Für eine Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen hat sich die große Mehrheit der Sachverständigen in einer Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz unter Leitung von Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) am Mittwoch, 27. Mai 2020, ausgesprochen. Gegenstand der Anhörung waren Gesetzentwürfe der Bundesregierung (19/17795), des Bundesrates (19/15825) und der AfD-Fraktion (19/18980) zur Änderung des Strafgesetzbuchs sowie ein diesbezüglicher Antrag der FDP-Fraktion (19/11113).
Vier Initiativen Gegenstand der Anhörung
Nach den Vorlagen der Bundesregierung (19/17795) und des Bundesrates (19/15825) sollen das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, sowie das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme von bestimmten gegen Anblick geschützten Körperteilen – wie das sogenannte Upskirting – strafbar werden. Auch das Gebrauchen und Zugänglichmachen von solchen Bildaufnahmen gegenüber Dritten soll erfasst werden.
Laut AfD-Entwurf (19/18980) muss der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz an der unbefugten Herstellung entsprechender Bildaufnahmen ansetzen. Die AfD will zudem das Einwilligungserfordernis auf Bildnisse von Teilnehmern einer zulässigen politischen Veranstaltung erweitern. Auch die FDP spricht sich in ihrem Antrag für die Bestrafung des Upskirtings aus (19/11113).
Unterschiedliche Ansichten vertraten die Sachverständigen zur Einordnung solcher Bildaufnahmen unter dem Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, wie im Entwurf der Bundesregierung, oder als als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wie vom Bundesrat vorgeschlagen. Auf diese Problematik richteten sich auch die meisten Fragen der Abgeordneten.
„Strafvorschriften erfassen Upskirting nicht hinreichend“
Der Strafrechtler Prof. Dr. Jörg Eisele von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen erklärte in seiner Stellungnahme, das Upskirting bewege sich zwischen der unerlaubten Bildaufnahme, die in Paragraf 201a des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt sei, und den Pornografiedelikten des StGB, die den Sexualdelikten zuzuordnen seien. Die bestehenden Strafvorschriften erfassten das Upskirting bislang nicht hinreichend. Für eine Strafbarkeit spreche, dass die Herstellung der Bildaufnahmen und deren Zugänglichmachung einen schwerwiegenden Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Person darstellen.
Abgesehen von den Schwierigkeiten hinsichtlich der Einbeziehung der weiblichen Brust und den Unklarheiten hinsichtlich des Begriffs der Unterbekleidung sei der Entwurf der Bundesregierung überzeugend und dem des Bundesrates vorzuziehen. Ebenfalls überzeuge, so Eisele, in den Anwendungsbereich des Paragrafen 201a auch verstorbene Personen mit einzubeziehen.
„Bundesratsentwurf wird Unrechtsbehalt besser gerecht“
Dr. Veronika Grieser, Abteilungsleiterin bei der Staatsanwaltschaft München I, verwies darauf, dass nach der derzeitigen Rechtslage Upskirting strafrechtlich nicht oder nur in sehr seltenen Fällen verfolgt werden könne. In der Erstellung oder Verbreitung unbefugter Aufnahmen des Intimbereichs liege jedoch ein erheblicher Unrechtsgehalt, der vergleichbar ist mit Tathandlungen des Paragrafen 201a, aber auch mit denjenigen des Paragrafen184i StGB, der sexuelle Belästigung unter Strafe stellt.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Einordnung von Upskirting als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung werde dem Unrechtsgehalt solcher Taten besser gerecht als die von der Bundesregierung vorgesehene Ergänzung der Strafbarkeit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, erklärte Grieser. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und des Bundesrates unterschieden sich auch im Schutzumfang. Die Vorlage der Bundesregierung umfasse auch das sogenannte Downblousing, bei dem in den Ausschnitt einer Person fotografiert oder gefilmt wird. Dessen Unrechtsgehalt erscheine aber nicht vergleichbar mit dem des Upskirting.
„Gute Gründe für die Einordnung in das Sexualstrafrecht“
Prof. Dr. Elisa Hoven, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Leipzig, sieht durch die geplanten Straftatbestände sowohl den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs als auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung betroffen. Eine eindeutige Zuordnung im StGB sei nicht möglich.
Weder die Aufnahme der geplanten Strafnorm in 201a StGB noch die Einführung eines eigenständigen Paragrafen 184k StGB begegneten daher durchgreifenden Bedenken. Aus kriminalpolitischer Sicht sprächen jedoch gute Gründe für die Einordnung in das Sexualstrafrecht.
„Einer Regelung im Strafgesetzbuch bedarf es nicht“
Dem widersprach die Vertreterin des Deutschen Anwaltvereins (DAV), die Essener Rechtsanwältin Dr. Jenny Lederer. Der DAV stehe einer Pönalisierung von Upskirting und Downblousing kritisch gegenüber, erklärte sie. Aus strafrechtlicher Sicht genüge die Reaktion mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht auf derartige Bildaufnahmen; einer Regelung im StGB bedürfe es nicht.
Es dränge sich die Frage auf, ob mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht dem „Phänomen“ – das sich laut Bundesrat nur schwer abschätzen lasse – nicht besser und ausreichend Rechnung getragen werde. So sehr gesellschaftlich für die Respektierung gesetzter Grenzen eingestanden und sensibilisiert werden müsse, so fraglich sei die Reaktion auf derartige „Phänomene“ mithilfe des Strafrechtes, das Ultima Ratio sei und bleiben müsse.
„Regierungsentwurf definiert Körperteile klar“
Dr. Clemens Prokop, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Regensburg, favorisierte den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Seiner Meinung nach wäre es systemwidrig, in einen neuen Paragrafen im Sexualstrafrecht vergleichbare Tatbestände in unterschiedlichen Gesetzen zu regeln.
Für den Entwurf der Bundesregierung spreche, dass die entsprechenden Körperteile klar definiert und alle Geschlechtsteile erfasst seien. Problematisch sei einzig die aus seiner Sicht unzureichende Anforderung im Vorsatzbereich. Daher sollte im Paragrafen 201a StGB eine wissentliche Tatbegehung eingefügt werden.
„Bildaufnahme des Intimbereichs als Strafvorschrift“
Frank Rebmann, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn, verwies ebenfalls auf die unterschiedlichen Ansichten über das durch Upskirting verletzte Rechtsgut und schlug vor, entsprechend dem Entwurf des Bundesrates einen neuen Paragrafen 184k „Bildaufnahme des Intimbereichs“ in das StGB einzuführen.
Insbesondere der Gesetzentwurf des Bundesrates habe sich eingehend mit der Frage des Schutzes vor dem Upskirting durch das geltende Recht befasst und die Lückenhaftigkeit der bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen nachvollziehbar und überzeugend dargestellt, erklärte Rebmann. Über die Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit des Upskirtings bestehe weitgehend Einigkeit, fügte er hinzu. Es fehle jedoch eine empirisch fundierte Begründung.
„Upskirting unter Strafe stellen“
Hanna Seidel, Leiterin der Petition StopUpskirting, begrüßte im Namen der Betroffenen das Anliegen der Bundesregierung, unbefugte Bildaufnahmen des Intimbereichs unter Strafe zu stellen. Aufgrund der Auswirkungen für Betroffene und um ein öffentliches Zeichen gegen sexualisierte Gewalt zu setzen, hielten es die Petentinnen für unumgänglich, Upskirting unter Strafe zu stellen.
Sie unterstütze allerdings den Gesetzesentwurf des Bundesrates, erklärte Seidel, der die Thematik ihrer Ansicht nach richtig im Sexualstrafrecht einordne. Dennoch sei der Bundesratsentwurf zu eng gefasst. Wichtig sei, dass auch die weibliche Brust geschützt ist, denn die Auswirkungen des Downblousing ähnelten denen des Upskirting.
„Abgebildete Person muss nicht identifizierbar sein“
Dr. Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund begrüßte das Anliegen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, angesichts strafrechtlicher Schutzlücken unbefugte Bildaufnahmen der Genitalien, des Gesäß- und weiblichen Brustbereiches unter Strafe zu stellen.
Sie schlug Änderungen vor, wonach klarzustellen sei, dass Paragraf 201a neben dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung diene und dass die abgebildete Person nicht identifizierbar sein muss. Die Verankerung der neuen Regelung im Paragrafen 201a sei eine praktikable Lösung.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht dazu unter anderem vor, den geschützten Personenkreis auf Verstorbene auszuweiten. Vom Straftatbestand erfasst werden sollen das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, sowie das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme von bestimmten gegen Anblick geschützten Körperteilen. Auch das Gebrauchen und Zugänglichmachen von solchen Bildaufnahmen gegenüber Dritten soll erfasst werden.
Hintergrund ist dem Entwurf zufolge, dass Schaulustige bei Unfällen oder Unglücksfällen Bildaufnahmen vom Geschehen, insbesondere von verletzten und verstorbenen Personen, anfertigen und diese Aufnahmen über soziale Netzwerke verbreiten. Oftmals würden solche Bildaufnahmen auch an die Medien weitergegeben. Den damit verbundenen Verletzungen der Rechte der Abgebildeten gelte es zu begegnen. Darüber hinaus gebe es Fälle, in denen unbefugt eine in der Regel heimliche Bildaufnahme hergestellt oder übertragen wird, die den Blick unter den Rock oder unter das Kleid einer anderen Person zeigt. Auch entsprechende Bildaufnahmen, die in den Ausschnitt gerichtet sind und die weibliche Brust abbilden, würden gefertigt. Damit setze sich der Täter über das Bestreben des Opfers, diese Körperregionen dem Anblick fremder Menschen zu entziehen, grob unanständig und ungehörig hinweg und verletze damit die Intimsphäre des Opfers.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Strafgesetzbuches (19/15825) sieht vor, Bildaufnahmen des Intimbereichs, das sogenannte Upskirting, unter Strafe zu stellen. Danach macht sich strafbar, wer absichtlich eine Bildaufnahme des Intimbereichs einer anderen Person unbefugt herstellt, indem er unter deren Bekleidung fotografiert oder filmt, oder eine derartige Bildaufnahme überträgt. Gleichfalls unter Strafe gestellt wird das Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer solcherart hergestellten Aufnahme. Mit der Strafvorschrift will die Länderkammer erreichen, dass das Unrecht derartiger Taten in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht wird, potenzielle Täter abgeschreckt werden, ein wirksamerer Schutz der Opfer bewirkt wird und Täter auch strafrechtlich wegen eines Sexualdelikts zur Verantwortung gezogen werden können.
In der Vorlage wird darauf verwiesen, dass sich Bildaufnahmegeräte in einem Umfang und in einer Form verbreitet haben, die es jedermann ermöglichen, an nahezu jedem Ort und zu jeder Zeit Bildaufnahmen von Dritten in hoher Qualität zu erstellen. Das geschehe häufig, ohne dass betroffene Personen dies bemerken und auf unbefugte Aufnahmen reagieren könnten. Durch die ständige Verfügbarkeit von Smartphones oder anderen technischen Geräten mit Bildaufnahmefunktion und deren unauffällige wie auch einfache Handhabbarkeit bestehe die für Dritte unabsehbare Gefahr, ungewollt zum Gegenstand einer fremden Bildaufnahme zu werden. Bereits die Herstellung und nicht erst die Verbreitung derartiger Aufnahmen erweise sich gerade in den Fällen als tiefgreifender Rechtseingriff, in denen der Intimbereich betroffen ist.
Gesetzentwurf der AfD
Die AfD-Fraktion hat den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechtsschutzes bei Bildaufnahmen vorgelegt (19/18980). Nach Meinung der Fraktion ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung unzureichend. Wesentlicher Inhalt ihrer Vorlage ist die Strafbarkeit der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen von Personen, die als Folge eines Unfalls verstorben sind oder verletzt wurden, ohne Einwilligung des Abgebildeten beziehungsweise Wahrnehmungsberechtigten. Strafbar soll danach die unbefugte Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen sein, die das Opfer in seiner Intimsphäre verletzen.
Das Einwilligungserfordernis des Kunsturhebergesetzes solle auf Bildnisse von Teilnehmern einer zulässigen politischen Veranstaltung erweitert werden. Die Herstellung von Bildaufnahmen von Personen, die mit dem Hersteller nicht durch persönliche Beziehungen verbunden sind und die dem Hersteller ihren Widerspruch gegen die Bildherstellung im konkreten Fall ausdrücklich mitgeteilt haben, soll nach dem Willen der AfD unzulässig sein.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion will das Upskirting bestrafen. Ihrem Antrag (19/11113) zufolge soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das unbefugte gezielte Anfertigen von Film- oder Bildaufnahmen intimer oder sexueller Bereiche einer Person und damit auch das Upskirting unter Strafe stellt.
Die hohe Verbreitung von Smartphones und Tablets mit bereits vorinstallierter Kamera habe in der jüngeren Vergangenheit Fälle von Upskirtings begünstigt, heißt es in dem Antrag. Andere europäische Staaten hätten bereits auf das Phänomen reagiert. Das deutsche Recht biete davor bislang keinen sicheren Schutz. (mwo/27.05.2020)
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