2. Untersuchungsausschuss

Beden­ken beim Kraft­fahrt-Bundes­amt gegen Pkw-Maut-Betrei­ber­vertrag

Hinweisschild zum Kraftfahrt-Bundesamt

Der 2. Untersuchungsausschuss vernahm drei Zeugen.. (dpa)

Beim Kraftfahrt-Bundesamt gab es Bedenken gegen den Betreibervertrag für die Erhebung der Pkw-Maut. Dies wurde am Donnerstag, 2. Juli 2020, bei der Befragung eines leitenden Mitarbeiters des Kraftfahrt-Bundesamtes im 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) deutlich.

„Es gab in dieser Phase keinen Blick auf uns“

Die am 1. April 2019 vorgelegte Feinplanungsdokumentation des Betreiberkonsortiums Autoticket (Kapsch TrafficCom/CTS Eventim) sei „leider nicht zu unserer Zufriedenheit“ gewesen, sagte Götz Blumenberg in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung. Blumenberg war ab März 2015 Projektleiter für Großprojekte beim Kraftfahrbundesamt und damit auch für das Projekt Pkw-Maut zuständig. Worin die Unzufriedenheit bestand, wollte der Zeuge nur in nichtöffentlicher Sitzung erläutern.

Schon zuvor hatte das Kraftfahrt-Bundesamt offene Fragen. Zwar habe es in der Behörde bis ungefähr Mitte 2018 keinen Zweifel an den Abläufen gegeben, sagte der Zeuge. Nach Einreichen des finalen Angebots durch das Bieterkonsortium im Verfahren „Erhebung“ am 17. Oktober 2018 sei das Kraftfahrt-Bundesamt aber nicht an den Gesprächen mit dem Konsortium beteiligt worden. Es wäre „normal“ gewesen, bei diesen Gesprächen dabei zu sein, räumte Blumenberg ein. Als Erklärung dafür, dass das nicht der Fall war, nannte er die Vermutung, „dass es in dieser Phase keinen Blick auf uns gab“. Das Mautreferat im Bundesverkehrsministerium war Ende 2018 quasi führungslos, nachdem zwei leitende Mitarbeiter ausgeschieden waren.

„Haftungsrisiken wurden auf den Bund ausgelagert“

Kritisch beurteilte der Zeuge auch die Art und Weise, wie die bundeseigene Toll Collect GmbH in das Projekt Pkw-Maut einbezogen wurde. Es sei zwar zulässig gewesen, Toll Collect als Unterauftragnehmer zu verpflichten. In bestimmten Bereichen seien mit den Betreibern aber Leistungskennzahlen vereinbart worden, die Toll Collect gar nicht habe einhalten können. Die entsprechenden Haftungsrisiken seien auf den Bund ausgelagert worden. „Das war für uns sehr ungewöhnlich“, sagte der Zeuge.

Grundsätzlich sei es das Ziel des Kraftfahrt-Bundesamtes gewesen, „unserer Fach- und Rechtsaufsicht nachkommen zu können“ und den Betreiber zu überwachen. Allerdings hätten noch im November 2018 und damit kurz vor der notariellen Beurkundung des Betreibervertrags am 30. Dezember dem Kraftfahrt-Bundesamt die Vertragsunterlagen „nicht in Gänze“ vorgelegen, sodass eine vollständige Prüfung nicht möglich gewesen sei. „Aus unserer fachlichen Sicht“, sagte der Zeuge, „haben sich Fragestellungen ergeben, die wir zu dem Zeitpunkt nicht klären konnten.“

„Hinter dem vertraglich Vereinbarten zurückgeblieben“

Nur mit großen Bedenken hat der damalige Präsident des Kraftfahrt-Bundesamtes, Ekhard Zinke, die Zustimmungsvereinbarung für die Einbindung von Toll Collect in die Erhebung der Pkw-Maut unterschrieben. Er habe den Unterauftragnehmervertrag für „vergaberechtlich nicht unbedenklich“ gehalten, sagte er während der Sitzung. Zinke war bis Januar dieses Jahres Präsident des Kraftfahrt-Bundesamtes.

Er sei zwar kein Vergabeexperte, sagte der Jurist, aber er habe es für problematisch gehalten, dass ein nicht unwesentlicher Leistungserbringungspunkt nachträglich verändert worden sei. Das Bieterkonsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim verpflichtete nämlich nachträglich die bundeseigene Toll Collect GmbH als Unterauftragnehmerin, um deren Zahlstellenterminals für die Erhebung der Pkw-Maut zu nutzen. Damit sei das Konsortium hinter dem vertraglich Vereinbarten zurückgeblieben, ohne dass erkennbar gewesen sei, ob der Reduktion des Leistungsumfangs eine Honoraranpassung entsprochen habe, sagte der ehemalige Spitzenbeamte.

„Ich habe mich sehr schwer getan damit“

Seine Bedenken äußerte Zinke im Mai 2019 in einem Brief an das Bundesverkehrsministerium. Er sehe sich nicht in der Lage, die Zustimmungsvereinbarung zu unterschreiben, erklärte er darin. Im Antwortschreiben äußerte ein Vertreter des Ministeriums die Bitte, die Unterschrift trotzdem zu leisten. Damit, erläuterte Zinke, habe er sich in der Lage gesehen, „den Vertrag zu unterschreiben, weil ich mich frei wähnte von persönlicher Verantwortung“.

Es habe sich dabei um einen „echten Remonstrationsfall“ gehandelt. Die Remonstrationspflicht bezeichnet die Pflicht eines Beamten, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei den Vorgesetzten geltend zu machen. Bestätigen diese die Weisung, muss der Beamte die Weisung auch gegen seine persönliche Überzeugung ausführen. „Ich habe mich sehr schwer getan damit“, sagte Zinke. „Man remonstriert nicht einfach so gegen seinen Dienstherrn.“

Zeuge hatte schon 2018 Bedenken

Über seine Bedenken hinwegsetzen musste sich Zinke auch schon Ende 2018, als es um die Vorbereitung des Betreibervertrages ging. Am 19. November teilte er dem Verkehrsministerium mit, er sehe sich nicht in der Lage, eine gründliche Prüfung des Vertrags vorzunehmen. Anschließend sei ihm jedoch „nach der juristischen Expertise insbesondere meines Projektteams“ versichert worden, der Vertrag sei vertretbar. „Dies“, sagte Zinke, „hat mir die Gewissheit gegeben, guten Gewissens unterschreiben zu können.“ Die notarielle Beurkundung des Vertrags fand am 30. Dezember 2018 statt.

Befragt wurde der Zeuge auch zum Umstand, dass das Kraftfahrt-Bundesamt in die Vertragsverhandlungen mit den Bietern nicht eingebunden war. Er habe nicht gewusst, wer den Zuschlag bekommen solle, bis „irgendwann ein Gerücht auch in das Zimmer eines Präsidenten wabert“, berichtete Zinke. Es sei aber auch nicht die Rolle des Kraftfahrt-Bundesamtes gewesen, an den Verhandlungen teilzunehmen. Die Aufgabe seiner Behörde habe er darin gesehen, „unsere Expertise einzuspeisen in den Prozess der Vergabeentscheidung, so es gewünscht war“.

Ausschussmehrheit gegen einen Ermittlungsbeauftragten

Kurz vor der Sitzung waren dem Ausschuss weitere Unterlagen aus dem Bundesverkehrsministerium zugegangen. Dabei handelt es sich um 300 E-Mails vom Abgeordneten-Account von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Dass die Unterlagen dem Ausschuss erst jetzt zur Verfügung gestellt wurden, begründete das Ministerium mit einem „Büroversehen“. Ein Antrag von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, einen unabhängigen Ermittlungsbeauftragten für die Prüfung der Abgeordneten-Mails von Minister Scheuer einzusetzen, fand in der Beratungssitzung des Ausschusses keine Mehrheit.

Der Ausschussvorsitzende Schiefner kündigte jedoch an, kommende Woche mit Minister Scheuer zu besprechen, ob dieser der Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten freiwillig zustimmt, und zudem ein entsprechendes Rechtsgutachten einzuholen. (chb/03.07.2020)

Liste der geladenen Zeugen

  • Götz Blumenberg, Kraftfahrt-Bundesamt
  • Ekhard Zinke, ehemaliger Präsident des Kraftfahrt-Bundesamtes

Marginalspalte