Aktuelle Stunde

Arbeits­bedingungen in der Fleisch­industrie kontrovers debattiert

Die Nachrichten aus der Fleischindustrie seien entsetzlich, beschämend und nicht zu tolerieren, hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD), am Mittwoch, 13. Mai 2020, im Bundestag erklärt. Kern des Übels sei „diese Art von Sub-Sub-Sub-Unternehmertum“ in der Branche. Er kündigte an, bei der nächsten Sitzung des Corona-Kabinetts am 18. Mai ein Konzept für Konsequenzen vorzulegen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte die Aktuelle Stunde zum Thema „Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie“ verlangt.

Minister: Mehr Personal und schärfere Kontrollen

Heil rief dazu auf, jetzt nicht bei der Empörung stehen zu bleiben. Gefordert seien alle Ebenen: Unternehmer ebenso wie Bund und Länder. Es müsse mehr Personal und schärfere Kontrollen im Arbeitsschutz geben. Denn die schärfsten Regeln nutzten nichts, wenn sie nicht kontrolliert würden.

Der Minister erinnerte daran, dass es für den Bereich der Fleischindustrie immer wieder Gesetzesverschärfungen gegeben habe, um Missstände zu bekämpfen. Doch sei daraus ein Katz-und-Maus-Spiel geworden, weil einige Unternehmen stets Umgehungsmöglichkeiten gefunden hätten. Er verwies darauf, dass es beim aktuellen Fall der zahlreichen Corona-Infektionen in einem Coesfelder Betrieb zunächst zu keinen Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen kommen könne und damit die Wirtschaft und Bevölkerung eines ganzen Landkreises in Geiselhaft genommen worden sei.

Grüne: Zeit des Wegduckens beenden 

Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) hielt der Bundesregierung vor, nichts gegen die Missstände in der Fleischindustrie zu unternehmen, ob Lohn, ob Arbeitsbedingungen, und auch nichts gegen das Werkvertragsunwesen mit zwielichtigen Subunternehmern.

So wiesen Betreiber von Schlachthöfen die Verantwortung für die Unterbringung der meist osteuropäischen Arbeiter von sich. Es fehlten wirksame Kontrollen durch die Kommunen. Ostendorff sprach von menschenverachtender Profitgier, die jetzt schnelles Handeln erforderlich mache: „Die Zeit des Wegduckens muss beendet werden.“

CDU/CSU: EU-Entsenderichtlinie konsequent umsetzen

Uwe Schummer (CDU/CSU) machte klar, dass es sich bei der Fleischindustrie um einen prekären Arbeitsbereich handle. Der Kontrollmechanismus sei bereits verstärkt worden, verwies er unter anderem auf den Zoll. Bei den Kontrollen müssten alle Ebenen – Bund, Länder, Kommunen – wie aus einer Hand zusammengeführt werden, nicht zuletzt durch verbesserten Datenaustausch.

Er strich heraus, dass es bei Schlachtbetrieben mit festangestellten Mitarbeitern und ohne Subunternehmer keine Beanstandungen gegeben habe. Er rief dazu auf, die europäische Entsenderichtlinie, in der es auch um gleiche Arbeitskonditionen und Unterkünfte gehe, konsequent umzusetzen.

AfD: Regionale Landwirtschaft stärken

Stephan Protschka (AfD) meinte, nicht nur die Schlachthöfe seien die Bösen. Die Verantwortung für die Zustände in der Fleischindustrie liege in erster Linie bei der Bundesregierung. Die Schlachthöfe seien gezwungen, mit den niedrigen Weltmarktpreisen zu konkurrieren, was zu einer Konzentration nach dem Motto „Wachse oder Weiche“ geführt habe.

Immer neue Freihandelsabkommen hätten daran ihren Anteil. Tierhaltung, Schlachtung und Arbeitnehmer drohten ins Ausland abzuwandern. Das führe zu mehr Lebensmittelimporten. Die AfD setze sich dafür ein, die regionale Landwirtschaft zu stärken. Kleinere Schlachtereien seien auch aus Sicht des Tierschutzes vorzuziehen.

FDP: Wir haben Rechtsdurchsetzungsprobleme

Carl-Julius Cronenberg (FDP) meinte, der Staat habe von den Missständen in der Fleischindustrie seit Jahren gewusst, sei aber nur unzureichend dagegen vorgegangen: „Wir haben keine Rechtsetzungsprobleme, sondern Rechtsdurchsetzungsprobleme.“ Er rief dazu auf, Ordnung in den Zuständigkeitswirrwarr zu bringen.

Die schwarzen Schafe in der Branche dürften nicht immer einen Schritt voraus sein, so Cronenberg. Er beschrieb einen enormen Preis- und Kostendruck, unter dem die Branche stehe. Doch von einer Verlagerung ins Ausland rate er ab. Dies würde weder den Landwirten noch den Verbrauchern nützen.

Linke: Es herrscht ein gnadenloser Preiskampf

Jutta Krellmann (Die Linke) befand, die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie seien immer an der Grenze des Zulässigen gewesen. Es herrsche ein gnadenloser Preiskampf. Da lebe der Kapitalismus seine Profitgier in vollen Zügen aus. In der Branche arbeiteten 85 Prozent der Beschäftigten mit Werkverträgen. Das habe mit Menschenwürde nichts zu tun.

Die Selbstverpflichtung der Fleischindustrie vor fünf Jahren habe sich als Nullnummer erwiesen. Die Unterbringung sei darin ohnehin überhaupt nicht geregelt gewesen. Mit den skandalösen Bedingungen müsse endlich Schluss sein. Es dürfe keinen Freibrief für schwarze Schafe geben. Werkverträge gehörten für den Kernbereich von Unternehmen verboten.

SPD: Verantwortung liegt bei den Unternehmen

Katja Mast (SPD) betonte, die Verantwortung für die unerträglichen Zustände in der Fleischindustrie liege als Allererstes bei den Unternehmerinnen und Unternehmern. Die Corona-Pandemie werfe jetzt ein Schlaglicht auf das Geschäftsmodell der Branche mit wenigen eigenen Mitarbeitern und einem Löwenanteil von Menschen aus Osteuropa.

Mast wehrte sich gegen den Vorwurf, die Koalition habe nichts getan. So seien 2017 die Bedingungen für die Fleischindustrie massiv verschärft worden. Indes: „Jetzt wissen wir, wir müssen noch mehr tun.“ (fla/13.05.2020)

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