2. Untersuchungsausschuss

Zeuge: Verkehrs­ministe­rium hat Rechnungshof nicht bewusst behindert

Langzeitbelichtung einer Autobahn

Der Untersuchungsausschuss setzte seine öffentliche Beweisaufnahme fort. (© picture alliance/Geisler-Fotopress)

Ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums hat Vorwürfe zurückgewiesen, das Ministerium habe den Bundesrechnungshof bei der Prüfung der Pkw-Maut bewusst behindert. Er teile den vom Bundesrechnungshof vorgetragenen Eindruck ausdrücklich nicht, das Verhalten des Ministeriums habe „an Arbeitsverweigerung gegrenzt“, sagte Referatsleiter Karsten Hansen-Reifenstein am Donnerstag, 14. Mai 2020, vor dem 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“).

Neben ihm wurden im Laufe der Sitzung noch zwei weitere Mitarbeiter des Verkehrsministeriums, die in leitender Funktion mit der PKW-Maut befasst waren, befragt: die ehemalige Leiterin des Maut-Referats, Karola Henke, sowie Rudolf Thurm, der bis zu seiner Pensionierung das Haushaltsreferat führte.

Koordinierende Funktion zu den Fachreferaten

Der Zeuge leitet das Referat, das im Bundesverkehrsministerium unter anderem für Angelegenheiten des Bundesrechnungshofs zuständig ist. Dabei habe das Referat eine koordinierende Funktion zu den Fachreferaten, erklärte Hansen-Reifenstein.

Grundsätzlich stehe dem Bundesrechnungshof für seine Prüfungen ein Raum zur Verfügung, der mit einem PC und einem Telefon ausgestattet sei. Vertreter des Bundesrechnungshofs hatten in einer früheren Sitzung des Untersuchungsausschusses kritisiert, es habe an der für die Prüfung nötigen technischen Infrastruktur gemangelt.

Streit um einen defekten Locher

Die Prüfer des Bundesrechnungshofs wüssten um die technischen Rahmenbedingungen, sagte der Referatsleiter in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung weiter. „Wenn sie mehr Räume brauchen, müssen Sie das sagen.“

Allerdings räumte der Zeuge ein, dass das Telefon anfangs nicht funktioniert habe und es Schwierigkeiten mit dem Zugang zum ministeriumsinternen Aktenverwaltungssystem gegeben habe. Zudem habe es zwischen einer Prüferin und einer Mitarbeiterin des Ministeriums Streit um einen defekten Locher gegeben. „Das“, sagte der Zeuge, „fand ich übertrieben.“

„Das führt manchmal zu Reibungsverlusten“

Grundsätzlich könne man zwar nicht sagen, dass das Verhältnis zwischen Bundesrechnungshof und Verkehrsministerium konfliktfrei sei. Ein gewisses Konfliktpotenzial liege aber in der Natur der Sache: „Wenn ein Ministerium ein herzliches Verhältnis zum Bundesrechnungshof hätte, würde einer etwas falsch machen.“

Auch seien nicht allen Mitarbeitern des Verkehrsministeriums die Rechte des Bundesrechnungshofs bekannt, sagte der Referatsleiter. „Das führt manchmal leider Gottes zu Reibungsverlusten.“

Stellungnahme zum Rechnungshofbericht

Breiten Raum in der Befragung nahm die im November 2019 verfasste Stellungnahme zum Entwurf des Berichts des Bundesrechnungshofs über die Pkw-Maut ein. Unterschrieben wurde diese Stellungnahme nach längerem Hin und Her nicht vom zuständigen Referat Z 21, sondern vom Abteilungsleiter. Er selbst habe gar nicht unterschreiben können, da er damals nach einer Operation im Krankenstand gewesen sei, sagte der Zeuge.

Er hätte es aber auch nicht getan, wenn er im Dienst gewesen wäre, da eine Stellungnahme von dieser Tragweite von einem politischen Beamten unterschrieben werden müsse. Das gelte umso mehr, als damals bereits absehbar gewesen sei, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden würde. Aus diesem Grund habe es auch eine Mitarbeiterin im Rang einer Oberamtsrätin abgelehnt, die Stellungnahme zu unterschreiben.

„Subjektive Eindrücke reichen nicht“

Im Übrigen erklärte der Zeuge, er sei im Vorfeld der Sitzung in keiner Weise von Vertretern des Ministeriums unter Druck gesetzt worden. Hintergrund der Bemerkung ist, dass im Ausschuss wiederholt die Frage aufgeworfen wurde, ob Erinnerungslücken von Mitarbeitern des Verkehrsministeriums darauf zurückzuführen seien, dass ihr Haus ihnen in Vorbereitungsgesprächen inhaltliche Vorgaben gemacht habe.

Der Ausschussvorsitzende Schiefner hatte dazu in der vorangegangenen Sitzung erklärt, „subjektive Eindrücke“ von Mitgliedern des Ausschusses reichten nicht, um Maßnahmen zu ergreifen. Beweise für eine Einflussnahme auf die Zeugen gebe es nicht.

Zeugin leitete von 2015 bis 2018 das Maut-Referat

Im weiteren Verlauf der Sitzung sagte die Zeugin Karola Henke, die Pkw-Maut sei vom zuständigen Referat wie jedes andere Projekt behandelt worden. Zwar habe die Infrastrukturabgabe politisch polarisiert; ihre Aufgabe als Beamtin sei es aber, jedes Projekt nach demselben Prozedere abzuarbeiten, erklärte sie.

Die Zeugin leitete von 2015 bis 2018 das Maut-Referat, das sich nicht nur mit der Pkw-Maut, sondern auch mit der Lkw-Maut befasste. Im November 2018, also kurz vor Abschluss des Betreibervertrags für die Pkw-Maut, wechselte sie innerhalb des Verkehrsministeriums in ein anderes Referat – nach eigenen Angaben ausschließlich aus persönlichen Gründen. Weil kurz zuvor bereits ein anderer wichtiger Mitarbeiter das Referat verlassen hatte, war dieses in einer für das Mautprojekt entscheidenden Phase führungslos. Dies sei intern nicht diskutiert worden, sagte die Zeugin.

Wechsel im Projektmanagement

Als wesentlichen Einschnitt bezeichnete Henke den Wechsel im Projektmanagement der Pkw-Maut von Ernst & Young (EY) zu Partnerschaft Deutschland (PD). Dies sei erforderlich geworden, da EY „völlige Berufsanfänger“ ins Ministerium geschickt habe, sodass die erhoffte Entlastung des Referats ausgeblieben sei. Interessenkonflikte, die ein früherer Zeuge als mutmaßlichen Grund für die Trennung von EY genannt hatte, hätten hingegen keine Rolle gespielt.

Kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Referat, am 17. August 2018, verfasste die Zeugin einen Vermerk für den damaligen Staatssekretär Dr. Gerhard Schulz, in dem sie auf vergaberechtliche Schwierigkeiten hinwies. Damals waren noch zwei Bieterkonsortien im Vergabeverfahren dabei. Falls ein weiterer Bieter aussteige, schrieb damals Henke, „würde der Wettbewerb vollständig zum Erliegen kommen“. Genau das passierte, als sich später auch T-Systems zurückzog, sodass nur noch die Bietergemeinschaft Paspagon (Kapsch TrafficCom/CTS Eventim) im Rennen blieb. 

Verhandlungen mit nur einem Bieter

Im selben Vermerk nannte die Referatsleiterin auch mögliche Handlungsoptionen, wobei sie eine denkbare Option – nämlich die Möglichkeit, mit nur einem Bieter weiterzuverhandeln – nicht aufführte. Auf wiederholte Nachfrage, warum sie diese Möglichkeit nicht genannt hatte, sagte sie: „Zum Zeitpunkt des Vermerks war das keine Handlungsoption.“ Auf eine weitere Nachfrage wiederholte sie: „Für mich persönlich war es keine Option.“ Letztlich entschied sich das Ministerium aber genau dafür, einzig mit dem letzten verbliebenen Bieterkonsortium zu verhandeln. 

Sie könne sich an keinen anderen Fall erinnern, in dem nur mit einem verbliebenen Bieter verhandelt worden sei, sagte Henke weiter. Sie teile auch die Einschätzung, dass es eine wesentliche Änderung der Mindestanforderungen bedeutet habe, als nach Abgabe des finalen Angebots durch das Bieterkonsortium beschlossen worden sei, dass dieses die Terminals der bundeseigenen Toll Collect GmbH mitnutzen dürfe. 

„2018 hielten wir das Projekt für europarechtskonform“

In Bezug auf das Risiko eines negativen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erklärte die Zeugin: „2018 hielten wir das Projekt für europarechtskonform.“ Spätestens nach dem Plädoyer des Generalanwalts im Februar 2019 „konnten wir uns völlig sicher sein, dass wir auf dem richtigen Weg waren“. Als der EuGH dann im Juni 2019 der Klage Österreichs gegen die Pkw-Maut stattgab, sei sie „völlig überrascht“ gewesen.

In Bezug auf die Entschädigungssumme im Fall einer Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen (wozu ein negatives EuGH-Urteil zählt) erklärte die Zeugin, ihres Wissens sei nie im Detail beziffert worden, wie hoch der für diesen Fall vereinbarte sogenannte Bruttounternehmenswert sei. 

Zeuge zur Entschädigung im Kündigungsfall

Zu haushaltsrechtlichen Fragen befragt wurde auch Rudolf Thurm, der bis Herbst 2017 das Haushaltsreferat des Bundesverkehrsministeriums leitete und dann in den Ruhestand ging.

In Bezug auf die im Betreibervertrag festgelegte Entschädigung für den Fall einer Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen sagte der Zeuge, ihm sei aus seiner Berufstätigkeit kein anderer Fall bekannt, in dem der Bund hundert Prozent des entsprechenden Risikos übernommen habe. (chb/15.05.2020)

Liste der geladenen Zeugen

  • Karsten Hansen-Reifenstein, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Karola Henke, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Rudolf Thurm, ehemals Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

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