Demokratie und Bürgerrechte in Zeiten der Corona-Krise
Der Bundestag hat am Donnerstag, 7. Mai 2020, Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft in Zeiten der Corona-Krise“ (19/18958) und einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Rechtsstaat in der Corona-Krise verteidigen – Bürger und Freiheitsrechte bewahren“ (19/19009) erstmals debattiert und im Anschluss an die halbstündige Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen.
Abgelehnt wurden ein Antrag der Linken mit dem Titel „Zur Bewältigung der Corona-Krise Justizvollzugsanstalten entlasten – Gesundheit der Inhaftierten schützen“ (19/18682) sowie ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Recht und Justiz krisenfest gestalten“ (19/18712), zu denen der Rechtsausschuss jeweils Beschlussempfehlungen vorgelegt hatte (Linke: 19/19014, Grüne: 19/19015).
Dem Antrag der Linken stimmten nur die Antragsteller zu. Die Grünen enthielten sich, die übrigen Fraktionen lehnten ihn ab. Den Antrag der Grünen unterstützten neben den Antragstellern auchd ie FDP und die Linksfraktion, während CDU/CSU, SPD und AfD ihn ablehnten.
Überwiesener Antrag der Grünen
Die Grünen wollen im Infektionsschutzgesetz die Ermächtigungsregelung des Paragrafen 5 Absatz 2 so ändern, dass die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu den Verordnungen und Anordnungen vorgesehen wird und dem Eilbedarf dadurch genügt wird, dass die Zustimmung in der der ersten auf den Verordnungs- und Anordnungserlass folgenden Sitzung des Bundestages und des Bundesrates erteilt werden muss. Geschieht dies nicht, solle die Verordnung oder die Anordnung mit Ablauf des Sitzungstages aufgehoben sein.
Darüber hinaus fordert die Fraktion die Regierung in ihrem Antrag (19/18958) auf, schnellstmöglich eine Corona-Tracing-App vorzulegen, die, um Akzeptanz und Vertrauen sicherzustellen, höchsten Datenschutz- und IT-Sicherheitsstandards entspricht, auf absoluter Freiwilligkeit basiert, auf Dezentralität setzt, deren Quellcode öffentlich überprüfbar ist, Falsch-Positive weitestgehend vermeidet, barrierefrei angeboten wird und bei der begleitende Informationen und Hinweise auf Beratungsangebote für Betroffene zur Verfügung gestellt werden.
Überwiesener Antrag der FDP
Die Liberalen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag (19/19009) auf, umgehend eine Generalrevision aller im Rahmen der Corona-Pandemie bereits erlassenen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen vorzunehmen und diejenigen Freiheitsbeschränkungen unverzüglich aufzuheben, sie sich aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht mehr rechtfertigen lassen und daher unverhältnismäßig sind. Dies solle besonders für die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie und gemeinschaftliche Ausübung der Religion gelten, sofern ein entsprechendes Schutzkonzept vorliegt, das durch Hygiene- und Abstandsregelungen das Infektionsrisiko minimiert.
Auch solle die Rolle der Parlaments gestärkt werden, indem der Bundestag über Maßnahmen, die im Rahmen des Infektions- und Katastrophenschutzes etwa durch den Bundesgesundheitsminister oder den Bundesinnenminister getroffen wurden, informiert wird. Bei weiteren Vorhaben und Gesetzgebungsverfahren solle der Bundestag frühzeitig einbezogen werden müssen.
Abgelehnter Antrag der Linken
Die Linke wollte mit ihrem Antrag (19/18682) zur Bewältigung der Corona-Krise Justizvollzugsanstalten entlasten und die Gesundheit der Inhaftierten schützen. Der Bundestag sollte die Bundesregierung auffordern, mit den für den Strafvollzug zuständigen Bundesländern in Kontakt zu treten und eine Reihe von Sofortmaßnahmen vorschlagen. Dazu zählten die Unterbrechung der Vollstreckung und die Aufschiebung aller Ersatzfreiheitsstrafen, bis die Ausbreitung von Sars-Cov-2 gestoppt ist.
Die Vollstreckung rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafen von weniger als drei Jahren sollte ebenfalls so lange aufgeschoben werden, es sei denn, die Freiheitsstrafe wurde wegen eines Sexualdelikts verhängt, die verurteilte Person stellt eine Gefahr für andere Menschen dar oder andere zwingende Gründe sprechen für einen unverzüglichen Haftantritt. Alle Inhaftierten, bei denen die Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes dem Grunde nach vorliegen, sollten entlassen werden. Der Vollzug von Jugendarrest sollte ausgesetzt und alle in Jugendarrest befindlichen Personen sollten entlassen werden.
Abgelehnter Antrag der Grünen
Einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur krisenfesten Gestaltung von Justiz und Recht angesichts der Corona-Krise forderten Bündnis 90/Die Grünen in ihrem abgelehnten Antrag (19/18712). Danach sollte der Bundestag die Bundesregierung auffordern, Maßnahmen zu ergreifen und Gesetzentwürfe vorzulegen, um die Gerichtsverfassung, zum Beispiel durch Aufhebung des Gesichtsverhüllungsverbots, sowie Betreuungs-, Unterbringungs- und erbrechtliche Sachverhalte, den Bereich der Anwaltschaft, den Bereich des Mietrechts sowie weitere Bereiche an die Erfordernisse der Covid-19-Pandemie anzupassen.
Dazu zählte die Fraktion beispielsweise, dass im Infektionsschutzgesetz die Ermächtigungsregelung so geändert wird, dass die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu den Verordnungen und Anordnungen erforderlich ist. Die Digitalisierung der Justiz wollte die Fraktion beschleunigen. (hau/mwo/07.05.2020)