Parlament

Ulla Schmidt: Euro-atlantische Integration der Ukraine befördern

Ein dunkelhaarige Frau lächelt in die Kamera.

Ulla Schmidt (SPD), stellvertretende Leiterin der Bundestagsdelegation zur Parlamentarischen Versammlung der Nato (Benno Kraehahn)

„Als Zeichen der Solidarität“ gegenüber der Ukraine wollten die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung der Nato (Nato PV) ihre Frühjahrstagung vom 22. bis 25. Mai 2020 in Kiew abhalten. Wegen der Corona-Pandemie musste das Treffen jedoch abgesagt werden. Dennoch werde die Versammlung „die besonderen Beziehungen zu dem Partnerland durch den Nato-Ukraine-Ausschuss sichtbar unterstützen“, betont die stellvertretende Leiterin der Delegation der Bundestagsabgeordneten zur Nato PV, Ulla Schmidt (SPD), im Interview. Die Tür der Allianz zu einer Mitgliedschaft stehe weiterhin für alle Demokratien in Europa offen. Dazu und zur gegenseitigen Hilfe der Mitgliedsländer in der Virus-Krise, zum Verteidigungsbeitrag Deutschlands und zur „gerechten und gleichen Behandlung von Frauen und Männern im Bündnis“  nimmt die SPD-Abgeordnete Stellung. Das Interview im Wortlaut:


Frau Schmidt, der Plan, die Nato-Tagung in Kiew stattfinden zu lassen, war auch als Geste des Bündnisses gegenüber der Ukraine gedacht. Wird es nun zeitnah an das Partnerland trotzdem ein Signal der Verbundenheit geben?

Ja, die Versammlung wäre sehr gerne der Einladung der ukrainischen Regierung gefolgt und hätte als Zeichen der Solidarität die Frühjahrstagung in Kiew abgehalten. Bedingt durch die Corona-Pandemie mussten die ukrainischen Partner kurzfristig die Frühjahrstagung absagen. Der Ständige Ausschuss wird demnächst einen Erklärungsentwurf zur Ukraine mit dem Titel „Die euro-atlantische Integration der Ukraine befördern“ annehmen. Auf der geplanten Herbsttagung in Athen soll die Erklärung dann von der Versammlung abschließend angenommen werden.

Welche Botschaft sendet die Nato damit?

Die Parlamentarische Versammlung fordert darin verstärkte Anstrengungen sowohl der Nato als auch der Ukraine, um die euro-atlantische Integration der Ukraine weiter zu befördern. Russland wird aufgefordert, die Annexion der Krim rückgängig zu machen, die Destabilisierung der Ost-Ukraine zu beenden und die Minsker Vereinbarungen umzusetzen.

Wie steht es überhaupt um die Partnerschaft und die Annäherung zwischen der Nato und der Ukraine?

Die Parlamentarische Versammlung unterstützt durch den Nato-Ukraine-Ausschuss sichtbar die besonderen Beziehungen zur Ukraine. Darüber hinaus steht die Versammlung weiterhin hinter der Politik der offenen Tür gegenüber allen europäischen Demokratien, die die gemeinsamen Werte der Allianz teilen. Im Übrigen handelt es sich dabei um eine alleinige Entscheidung der Nato-Mitgliedstaaten und dem Bewerberland ohne Einmischung Dritter. Bereits auf dem Gipfeltreffen der Nato in Bukarest im Jahre 2008 wurde festgehalten, dass die Ukraine Mitglied des Bündnisses werden kann. Als nächsten Schritt dahin muss Kiew jetzt den Mitglieds-Aktionsplan umsetzen.

Die Nato ist keine Katastrophenschutzbehörde  aber dennoch: Wie wird unter den Nato-Parlamentariern und im Bündnis die Herausforderung der Corona-Krise diskutiert? Inwiefern ist das ein Handlungsfeld für die Nato?

In der Tat ist es nicht die Aufgabe der Nato, die Corona-Krise zu bewältigen. Dennoch hat die Nato mit ihrem euro-atlantischen Katastrophen-Koordinierungszentrum (EADRCC) wichtige Hilfestellungen für die Mitgliedstaaten in den vergangenen Wochen bereitgestellt. Mit Hilfe von Militärflugzeugen wurde medizinische Gerätschaft schnell in die am stärksten betroffenen Regionen gebracht. 

Ist die Nato momentan genauso einsatzbereit wie vor der Pandemie?

Ja, ich habe keinen Zweifel daran, dass die Einsatzbereitschaft des Bündnisses weiterhin gegeben ist.

Behalten Sie das Zwei-Prozent-Ziel im Blick, wonach der jährliche Verteidigungshaushalt eine Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen soll – auch wenn jetzt durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise die finanziellen Spielräume enger werden?

Die Bundesrepublik wird weiterhin ihren Verpflichtungen im Bündnis nachkommen. Dazu gehören die wesentlichen Beteiligungen mit Truppen an den verschiedenen Nato-Missionen, nicht nur in Afghanistan, aber auch die von der Bundesregierung beschlossenen Erhöhungen im Verteidigungsbereich in den kommenden Jahren. Deutschlands Engagement in der Nato ist bereits sehr breit. So ist Deutschland der zweitgrößte Nettozahler und gehört zu den größten Truppenstellern im Bündnis.

Die Stärkung der Rolle von Frauen in der Sicherheitspolitik ist ein zentrales Anliegen der deutschen Außenpolitik. Die Vereinten Nationen haben vor 20 Jahren die Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ verabschiedet. Sie sind in der Nato PV Berichterstatterin zu dem Thema und werden demnächst ihren Bericht vorstellen. Haben sich die Nato-Mitglieder das Thema zu eigen gemacht?

Dies ist mein zweiter Bericht zu dem Thema im Rahmen der Parlamentarische Versammlung. Er zeigt sehr deutlich, dass sich die PV und ihre Mitglieder nachhaltig für eine Stärkung der Rolle und Teilhabe von Frauen im Bereich Frieden und Sicherheit engagieren. Die PV bietet ein Forum, in dem sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier über Erfahrungen und bewährte Verfahren austauschen können, wie die Umsetzung der Resolution 1325 überwacht und mitgestaltet werden kann. Für die Nato sind die in diesem Bereich aufgestellten Grundsätze fester Bestandteil der gemeinsamen Bündniswerte Freiheit des Einzelnen, Demokratie und Menschenrechte. Die Nato, ihre Verbündeten und ihre Partnerstaaten halten die Einbeziehung von Frauen und die Einbeziehung geschlechtsspezifischer Aspekte in die drei Kernaufgaben des Bündnisses, nämlich kollektive Verteidigung, Krisenbewältigung und kooperative Sicherheit, für unverzichtbar, um sowohl in der Heimat als auch jenseits unserer Grenzen einen tragfähigen Frieden und dauerhafte Sicherheit zu gewährleisten.

Wie ist der Stand bei der Umsetzung?

Das Bündnis hat deshalb entschiedene Maßnahmen ergriffen, um geschlechtsspezifische Aspekte in ihre Strategien, Programme und Projekte konsequent zu integrieren, die stärkere Präsenz von Frauen bei der Nato und in den nationalen Streitkräften gefördert und Maßnahmen der verstärkten Rechenschaftspflicht beschlossen, um eine gerechte und gleiche Behandlung von Frauen und Männern im Bündnis sicherzustellen. Es wurde ein solider institutioneller Rahmen geschaffen, um die Umsetzung der Resolution in der gesamten Struktur des Bündnisses zu unterstützen.

(ll/22.05.2020)

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