und Wirtschaftspolitik werde man sich damit befassen müssen. Hier gebe es aber „keine deutsche, nur eine europäische Lösung“, so der Minister.

FDP fragt nach „Lehren“ aus Corona-Epidemie

Dr. Andrew Ullmann (FDP) fragte, welche Schlüsse die Bundesregierung aus der sehr „dynamischen Infektion durch das Coronavirus“ ziehe. Die Zahlen seien in Deutschland und Italien beispielsweise sehr unterschiedlich. „Welche Lehren ziehe Sie daraus, die sich akut umsetzen lassen?“

Spahn antwortete, dass es zunächst wichtig gewesen sei, dass Arztpraxen oder Krankenhäuser reagiert und ihre Krisenstäbe aktiviert hätten. So seien sie darauf vorbereitet, mehr Corona-Patienten in Intensivstationen behandeln zu müssen und hätten begonnen, geplante Eingriffe zu verschieben. „Die Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass wir vor der Entwicklung sei müssen – auch im Hinblick auf die Krankenhauskapazitäten.“

CDU/CSU fragt nach Pflegepersonal aus dem Ausland

Dr. Roy Kühne (CDU/CSU) verwies auf die gestiegene Zahl der Anerkennungen von ausländischen Berufsabschlüssen und erkundigte sich, was die Bundesregierung außerdem plane, um mehr Pflegepersonal aus dem Ausland zu gewinnen.

Spahn erklärte, um den steigenden Bedarf an Pflegekräften in Deutschland zu decken, setze die Bundesregierung auf unterschiedliche Maßnahmen. Ein Baustein sei neben mehr Ausbildung in Deutschland die verstärkte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. „Wir sind gerade dabei, die Anerkennungs- wie auch die Visa-Verfahren zu beschleunigen“, so Spahn. „Wir wollen diese idealerweise auf maximal sechs Monate reduzieren.“ Ein Pilotversuch dazu laufe.

Linke: Corona-Ansteckung in Pflege- und Altenheimen

Nach „konkreten Maßnahmen“ der Bundesregierung, um gerade besonders gefährdete ältere oder kranke Menschen in Pflegeeinrichtungen vor einer Corona-Infektion zu schützen, fragte Dr. Achim Kessler (Die Linke). „Was tun Sie, um zum Beispiel die Ausrüstung mit Schutzmaterial in den Einrichtungen und von Mitarbeitern bei ambulanten Diensten sicherzustellen?“

Spahn betonte in seiner Antwort, die Bundesregierung habe früh im Gespräch mit Verbänden und Pflegeeinrichtungen darauf gedrungen, ihre Pandemiepläne zu aktualisieren. Bei den aktuellen Beschaffungsvorhaben etwa für Schutzmasken habe die Bundesregierung den Pflegebereich ebenfalls „mit im Blick“, bekräftigte der Minister.

Grüne: Situation in der Geburtshilfe verbessern

Dr. Kirsten Kappert-Gonther erkundigte sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen werde, um die „strukturellen Missstände in der Geburtshilfe“ zu verbessern. Ein Eckpunktepapier dazu liege bereits ein Jahr zurück, die „Hebammenakademisierung“ sei „endlich auf dem Weg.“ Es müsse aber mehr getan werden, um die Situation zu verbessern, mahnte die Abgeordnete und fragte insbesondere nach den Plänen des Ministers, um die „Eins-zu-Eins-Betreuung“ bei der Geburt zu gewährleisten.

Spahn erklärte, er wäre zu solchen Personalvorgaben „gerne bereit“. Allerdings gebe die gegenwärtige Personalsituation in der Geburtshilfe einen verbindlichen Betreuungsschlüssel von „eins-zu eins“ oder „zwei-zu-eins“ gar nicht her. „Wenn ich solche Vorgaben machen würde, müssten in Deutschland Geburtsstationen werdende Mütter abweisen, weil sie nicht genügend Personal haben.“  (sas/11.03.2020)

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