Kinderkommission

Experten skiz­zieren We­ge für Jugend­parti­zipation in digi­talen Me­dien

Zwei jugendliche Mädchen mit schwarzen Haaren sitzen am Straßenrand und blicken gemeinsam auf den Bildschirm eines Handys

Die Kinderkommission beriet über „Partizipation von Kindern und Jugendlichen“. (© picture alliance/Hollandse Hoogte)

Einer Generation einfach das Etikett der „digital natives“ zu verpassen, sei kein Selbstläufer, waren sich die Sachverständigen in dem öffentlichen Expertengespräch der Kinderkommission (Kiko) am Mittwoch, 27. Mai 2020, einig. 

Entscheidend für eine erfolgreiche und sichere Nutzung der digitalen Medien und auch für ein Mehr an Partizipation, angeregt durch die Onlineangebote, sei, wie man sich in den sozialen Netzwerken und Plattformen bewege. Dazu komme dem Lernraum Schule nach wie vor die höchste Bedeutung zu, da nur er alle Kinder und Jugendlichen erreiche. 

Maßnahmen zum Kinderschutz

Wie sich die gesellschaftliche und politische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mithilfe der digitalen Medien ausbauen lässt, darum ging es in der Sitzung unter dem Titel „Partizipation von Kindern und Jugendlichen  Welche Rolle spielen digitale Medien und soziale Netzwerke für die Partizipation?“ unter der Leitung von Matthias Seestern-Pauly (FDP) mit Sachverständigen aus der Digitalwirtschaft und Jugendforschung.

Über ihre Maßnahmen zum Kinderschutz und spezielle Angebote für Kinder informierten aus der Perspektive der Angebotsseite der Digitalwirtschaft Sabine Frank, Head of Government Affairs and Public Policy beim Videoportal Youtube, und Anika Lampe, Public Policy and Government Relations Senior Analyst bei der Internet-Suchmaschine Google.

Familienkonten bei Youtube Kids

Frank erläuterte die Elterneinstellungen bei der Kinderplattform von Youtube, genannt Youtube Kids, wo die Erziehungsberechtigten die Nutzung von in Familienkontos eingebettete Accounts ihrer minderjährigen Kinder voreinstellen können, indem bestimmte Inhalte erlaubt, blockiert, oder Nutzungszeiten individuell festgelegt werden können. 

Sie legte dar, wie anstößige oder strafrechtlich relevante Inhalte entfernt werden oder aber verlässliche Inhalte gefördert und bei der Suche priorisiert werden. Youtube selbst verwende große Energie darauf, unzulässigen von erlaubtem und wertvollem Content zu trennen, zu kennzeichnen und unerlaubte Inhalte aus seinen Angeboten zu verbannen.

Dabei wirkten Maschine und Mensch nahtlos zusammen, von einem Programm herausgefilterte Inhalte würden stets noch einer händischen Überprüfung durch Mitarbeiter unterzogen. Die Hausregeln gingen dabei mit den gesetzgeberischen Vorgaben Hand in Hand.

Youtube in Zeiten von ,fake news‘ 

Die Entscheidung, welche Inhalte entfernt werden sollen, gehöre zu den schwierigsten Bereichen des Unternehmens. Youtube verstehe sich sich als offene Plattform, aber das bedeute eben noch lange nicht, dass alle Inhalte zulässig seien und erscheinen könnten, so Frank. 

Gerade in einer Zeit von ,Fake News‘ und Verschwörungstheorien sei es wichtig, dass die auf der wichtigsten Videoplattform der Welt angebotenen Beiträge seriös und rechtsfest seien.

Indem man seriöse Anbieter priorisiere und markiere, „borderline content“ (grenzwertige Inhalte) auf die unteren Plätze verweise und strafbare Inhalte aussortiere, habe man bereits beträchtliche Veränderungen bei Wiedergabezeiten und Zugriffszahlen bewirken können, weg vom Zweifelhaften und Illegalen, hin zu Qualitätscontent und bildungsorientierten Filmen und Kanälen.

Google: Angebote für politische Beteiligung 

Auch Google setze sich mit seinen Produkten für alle Altersgruppen dafür ein, Familien zu einer kompetenten Mediennutzung zu befähigen und vor allem die Kinder zu schützten, sagte Lampe. Außerdem habe man Angebote, um die gesellschaftliche und politische Beteiligung zu fördern. Dabei arbeite man mit einer Fülle von Partnern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik, vor allem auch auf der Ebene lokaler, kommunaler Strukturen, zusammen.

Als Internetanbieter sehe man vor allem die Potenziale, die die sozialen Medien Kindern und Jugendlichen böten, und sie dabei unterstützten sich einzubringen und die Welt mitzugestalten. Man wolle helfen, dass sie dabei eine sichere und positive Erfahrung machen und verstehe sich als Partner sowohl bei Innovationen als auch beim Thema Sicherheit.

Medienpädagogische Zusammenarbeit mit Schulen

Für Eltern und Lehrer stelle man Hilfen und Tipps zur Verfügung, um die Medienkompetenz der Erziehungsberechtigten wie der Kinder und Jugendlichen zu verbessern, von digitalen Grundregeln über das Verständnis der Medien bis hin zu deren eigener Gestaltung. 

Man habe eine sehr erfolgreiche medienpädagogische Zusammenarbeit mit Schulen begonnen und sei von der Nachfrage nach gemeinsamen Workshops geradezu überrollt worden. 

Eltern-Accounts bei Google

Auch mit den staatlichen Akteuren und der Politik wolle man in engem Dialog bleiben, wenn es darum gehe, Dienste und Richtlinien zu verbessern, so Lampe, und warb wie ihre Kollegin für einen noch engeren Austausch zwischen den Internetfirmen und der Politik. 

Sie stellte das Angebot Family Link von Google vor, das Kindern und Jugendlichen einen Zugang zum Internet im Rahmen eines mit dem Eltern-Account verknüpften Kontos biete. 

Eltern hätten dabei die Möglichkeit, im Browser Einstellungen vorzunehmen, und beispielsweise Altersblocker oder intelligente Filter zu aktivieren und Käufe nur mit Genehmigung der Eltern zuzulassen. Ebenso ließen sich Zeitlimits festlegen oder Sperren für bestimmte Tageszeiten. 

Strenge Regeln für Anbieter

Bei Google Play Store würden familien- und kinderfreundliche Inhalte hervorgehoben. Man arbeite daran Google insgesamt kinderfreundlich auszugestalten. 

Strenge Regeln und einen Kontrollmechanismus gebe es nicht nur auf Seiten der Nutzer und bei den Plattformbetreibern und Suchmaschinen selbst, sondern auch für die Anbieter von Inhalten. So müsse jeder Anbieter für den Upload einer App einen detaillierten und extern entwickelten Fragebogen ausfüllen. Anstößige Inhalte könnten auch bei der Google-Suche an mehreren Stellen entdeckt und blockiert werden. Sie würden entweder bereits automatisch herausgefiltert, oder könnten durch Nutzer gemeldet werden. 

„Aufmerksamkeitswettlauf“ um das Smartphone

Einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu dem Thema digitale Medien und Partizipation gab Dr. Thorsten Naab, Wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Jugendinstitut. Er warb dafür, dass man im Familienkontext nicht früh genug damit beginnen könne, Kindern Medienkompetenz zu vermitteln. 

Eltern müssten bereits vor der Geburt ihrer Kinder ihr Medienverhalten überprüfen und anpassen. Schließlich habe man von der ersten Minute eine Vorbildfunktion. Eltern würden allerdings vielfach nicht als gute Treuhänder ihrer Schutzbefohlenen auftreten und seien trotz der weitreichenden technischen Hilfen sowohl als Vorbilder wie auch als Wissensvermittler und kompetente Ansprechpartner überfordert. So drohe ein „Aufmerksamkeitswettlauf“ um das ständig im Familienmittelpunkt präsente Smartphone

Ein sicherer Umgang mit den sozialen Medien

So groß die Bedeutung der sozialen Medien für junge Leute auch sei, so sehr bestehe allerdings nur ein geringer Zusammenhang zwischen deren Internetnutzung und politischer Partizipation. In der digitalen spiegele sich die reale Welt: Die bereits Interessierten mehrten ihr Wissen durch die sozialen Medien und engagierten sich. 

Bildungsangebote fielen vor allem bei denjenigen auf fruchtbaren Boden, die ohnehin interessiert seien, während man bildungsferne Haushalte nicht erreiche. Dennoch gelte es, die Medienbildung auszubauen. Ein sicherer Umgang mit den sozialen Medien lasse sich nicht einfach durch mehr Informatikunterricht lösen. 

Das „Beteiligungs-Feigenblatt“

Naab mahnte zudem, die Motivation zu hinterfragen, die der Förderung von Partizipation mittels digitaler Angebote zugrunde liege. So gehe es vielen Initiativen darum, junge Leute als Wirtschaftsfaktor zu umwerben oder für parteipolitische Interessen einzuspannen – und leider weniger um die ureigenen Interessen der Kinder. 

Es reiche auch nicht aus, den Kindern lediglich – gleichsam als „Beteiligungs-Feigenblatt“ – bestimmte Bereiche zur Mitsprache zu öffnen, wie etwa ein Mitmach-Forum über die Gestaltung von Spielplätzen, und sie bei anderen für sie wichtigen Themen wie Klimaschutz oder der Frage der Gestaltung von Verkehrsflächen oder Schulschließungen außen vor zu lassen.

Genauso wichtig sei, Transparenz darüber herzustellen, inwieweit die Partizipation von Kindern und Jugendlichen schließlich in den politischen Entscheidungsprozess eingeflossen sei. Die jungen Leute gingen nicht davon aus, dass ihre Meinung eins zu eins umgesetzt werde, aber sie wollten wissen, dass sie bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden seien und welche Konsequenzen ihre Beteiligung habe. (ll/28.05.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Sabine Frank, Head of Government Affairs and Public Policy DACH/CEE, YouTube
  • Anika Lampe, Public Policy and Government Relations Senior Analyst, Google
  • Dr. Thorsten Naab, Wissenschaftlicher Referent, Deutsches Jugendinstitut

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