Aktuelle Stunde

Keine Durchbruch im Streit um eine Wahl­rechts­reform

Im Streit um eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages bei künftigen Wahlen hat sich auch am Donnerstag, 14. Mai 2020, in einer Aktuellen Stunde des Parlaments kein Durchbruch abgezeichnet. Während aus den Reihen der Opposition ebenso wie aus der SPD-Fraktion insbesondere der CSU vorgeworfen wurde, eine Einigung zu blockieren, wandte sich deren Redner Michael Frieser dagegen, dass bei einer Regelung zur Reduzierung der Abgeordnetenzahl nur die direkt gewählten Parlamentarier „die Rechnung bezahlen sollen“. 

FDP: Große Mehrheit will eine Lösung

Dr. Marco Buschmann (FDP) verwies darauf, dass seine Fraktion, die die Aktuelle Stunde verlangt hatte, gemeinsam mit Linken und Grünen einen Gesetzentwurf (19/14672) vorgelegt hat, der unter anderem eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise von derzeit 299 auf 250 vorsieht. Dieser Gesetzentwurf  sei nach Ansicht unabhängiger Experten verfassungsgemäß und löse das Problem, womit  er „das komplette Gegenteil“ der von der CSU in die Diskussion eingeführten Beiträge darstelle.

„Jeder Vorschlag der CSU war entweder verfassungswidrig oder hat das Problem nicht gelöst“, kritisierte Buschmann. Dabei wolle eine große Mehrheit im Bundestag eine Lösung. Diese Mehrheit solle man „endlich nutzen“. Dabei stehe man unter Zeitdruck, da die Kandidatenaufstellungen zur nächsten Bundestagswahl im Juni anfingen. 

CDU/CSU: Zahl der Wahlkreise moderat reduzieren

Auch Ansgar Heveling (CDU/CSU) betonte, dass man bald eine Entscheidung finden müsse, wenn es noch zu einer Reform für die nächste Bundestagswahl kommen solle. Dabei wäre es zwar mit dem von FDP, Linken und Grünen vorgelegten Gesetzentwurf möglich, dafür zu sorgen, „dass der Bundestag nicht ungebremst weiterwachsen kann“, doch sehe dieser Vorschlag einen „zu radikalen Weg“ vor, der zulasten einer einzigen Fraktion, nämlich der CDU/CSU, ginge.

Heveling warb zugleich für ein Modell, das unter anderem eine „moderate Reduzierung der Wahlkreise auf 270“ beinhaltet sowie eine „Hinnahme von ausgleichslosen Überhangmandaten, so wie sie das Bundesverfassungsgericht für zulässig ansieht“.    

AfD: Systematische Fehler des Wahlrechts

Albrecht Glaser (AfD) wertete das von den drei anderen Oppositionsfraktionen vorgeschlagene Modell als „völlig falsch“. Zugleich kritisierte er „systematische Fehler des Wahlrechts“, die das Beispiel der „Regionalpartei“ CSU zeige. Diese habe 6,2 Prozent aller Zweitstimmen zur Bundestagswahl oder 38 Prozent der Stimmen ihres Wahlgebiets gewonnen, wofür ihr 39 Sitze zustünden.

Sie habe aber alle 46 Direktmandate in Bayern errungen und somit sieben Überhangmandate. Dies seien „15 Prozent mehr Mandate, als ihr zustehen“. Zum Ausgleich bekämen  nun auch alle anderen Parteien „15 Prozent mehr Abgeordnete, als ihnen nach ihren Stimmenzahlen zustehen“. Dies sei der „Teufel dieses Systems“.  Der „Königsweg“ zur Lösung des Problems sei es, die Direktmandate zu begrenzen.

SPD: Maximale Größe von 690 Abgeordneten

Carsten Schneider (SPD) betonte, seine Fraktion habe deutlich gemacht, bei der nächsten Wahl an der Zahl von 299 Wahlkreisen festhalten zu wollen. Wenn man indes „eine maximale Größe“ des Bundestages wolle, die nach den Vorstellungen der SPD dann bei 690 Abgeordneten liegen solle, sei dies „ohne eine Kappung“ nicht möglich. Daher schlage die SPD eine solche  Kappung vor. Dies solle „nur eine Brücke für die nächste Wahl“ sein.

Sein Fraktionskollege Uli Grötsch (SPD)  sagte, noch habe er Hoffnung, „dass wir das mit dem Brückenmodell der SPD hinkriegen“. Wenn dabei aber nicht alle Fraktionen Zugeständnisse machen, sehe er dafür schwarz. Er warf zugleich der CSU vor, ihre „Blockadehaltung“ nach wie vor aufrecht zu halten, weil sie „kein einziges Mandat einbüßen“ wolle.

Linke: Mutlosigkeit und kleingeistiger Egoismus

Friedrich Straetmanns (Die Linke) hielt der Unionsfraktion vor, sie zeige beim Thema Wahlrecht „Mutlosigkeit“ und kleingeistigen „Egoismus“ und verharre weiterhin „in  einem politischen Dornröschenschlaf“. Ihre „Idee der 15 nicht auszugleichenden Überhangmandate“ benachteilige alle Wähler, die nicht die Union wählen wollen, weil deren Stimmen dann weniger wert wären.

„Durchaus offen“ zeigte sich Straetmanns dagegen für den SPD-Vorschlag, sofern „geregelt ist, dass es sich um ein Übergangswahlrecht handelt“. Er müsse ein „klares Ablaufdatum haben“, das dazu zwinge, zu Beginn der nächsten Wahlperiode „zusammenzutreten und in einer erneuten Kommission eine tragbare, dauerhafte Lösung zu erarbeiten“.

Grüne: Auch der Vorschlag der SPD ginge

Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) wandte sich mit Blick auf die CSU dagegen, 46 der derzeit 709 Abgeordneten „ein Vetorecht gegen das Wahlrecht“ einzuräumen. Mit dem Drei-Fraktionen-Vorschlag könne man „das personalisierte Verhältniswahlrecht proportional gerecht für alle Parteien im Deutschen Bundestag umsetzen“.

Daneben gebe es auch andere Vorschläge wie das „Kappungsmodell“, wonach jede Partei nur mit so vielen direkt gewählten Abgeordneten ins Parlament einziehen könne, wie ihr Zweitstimmenergebnis ermögliche. Auch damit würde das Verhältniswahlrecht umgesetzt, das in Deutschland gelte. „Also ginge auch der Vorschlag der SPD“, fügte Haßelmann hinzu.

CDU/CSU: Unkontrollierten Aufwuchs verhindern

Für die CSU betonte der Unionsabgeordnete Michael Frieser, dass das geltende Wahlrecht „mit allen Stimmen der hier in der Mitte sitzenden Fraktionen“ beschlossen worden sei. Auch habe er bei dem Vorschlag der drei Oppositionsfraktionen in den zurückliegenden Monaten nichts von Kompromissfähigkeit gesehen.

„Ihr System ist nicht akzeptabel, weil es absolut nur gegen die Union gerichtet ist und auch gegen die SPD“, kritisierte Frieser. Man brauche aber eine Lösung, um einen unkontrollierten Aufwuchs des Bundestages zu verhindern. (sto/14.05.2020)

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