Geschichte

Vor 30 Jahren: Erste gemeinsame Sitzung der Ausschüsse „Deutsche Einheit“

Drei Frauen sitzen nebeneinander auf einem Podium, davor ein Blumenstrauß.

Erste gemeinsame Sitzung der Ausschüsse „Deutsche Einheit“ der Abgeordneten der Volkskammer der DDR und der Abgeordneten des Deutschen Bundestages: von links Herta Däubler-Gmelin (SPD), stellvertretende SPD-Vorsitzende, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU/CSU) und Sabine Bergmann-Pohl (CDU), Präsidentin der Volkskammer und Staatsratsvorsitzende der DDR. (DBT/Hans-Günther Oed)

Nach der Friedlichen Revolution und den ersten freien Wahlen in der DDR tagten am Mittwoch, 23. Mai 1990, in Bonn erstmals Ausschüsse von Bundestag und Volkskammer gemeinsam. Die gleichnamigen Ausschüsse „Deutsche Einheit“ berieten über den deutsch-deutschen Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.

Einsetzung am 30. April vereinbart

Am 30. April 1990 hatten die Präsidien von Bundestag und Volkskammer auf ihrer ersten gemeinsamen Sitzung in Berlin vereinbart, je einen besonderen Parlamentsausschuss einzusetzen, der federführend den deutschen Einigungsprozess begleiten und mitgestalten sollte.

Die beiden Parlamentspräsidentinnen Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Präsidentin der Volkskammer der DDR, und Prof. Dr. Rita Süssmuth, Präsidentin des Deutschen Bundestages, einigten sich darauf jeweils gleich starke Ausschüsse in Ost und West zu bilden. Zudem übernahmen die Präsidentinnen den Vorsitz der Gremien.

Je 39 Abgeordnete tagten knapp fünf Monate

In knapp fünf Monaten berieten die mit jeweils 39 Volksvertretern besetzten Ausschüsse sowohl grundlegende Fragen als auch vertragliche Details zur bevorstehenden Wiedervereinigung. Zu den Mitgliedern des Volkskammer-Ausschusses gehörten unter anderem Dr. Günther Krause (CDU/DA), Dr. Reinhard Höppner (SPD), Dr. Gregor Gysi (PDS) und Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen). Im Ausschuss des Bundestages saßen unter anderem Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU), Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD), Dr. Otto Graf Lambsdorff (FDP) und Antje Vollmer (Die Grünen).

Als die Abgeordneten der 10. Volkskammer in Ost-Berlin und des 11. Deutschen Bundestages in Bonn im Mai 1990 die Beratungen in den gleichnamigen Ausschüssen „Deutsche Einheit“ begannen, standen die Regierungsverhandlungen des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bereits kurz vor dem Abschluss. Mit dem Vertrag sollte die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung, die Deutsche Mark als gemeinsame Währung und ein gemeinsames System der sozialen Sicherung in ganz Deutschland eingeführt werden.

„Den Erwartungen gerecht werden“

Zu Beginn der ersten gemeinsamen Beratungen des Volkskammer- und Bundestagsausschusses am 23. Mai 1990 betonte die Präsidentin des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Rita Süssmuth, beide Ausschüsse stünden vor der Aufgabe, den Erwartungen der Menschen in beiden Teilen Deutschlands auf dem Weg zur deutschen Einheit gerecht zu werden. Die Präsidentin der Volkskammer Dr. Sabine Bergmann-Pohl gab ganz persönlich der Hoffnung Ausdruck, dass in diesem Ausschuss konstruktiv gearbeitet und alles zu einem guten Ende gebracht werde.

An den gemeinsamen Beratungen der Ausschüsse nahmen aus der DDR insgesamt 44 Mitglieder und stellvertretende Mitglieder des Ausschusses teil. Als Regierungsvertreter war der Minister für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit Prof. Dr. Karl-Hermann Steinberg anwesend. Der Bundestagsausschuss war durch 50 Mitglieder und stellvertretende Mitglieder vertreten.

„Überrascht von der Dynamik der Ereignisse“

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl freute sich in seiner Begrüßungsrede, die Verwirklichung der Einheit Deutschlands erleben zu dürfen und nannte es eine glückliche Stunde. Gleichzeitig rief er zur Einhaltung des Zeitplans auf. Die Dynamik der Ereignisse habe auch ihn überrascht. Die Einhaltung des Zeitplans sei nun umso wichtiger. Diskussionsbereitschaft heiße nicht Neuverhandlung.

Im Vorfeld der gemeinsamen Sitzung hatten die Vertreter des Volkskammerausschusses vor allem die mangelnde Einbindung in die Verhandlungen beanstandet. Die Opposition im Bundestag hatte den straffen Zeitplan kritisiert. Die Vertreter der Regierungsparteien aus Ost und West verwiesen in der Beratung vor allem auf den Druck der Ereignisse, der ein schnelles Handeln erfordere. Der Staatsvertrag war nicht nur ein wesentlicher Schritt auf dem Schritt zur Wiedervereinigung, auch die anhaltende Massenabwanderung der DDR-Bürger in den Westen sollte damit eingedämmt werden.

Details des Staatsvertrags beraten

In getrennten Sitzungen beschäftigten sich die Abgeordneten mit den Details des Vertrages. Der Gesetzentwurf zum Staatsvertrag wurde zur Mitberatung an 19 Fachausschüsse des Bundestages überwiesen. In der Volkskammer gaben 23 mitberatende Ausschüsse ihr Votum ab. Am 21. Juni 1990 verabschiedeten ihn beide Parlamente jeweils mit großer Mehrheit.

Einen Tag zuvor hatten sich die Abgeordneten beider Ausschüsse in einer zweiten gemeinsamen Sitzung, dieses Mal in Ost-Berlin, auf einen Entschließungsentwurf zur Garantie der polnischen Westgrenze geeinigt. In der dritten gemeinsamen Sitzung befassten sich die Ausschussmitglieder mit den Details des Wahlvertrages, den die Regierungen am 3. August 1990 unterzeichneten und Volkskammer und Bundestag am 22. beziehungsweise 24. August ratifizierten.

Ausschüsse tagten auch während der Sommerpause

Die Ausschüsse „Deutsche Einheit“ tagten von Juli bis September 1990 auch während der parlamentarischen Sommerpause – auf der Agenda der Vertrag zur Vorbereitung und Durchführung der ersten gesamtdeutschen Wahl und der Einigungsvertrag. Mit dem Einigungsvertrag musste nach der wirtschaftlichen, sozialen und Währungseinheit nun auch der Übergang zu einer staatlichen Einheit gestaltet werden.

Beide Ausschüsse hielten bereits während der Regierungsverhandlungen intensiven Kontakt zu den Verhandlungsführern in Ost und West. Am 20. September 1990 verabschiedeten beide Parlamente mit großen Mehrheiten das Gesetz zum Einigungsvertrag. Die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl fand am 2. Dezember statt. (klz/15.05.2020)

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