Lob und Kritik für das Deutsche Institut für Menschenrechte
Ein Gespräch mit Vertretern des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin stand am Mittwoch, 27. Mai 2020, im Mittelpunkt einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter Leitung von Gyde Jensen (FDP). Dazu lagen der Jahresbericht 2018 (19/15830) und der Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 des Deutschen Instituts für Menschenrechte (19/15829) vor.
Die Rechte der Schwächsten
Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Institut für Menschenrechte, betonte in ihrem Eingangsstatement die Bedeutung von Menschenrechtsfragen. Der Umgang mit der Corona-Pandemie zeige „wie in einem Brennglas, was die Menschenrechte ausmacht“. Jeder Mensch habe die gleiche Würde und die gleichen Menschenrechte. Der Staat müsse daher Menschenrechte aller achten und schützen. Ganz besonders gelte dies für die Rechte der Schwächsten, betonte Rudolf.
Dieser Grundsatz habe das Institut auch bei der Auswahl der thematischen Schwerpunkte für den Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 geleitet. Die darin unter anderem beleuchtete Situation wohnungsloser Menschen habe sich angesichts der Corona-Situation weiter verschärft, so die DIMR-Leiterin.
Wohnungslose in der Pandemie schützen
Wohnungslose hätten keine Möglichkeit, sich in ihre eigenen „vier Wände“ zurückzuziehen, sie hätten auch nur unzureichenden Zugang zu Duschen oder Toiletten. In Wohnungsunterkünften lebten Menschen zudem auf allerengstem Raum. Auch schon vor Corona seien die „minimalen Wohn- und Versorgungstandards“ bei der ordnungsrechtlichen Unterbringung als „grund- und menschenrechtlich nicht ausreichend“ gewesen.
Wie schon der Bericht des DIMR mahnte Rudolf daher die Entwicklung von Standards der ordnungsrechtlichen Unterbringung durch Bund und Länder an. Außerdem müsse der Zugang zu Unterkünften und Beratungsangeboten verbessert werden. Angesichts der aktuellen Situation sei es von zentraler Bedeutung, dass nicht noch mehr Menschen wohnungslos würden, appellierte Rudolf. „Die Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung müssen auch darauf ausgerichtet sein, Wohnungslosigkeit zu vermeiden und Wohnungslose zu beschützen.“
Strategieplanung des DIMR
Im Rahmen seiner Erklärung zum Jahresbericht 2018 stellte der stellvertretende Direktor, Michael Windfuhr, die neue Strategieplanung des Instituts für die kommenden Jahre bis 2023 vor. Das DIMR werde sich danach künftig verstärkt drei Herausforderungen stellen. Dabei handele es sich zum einen um das Thema „Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ durch Ungleichheit, Gewalt oder Hassrede, zum anderen um die Themen Klimawandel und Digitalisierung. Als drittes Thema werde sich das Institut mit Fragen von Menschenrechten und staatlicher Garantien beschäftigen.
In der anschließenden Diskussion über die Berichte äußerte Prof. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Zweifel, ob es richtig sei, „soziale Ungleichheit zu einem Menschenrechtsthema zu machen“. Zimmer warnte, es bestünde die Gefahr, dass die Menschenrechte „zur kleinen Münzen“ verkommen: „Nicht jede Verletzung von Fairness ist eine Menschenrechtsverletzung“, so der CDU-Abgeordnete. Er riet dem Menschenrechtsinstitut zu mehr „Vorsicht“. Das DMRI sei nie als „Obersozialinspektion“ geplant gewesen.
AfD äußert grundsätzliche Kritik
Hier schloss Jürgen Braun (AfD) seine noch grundsätzlichere Kritik an der Arbeit des Instituts an. Es sei eine „ideologische Einrichtung“, die statt der Untersuchung realer Missstände „Framing“ und „Meinungsbeeinflussung“ betreibe, warf Braun dem DIMR vor. Entsprechend tendenziös sei auch dessen Themenauswahl, sagte Braun und verwies darauf, dass sich das Institut künftig mit dem Phänomen der Hassrede beschäftigen wolle. „Dieser Begriff wird von Diktaturen oder Menschen, die die Meinungsfreiheit einschränken wollen benutzt, um kritische Meinungen auszuschalten.“
Solchen Vorwürfen traten Abgeordnete von SPD, Grünen und Linksfraktion vehement entgegen. So stellte Frank Schwabe (SPD) klar, dass es bei Hassreden um die Herabsetzung und Verunglimpfung von bestimmten Menschen gehe. Die Meinungsfreiheit stoße an Grenzen, wenn verfassungsgemäße Normen des Strafrechts und des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes verletzt würden.
Nicht nur politische Menschenrechte
Margarete Bause (Bündnis 90/Die Grünen) verurteilte den „Frontalangriff“ der AfD auf das Institut. Man könne „froh“ sein, dass es ein solch „engagiertes“ Institut für Menschenrechte in Deutschland gebe. Dass es sich mit seiner Arbeit „nicht immer nur Freunde mache“, sei klar: „Sie legen den Finger in die Wunde und weisen auf Missstände hin.“
Zur Kritik an der Beschäftigung des Menschenrechtsinstituts mit Themen wie „sozialer Ungleichheit“ wandten Bause und auch Zaklin Nastic (Die Linke) ein, dass es nicht nur politische Menschenrechte gebe, sondern auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle. Und hier sehe nicht nur das DIMR „Leerstellen“ bei der Verwirklichung einiger Rechte, betonte Nastic, sondern auch die Vereinten Nationen.
Gerade im Bereich der Kinderrechte, der Pflege von Älteren und der Umsetzung des Rechts auf Wohnen habe der Fachausschuss zum VN-Sozialpakt in seinem jüngsten Bericht deutliche Mängel gemeldet.
Jahresbericht 2018
Wie aus dem Jahresbericht 2018 (19/15830) hervorgeht, hat sich das Institut mit der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt, einer menschenrechtskonformen Gestaltung von Zuwanderung und der Umsetzung des Rechts auf selbstbestimmte Mobilität für Menschen mit Behinderungen schwerpunktmäßig befasst. Zum einen begleitet es den Prozess zur Umsetzung des „Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ (Istanbul-Konvention), zum anderen die menschenrechtskonforme Ausgestaltung des im Dezember 2018 verabschiedeten UN-Migrationspakts.
Die im Institut angesiedelte Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention erarbeitete zudem Empfehlungen für Bund und Länder, um das Recht auf selbstbestimmte Mobilität zu verwirklichen. Weitere Aufgaben waren die Entwicklung von Kinderrechte-Indikatoren zur Überwachung des Umsetzungsstands der UN-Kinderrechtekonvention sowie die Überarbeitung des vom Europarat herausgegebenen aktuellen KOMPASS-Handbuchs zur Menschenrechtsbildung von Jugendlichen.
Entwicklung der Menschenrechtssituation
Wohnungslosigkeit und die Unterbringung von wohnungslosen Menschen durch die Kommunen war eines der Themenfelder, das das Institut in seinem aktuellen Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland im Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 beleuchtet (19/15829). Damit werde ein menschenrechtliches Handlungsfeld aufgegriffen, das in der öffentlichen Debatte bisher „nicht hinreichend wahrgenommen“ werde, heißt in dem Bericht.
So moniert das Menschenrechtsinstitut unter anderem die „minimalen Wohn- und Versorgungstandards“ bei der ordnungsrechtlichen Unterbringung von „unfreiwillig Wohnungslosen“ als „grund- und menschenrechtlich nicht ausreichend“. Hintergrund ist, dass die „ursprünglich nur als Notlösung und kurzfristige Maßnahme gedachte Unterbringung“ zunehmend zu einer langfristigen werde, heißt es im Bericht. Rund ein Drittel der untergebrachten Wohnungslosen lebten dort länger als zwei Jahre. Hier sollten, so die Autoren, Bund und Länder Empfehlungen für Mindeststandards entwickeln. Die Verbesserung der ordnungsrechtlichen Unterbringung sei aber nur „ein Baustein“, heißt es weiter, um die Lebensbedingungen von wohnungslosen Menschen menschenrechtskonform zu gestalten. „Ziel staatlichen Handelns sollte es in erster Linie sein, Wohnungslosigkeit zu vermeiden beziehungsweise sie zu überwinden.“ (sas/28.05.2020)