Besseren Arbeits- und Tierschutz in der Fleischbranche debattiert
Über die Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche hat der Bundestag am Donnerstag, 2. Juli 2020 debattiert. Den Abgeordneten lagen dazu Anträge der Fraktion Die Linke „Arbeitnehmerrechte sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Fleischindustrie durchsetzen“ (19/20189) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Faire Arbeitsbedingungen und angemessener Gesundheitsschutz für Beschäftigte in der Fleischbranche und Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft“ (19/19551) vor. Die Anträge wurden im Anschluss zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Linke fordert mehr Kontrollen und härtere Sanktionen
Jutta Krellmann (Die Linke) betonte, die Zustände in den Schlachthöfen seien lange bekannt und „durch konsequentes Handeln wäre die Katastrophe vermeidbar gewesen“. Man dürfe Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz nicht allein den Arbeitgebern überlassen, dies führe nur zu dieser Art der Ausbeutung.
Sie forderte, endlich flächendeckende Kontrollen und härtere Sanktionen bei Verstößen gegen Arbeitsschutzregeln einzuführen.
NRW-Arbeitsminister: Organisierte Verantwortungslosigkeit
Karl-Josef Laumann (CDU), Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen (NRW), bezeichnete die Vorgänge in den Fleischfabriken als „organisierte Verantwortungslosigkeit“.
Mit Hilfe von Werkverträgen hätten es die Unternehmen geschafft, jegliche Form der betrieblichen Mitbestimmung abzuschaffen. „Wer da von Einzelfällen redet, der verkennt die Realität der Branche“, sagte Laumann.
Regierung: Verbot von Werkverträgen geplant
Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens aufkommen, Werkverträge und Leiharbeit im Kernbereich der Fleischwirtschaft verbieten zu wollen.
„Ich werde mich nicht davon abbringen lassen. Wichtig ist, dass dieses Parlament jetzt gemeinschaftlich handelt und dafür stehe ich als Minister“, betonte Heil.
AfD kritisiert Zustände in deutschen Schlachthöfen
Jürgen Pohl (AfD) bezeichnete die Zustände in deutschen Schlachthöfen als „Rückschritt in die Zeit des Frühkapitalismus“. Allerdings seien diese keineswegs neu, aber Union und SPD hätten es in ihren langen Regierungsjahren nicht geschafft, daran etwas zu ändern, lautete sein Vorwurf.
Die Hälfte der in Deutschland geschlachteten Schweine werde aus dem Ausland zum Schlachten hierher gebracht, weil Dumpingpreise dies möglich machten, kritisierte er.
FDP: Tarifpartner sollen Lösung finden
Carl-Julius Cronenberg (FDP) forderte, alle in Deutschland Beschäftigten müssten sich darauf verlassen können, die gleichen Standards genießen zu können, egal, aus welchem Land sie stammten.
Er sprach sich jedoch dagegen aus, Werkverträge gesetzlich zu verbieten und außerdem, sie mit Leiharbeitsverhältnissen auf eine Stufe zu stellen. Stattdessen sollten die Tarifpartner entsprechende Lösungen aushandeln, „das geht schneller“, sagte Cronenberg.
Grüne warnen vor Widerstand der Lobby
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, wie es sein könne, dass sich eine Regierungspartei seit 15 Jahren nicht gegen den Widerstand der Lobby aus der Fleischindustrie durchsetzen könne.
„Wenn Tönnies jetzt ankündigt, auf Werkverträge verzichten zu wollen, dann ist das ein durchsichtiges Manöver, um gesetzliche Regelungen zu verhindern“, warnte sie.
CDU/CSU: Werkverträge zerstören reguläre Arbeitsverhältnisse
Uwe Schummer (CDU/CSU) verwies darauf, dass Schlachtbetriebe mit fest angestellten Mitarbeitern kaum Auffälligkeiten zeigten. „Wir erkennen heute, wir zahlen einen hohen Preis für billiges Fleisch“, sagte er. Schlachtbetriebe würden von Subunternehmern regelrecht umworben, regulär Beschäftigte zu entlassen und auf Werkverträge zu setzen.
„So erodiert die klassische Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Deshalb zerstören Werkverträge das reguläre, legale und abgesicherte Arbeitsverhältnis“, sagte Schummer.
SPD-Fraktion fordert mehr Kontrollen
Katja Mast (SPD) betonte, nötig seien jetzt neben dem Verbot von Werkverträgen auch bessere Kontrollmöglichkeiten und eine digitale Arbeitszeiterfassung.
„Wir brauchen keine Lifestyle-Debatten darüber, dass Schnitzel nur teurer werden müsse und dann sei es schon gut in der Landwirtschaft. Nein, wir müssen gesetzlich regeln“, sagte sie.
Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/20189) bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Gesundheitsschutz in der Fleischindustrie. „Extrem lange Arbeitszeiten, Akkordarbeit auf engstem Raum, fehlende Pausen sowie unhygienische Sammelunterkünfte zu überhöhten Mieten sind auch sonst unerträglich.
In Pandemiezeiten jedoch stellen diese Bedingungen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar und begünstigen die Ausbreitung des Coronavirus“, schreiben die Abgeordneten unter Verweis auf die jüngsten Corona-Ausbrüche in deutschen Schlachthöfen.
Nur noch Betriebsangehörige sollen schlachten
Die Linke verlangt unter anderem, dass das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch ab Januar 2021 nur noch durch Beschäftigte des eigenen Betriebes erlaubt sein soll und damit Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung in diesem Bereich verboten werden sollen. Außerdem solle über eine stärkere betriebliche Mitbestimmung erreicht werden, die Interessen der Beschäftigten besser zu vertreten.
Ferner sollen die Tarifvertragsparteien in der Fleischbranche darin unterstützt werden, eine bundesweit tragfähige Tarifstruktur zu schaffen und einen brancheneinheitlichen Tarifvertrag im Anschluss für allgemeinverbindlich zu erklären. Im Hinblick auf den Arbeitsschutz sollen alle im Betrieb eines Arbeitgebers tätigen Personen als Beschäftigte gelten, also vor allem auch Werkvertragsbeschäftigte, fordert Die Linke.
Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringt darauf, „den Gesundheitsschutz jetzt in der Corona-Pandemie für die Beschäftigten in der Fleischbranche und für die Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft unverzüglich sicherzustellen“. Dazu sollen nach ihrem Willen die örtlichen Gesundheitsämter vor der Einreise die Hygienepläne der Arbeitgeber überprüfen und den Gesundheitscheck an den Flughäfen durchführen.
Auch fordert sie in ihrem Antrag, dass das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz und auf Wegen von und zum Arbeitsplatz nach den Standards des Robert-Koch-Instituts weitestgehend minimiert wird und die Beschäftigten regelmäßig auf Covid-19 getestet werden. Ferner soll es in Unterkünften, die vom Arbeitgeber gestellt oder vermittelt werden, keine Mehrfachbelegung von Zimmern geben dürfen, „außer es handelt sich dabei um Familien und Paare“.
„Angemessene“ Standards für Unterkünfte
Des Weiteren wird die Bundesregierung in den Antrag aufgefordert, den Arbeits- und Gesundheitsschutz grundsätzlich zu verbessern, indem etwa eine Generalunternehmerhaftung für den Arbeitsschutz eingeführt wird und „angemessene“ Standards für vom Arbeitgeber gestellte oder vermittelte Unterkünfte verbindlich gemacht werden.
Auch soll die Bundesregierung laut Vorlage unter anderem „Werkverträge im Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit, das heißt für das Schlachten und Zerlegen in Schlachtunternehmen“ verbieten und diese Tätigkeiten nur noch von Beschäftigten des eigenen Betriebes zulassen. Gleiches solle bei der Saisonarbeit in der Landwirtschaft gelten. (che/sto/hau/vst/02.07.2020)