Der Bundestag hat am Freitag, 29. Mai 2020, die weitere Beteiligung der Bundeswehr an der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Mali (European Union Training Mission Mali) beschlossen. In namentlicher Abstimmung befürworteten 437 Abgeordnete den Antrag der Bundesregierung (19/19002), 149 votierten dagegen. Es gab 58 Enthaltungen. Zur Abstimmung lagen eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/19583) und ein Bericht des Haushaltsausschusses zur Finanzierbarkeit gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages (19/19604) vor.
Jeweils bei den übrigen Fraktionen auf geschlossene Ablehnung stießen Entschließungsanträge der FDP (19/19598), der Linken (19/19599) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/19600).
Ebenfalls abgelehnt mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen des Hauses wurde ein Antrag der AfD mit dem Titel „Militärmission EUTM Mali beenden“ (19/19154), zu dem eine weitere Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/19584) vorlag. Im Verlauf der Debatte befassten sich die Parlamentarier auch mit dem „Bericht der Bundesregierung zur Lage und zum deutschen Engagement in Mali/Sahel“ (19/18080), der im Anschluss an den federführenden Auswärtigen Ausschuss zur weiteren Beratung überwiesen wurde.
Mandatsgebiet wird ausgeweitet
Der vom Bundestag angenommene Antrag der Bundesregierung (19/19002) sieht vor, das Mandatsgebiet für den Einsatz der Bundeswehr Schritt für Schritt auf Gesamtmali sowie alle G5-Sahel-Staaten (Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad) auszuweiten. Zudem sollen künftig bis zu 450 statt wie bisher bis zu 350 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten entsendet werden können.
Schwerpunkt im neuen Mandat sei die einsatznähere militärische Beratung und Ausbildung der malischen Soldatinnen und Soldaten sowie – nach Schaffung der Voraussetzungen seitens der Europäischen Union – die Ausweitung des Missionsgebietes auf alle G5-Sahel-Staaten, heißt es im Antrag. Diese Maßnahme ziele vor allem darauf ab, Beratung und Ausbildung auch in Burkina Faso und in Niger anbieten zu können, die beide durch grenzüberschreitendes Agieren terroristischer Gruppen zunehmend unter Druck geraten seien.
Der Einsatz basiere auf einem Ersuchen der malischen Regierung mit dem Einverständnis der weiteren G5-Sahel-Staaten sowie auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse des Rates der Europäischen Union in Verbindung mit mehreren Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Das Mandat ist befristet bis Ende Mai 2021.
SPD: Nachhaltig Staatlichkeit in die Region bringen
In der Debatte plädierte Dr. Nils Schmid (SPD) für eine Verlängerung der deutschen Beteiligung an der multinationalen Ausbildungsmission der Europäischen Union in Mali (EUTM). Schmid wies auf die sich verschlechternde Sicherheitslage in Mali hin. Terrorangriffe hätten sich auf das Zentrum des Landes ausgeweitet, im innermalischen Versöhnungsprozess seien kaum Fortschritte zu verzeichnen, die Konflikte mit Nachbarländern seien nach wie vor ungelöst.
Die Mission lasse sich nicht als reiner Antiterror-Einsatz beschreiben. Es gehe darum, vor Ort nationale Strukturen aufzubauen, mit denen Mali aus eigener Kraft Sicherheit schaffen könne. Aber auch die wirtschaftlichen Konflikte müssten gelöst werden, um soziale Stabilität zu erreichen. In einem solchen umfassenden Ansatz werde die Ausbildungsmission für malische Streitkräfte nachhaltig zur Verbesserung der Lage beitragen. „Entwicklung und Sicherheit sind untrennbar miteinander verknüpft.“
Es gehöre zu den Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz, sich über die reine Mandatsbefassung hinaus weiterhin mit der Stabilität der gesamten Region zu befassen. „Wir müssen strategisch nachhaltig Staatlichkeit in diese Region bringen.“ Um „nach und nach Inseln der Sicherheit zu bilden“, müsse man schließlich auch das Gespräch mit den aufständischen Gruppen suchen.
AfD: Entgrenzung des Begriffs der Verantwortung
Gerold Otten (AfD) kritisierte allgemein „die Masse an Kriseneinsätzen“, an denen sich Deutschland beteilige und mit denen die Bundesregierung geradezu „zwanghaft Verantwortung“ übernehmen wolle. Das habe zu einer „Entgrenzung des Begriffs der Verantwortung“ geführt. Die Erfolge der bislang siebenjährigen Ausbildungsmission in Mali seien außerdem zweifelhaft. „Nach bereits siebenjährigem Einsatz greifen die Maßnahmen nicht.“ Die malischen Streitkräfte beherrschten die Lage im Land offenbar nicht.
Otten konnte auch der im neu formulierten Mandat vorgesehenen Erweiterung des Mandatsgebietes und der Erhöhung der Truppenstärke nichts abgewinnen. Zu dieser räumlichen und inhaltlichen komme zudem noch eine zeitliche Entgrenzung hinzu, kritisierte er den fehlenden Zeithorizont der Mission. Die AfD-Fraktion lehne die Verlängerung des Mandats ab.
CDU/CSU: Der Sahel ist der drängendste Krisenpunkt
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) bezeichnete die Entwicklung im Sahel in den vergangenen Monaten als besorgniserregend. Immer mehr Gebiete drohten in die Hände der Terroristen zu fallen. In deren Windschatten fasse die organisierte Kriminalität mit den Schwerpunkten Drogen- und Menschenhandel immer stärker Fuß. Zusammen mit den Herausforderungen, die der Klimawandel und jetzt auch noch die Corona-Pandemie für diese Länder, die mit die höchsten Geburtenraten aufwiesen, mit sich bringe, sei das Lagebild ernüchternd.
„Doch abwenden können wir uns jetzt nicht. Die Probleme der Sahel-Zone sind unsere Probleme“, sagte Wadephul. Europa sei durch Terrorismus und das Migrationsgeschehen in der Nachbarregion unmittelbar betroffen. „Heute ist der Sahel der drängendste Krisenpunkt.“ Das Engagement dort liege „in unserem sicherheitspolitischen Interesse“. Die humanitäre Verantwortung gebiete es zudem, im Sahel zu helfen.
Das tue die Bundesregierung mit einem breiten politischen Ansatz. Der Einsatz sei eingebettet in eine breite Phalanx von Staaten, man arbeite eng mit Frankreich und anderen EU-Partnern zusammen. Das Engagement in Mali erfordere gewiss einen langen Atem. Aber als Parlamentarier, die ihre Zustimmung zu dem Einsatz geben, fordere man nach sechs Monaten einen Zwischenbericht, um eine aktuelle Einschätzung der Lage zu bekommen.
FDP: Missionen im Sahel besser koordinieren
Vor sieben Jahren habe der Bundeswehreinsatz in Mali begonnen, rief Alexander Müller (FDP) in Erinnerung. Aber die durchschlagenden Erfolge ließen auf sich warten. „Wie schaffen wir es, dass aus sieben nicht 17 oder 27 Jahre werden?“ Die FDP unterstütze weiter die Bemühungen um eine Stabilisierung Malis und der Sahel-Region und stimme einer Fortsetzung des Mandats daher zu.
Er frage sich aber, ob die Erfahrungen des Einsatzes genügend ausgewertet würden, um daraus zu lernen und Schlüsse zu ziehen über die Ursachen der Konflikte und die Auswirkungen des Einsatzes. Der Bericht der Bundesregierung lasse Hinweise darauf vermissen. Auch die malischen Soldaten müsse man befragen.
Seine Fraktion dringe darauf, die unterschiedlichen internationalen Missionen im Sahel besser zu koordinieren. Vor allem seien der französische Antiterror-Einsatz und die europäischen Missionen, aber auch die militärischen und entwicklungspolitischen Komponenten des internationalen Engagements besser aufeinander abzustimmen.
Linke: Gewalt malischer Soldaten gegen eigene Bevölkerung
Auf die zahlreichen, durch lokale Sicherheitskräfte begangenen, Menschenrechtsverletzungen wies Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke hin. Sie nannte Beispiele „exzessiver Gewalt“ malischer Soldaten gegen die eigene Bevölkerung, die auch seitens der Vereinten Nation und von Menschenrechtsorganisationen bereits angeprangert worden seien. 135 Hinrichtungen habe der UN-Hochkommissar für Menschenrechte beklagt.
Unter dem Vorwand, Corona-Ausgangssperren durchsetzen zu müssen, seien Soldaten über das Ziel hinausgeschossen. Die Bundeswehr aber, die den Auftrag habe, malisches Militär im Bereich der Aufstandsbekämpfung auszubilden, sitze vermutlich zu einem Drittel in Quarantäne, das nächste Drittel sitze am Schreibtisch und das letzte Drittel schütze das Hauptquartier.
Dass die Bundeswehr damit beauftragt werde, lokale Streitkräfte auszubilden, die die Menschenrechte mit Füßen treten, sei nicht hinnehmbar. Gegenüber dem militärischen sei das humanitäre Engagement „dramatisch unterfinanziert“. Das müsse sich ändern. Vogler: „Der Sahel braucht unsere Hilfe. Aber nicht unsere Soldaten. Nein zu diesem Militäreinsatz! Bilden Sie Krankenschwestern aus statt Soldaten!“
Grüne: Mandat klarer formulieren
Die Grünen würden sich weiter dafür einsetzen, dass sich die Europäische Union und Deutschland gemeinsam mit den Vereinten Nationen in Mali engagieren, sagte Agnieszka Brugger von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Aber eine Zustimmung zu dem Mandat sei kein Automatismus. Man sehe eine Reihe von kritischen Punkten und werde sich daher der Stimme enthalten.
Die Bundesregierung rufe man auf, eine Reihe von Widersprüchen in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik in Nordafrika zu beseitigen. So sei die Abstimmung zwischen dem französischen Antiterror-Einsatz und den anderen Europäern zu gering. Berlin solle auf einen europäischen Konsens für das weitere Vorgehen in Mali hinarbeiten.
Man stehe außerdem der Auswertung des Mandats sehr kritisch gegenüber. Dies umfasse nun ein Operationsgebiet von einer immensen Größe. Die Länder dort seien aber sehr unterschiedlich. Im Tschad dürfe man keinesfalls Soldaten ausbilden. Der Ansatz der Koalition bewege sich in die falsche Richtung. Das Mandat müsse klarer formuliert werden, betonte Brugger.
Bericht zur Lage und zum deutschen Engagement
In ihrem Bericht zur Lage und zum deutschen Engagement in Mali/Sahel schreibt die Bundesregierung, die Lage in Mali und Teilen der Sahel-Region sei weiterhin durch fragile Staatlichkeit, zunehmend gewaltsam ausgetragene, teils sozial und ethnisch aufgeladene Konflikte um Ressourcen sowie die Bedrohung durch islamistisch motivierten Terror gekennzeichnet.
Die Aufmerksamkeit richte sich neben der Befriedung des Nordens von Mali und Umsetzung des innermalischen Friedensabkommens auf die Erosion der sozialen Ordnung und der Sicherheit im Zentrum Malis sowie in den Grenzgebieten zu Burkina Faso und Niger. „Dort haben terroristische Gruppen, die mit Al Qaida und dem Islamischen Staat affiliiert sind, ihren Aktionsradius erheblich ausgeweitet“, schreibt die Bundesregierung. In der Folge habe sich der Staat aus weiten Gebieten zurückgezogen.
Abgelehnter Entschließungsantrag der FDP
Die FDP forderte die Bundesregierung in ihrem Entschließungsantrag (19/19598) unter anderem auf, sich international für eine gemeinsame, übergeordnete Strategie für die Sahel-Region einzusetzen. Die internationalen Engagements in der Sahel-Region seien miteinander zu verknüpfen.
Außerdem solle der militärische Einsatz mit regionalen politischen und wirtschaftlichen Bemühungen vernetzt werden, um die Menschen vor Ort nachhaltig zu unterstützen.
Abgelehnter Entschließungsantrag der Linken
Die Linke forderte in ihrem Entschließungsantrag (19/19599), die Bundeswehr aus der EU-Mission EUTM Mali und aus der UN-Mission Minusma abzuziehen und sich in der EU und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Beendigung der beiden Missionen einzusetzen.
Die einsatzbedingten Zusatzkosten sollten in entwicklungspolitische Investitionen und humanitäre Hilfe für Mali und die übrigen fünf Staaten der Sahel-Zone umgewidmet werden.
Abgelehnter Entschließungsantrag der Grünen
Die Grünen forderten in ihrem Entschließungsantrag (19/19600), im regionalen Engagement der Bundeswehr keinen Blankoscheck an autoritäre und diktatorische Regime wie im Tschad zu erteilen und eine Ausbildung in diesen Ländern und der jeweiligen Armeen auszuschließen.
Auch sollte das Einsatzgebiet der Bundeswehr auf das Staatsgebiet Malis beschränkt werden. Sichergestellt werden müsse, dass trotz der im neuen EUTM-Mali-Mandat verankerten militärischen Ausbildung und Beratung keine Beteiligung deutscher Streitkräfte an Kampfeinsätzen stattfindet.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion hält das deutsche beziehungsweise europäische militärische Engagement in Mali für gescheitert. In ihrem Antrag (19/19154) verlangt sie, die Bundeswehrbeteiligung an der UN-Mission Minusma in Mali und an der EU-Trainingsmission EUTM Mali zu beenden sowie jeweils einen Evaluierungsbericht dieser Einsätze vorzulegen. Nach fünf Jahren militärischer Unterstützung durch die Bundeswehr sei „entgegen anderslautender Auskünfte der Bundesregierung“ kein Fortschritt in dem Land erkennbar.
Die Sicherheitslage habe sich in dem Zeitraum sogar in einigen Regionen verschlechtert. Vor allem im Norden und im Zentrum Malis komme es immer wieder zu Anschlägen, bewaffneten Auseinandersetzungen und gewaltsamen Übergriffen.
„Aus dem militärischen Engagement in Mali droht ein mit dem in Afghanistan vergleichbarer Einsatz zu werden, der mit großen Gefahren für unsere Soldaten und mit hohen finanziellen Kosten einhergeht, dessen nachhaltiger Erfolg aber nicht erkennbar ist“, schreiben die Abgeordneten. Der Aufwand, den die Bundeswehr in Mali betreiben müsse, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum bisher Erreichten. Zudem würden durch die Einsätze in Mali Kräfte der Bundeswehr gebunden, die wiederum in der Landes- und Bündnisverteidigung fehlten. (ll/ahe/hau/29.05.2020)