Enquete-Kommission Berufliche Bildung

Zwei Praktika in der Schulzeit sind zu wenig

Vier junge Menschen sitzen auf einem Rasen und schauen auf ein Tablet.

Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende haben sich am „Zukunftsdialog Ausbildung“ beteiligt. (© picture alliance)

In ihrer 24. Sitzung hat die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ in öffentlicher Anhörung virtuell über die Ergebnisse der Online-Beteiligung „Zukunftsdialog Ausbildung“ mit sechs Schülern und Auszubildenden diskutiert. „Es war uns wichtig, die Perspektiven und Haltungen junger Menschen, die vor der Berufswahl stehen, kennenzulernen, um sie in die Arbeit der Kommission einfließen zu lassen“, sagte der Vorsitzende Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) am Montag, 29. Juni 2020. Er kündigte weiter an, den Vorsitz der Enquete-Kommission zur nächsten Sitzung abzugeben, da er als Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“ ins Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wechsle.

Auf der Dialogplattform www.zukunftsdialog-ausbildung.de konnten junge Menschen und Auszubildende einen Monat lang in sechs Dialogräumen über ihre Erfahrungen, Meinungen und Ideen zur Entwicklung der Ausbildung in Deutschland diskutieren. Dabei ging es um die Bildungsinhalte, die Lernformen sowie um Chancen und Risiken der digitalen Arbeitswelt, berichtete Matthias Trénel von der Agentur Zebralog GmbH & Co. KG, die die vierwöchige Online-Beteiligung ausgerichtet hat.

„Mehr Wissen über Berufe vermitteln“

Es habe 4.923 eindeutige Besucher auf der Plattform gegeben und über 1.200 Beiträge, Stellungnahmen und Kommentare. Viele davon seien „sehr engagiert und differenziert“ gewesen, berichtete er. Bei den Geschlechtern und dem Altersverhältnis habe es eine ausgeglichene Beteiligung gegeben, aber bei den Bundesländern gebe es große Unterschiede, sagte Trénel.

Die Kommissionsmitglieder diskutierten mit sechs Auszubildenden und Schülern, die sich besonders aktiv auf der Plattform eingebracht hatten. „Sehr viele Beiträge gab es dazu, wie man mehr praktische Erfahrung vor der Berufswahl sammelt. Dieser Hinweis war in 187 Beiträgen von Teilnehmenden zu finden“, berichtete Trénel. Zwei Praktika in der Schulzeit seien zu wenig, berichteten viele junge Menschen. Formuliert wurde auch immer wieder der Wunsch, dass Schule mehr Wissen über Berufe vermitteln müsse. Einblicke in Arbeitsfelder und die aktuelle Arbeitswelt über Arbeitnehmer, die in Schulen kämen, seien wichtig für die Orientierung und noch zu selten, sagten einige der Jugendlichen.

„Lust auf digitale Lernwelten“

„Grundsätzlich war in den meisten Beiträgen eine Lust auf digitale Lernwelten zu spüren“, sagte Trénel. Bei der Frage danach, wie zukünftig gelernt werden soll, verwiesen die Jugendlichen darauf, dass digitale Lernmethoden fehlen. Es brauche oftmals eine bessere Ausstattung in den Berufsschulen und mehr digitale Kompetenzen beim Lehrpersonal. Der Trend zum lebenslangen Lernen und auch das flexible Arbeiten werden von vielen jungen Menschen positiv gesehen.

Bei den Bildungsinhalten standen die ‚richtigen‘ IT-Kenntnisse, etwa vertieftes Wissen zu Programmen, im Vordergrund der Antworten, berichtete Trénel. Aber auch beim praktischen Alltagswissen, wie etwa beim Erstellen einer Steuererklärung oder beim Abschluss von Verträgen, gebe es großen Lernbedarf, berichtete eine Teilnehmerin. Immer wieder als Thema und offene Frage geäußert wurde von den Jugendlichen auch das Thema Mobilität und die Erreichbarkeit von Schule und Betrieb.

„Gefahr einer digitalen Spaltung entgegenwirken“

In einem zweiten Teil ging es um die Auswirkungen der Pandemie auf die berufliche Bildung. Der Sachverständige Martin Seiler (Deutsche Bahn AG) betonte, dass Corona wie ein Brennglas gewirkt habe und der Digitalisierungsschub nun dauerhaft in die Aus- und Weiterbildung integriert werden müsse. Der Gefahr einer digitalen Spaltung müsse aktiv entgegengewirkt werden.

Für die Berufsschulen betonte der Sachverständige Carlo Dirschedl (Berufliche Schulen Altötting/Bayern), dass es Bedingungen für das Etablieren von interaktivem Distanzunterricht mit digitalen Hilfsmitteln und klare Zielsetzungen brauche. Besonders eine langfristige Finanzierung sei notwendig.

Rückläufiges Ausbildungsengagement erwartet

Für die Kammern berichtete Dr. Volker Born (Zentralverband des Deutschen Handwerks), dass durch die Pandemie mit einem Rückgang des Ausbildungsengagements von 18,3 Prozent gerechnet werde. Viele Messen für die Berufsorientierung seien zudem ausgefallen, und es herrsche große Verunsicherung auf Seiten der Betriebe. Dass die Corona-Krise bestehende soziale Ungleichheiten auf dem Ausbildungsmarkt drastisch verschärfen könne, berichtete Elke Hannack (Deutscher Gewerkschaftsbund). Insbesondere die technische Ausstattung und die regionale Versorgung mit Berufsschulen gelte es zu verbessern.

Darauf, dass die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 erstmals unter 500.000 sinken könne, verwies Detlef Buschfeld (Universität zu Köln). Dies könne dazu führen, dass eine kritische Grenze in der Infrastruktur erreicht werde, etwa was die Klassengröße in Berufsschulen betreffe, sagte er. (lbr/29.06.2020)

Liste der Sachverständigen

Arbeitgeberseite:

  • Martin Seiler, Vorstand Personal und Recht, Deutsche Bahn AG, Berlin

Berufsschulen:

  • Carlo Dirschedl, Berufliche Schulen Altötting/Bayern
  • Dr. Sandra Garbade, Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB), Hamburg

Kammern:

  • Dr. Volker Born, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), Berlin
  • Dr. Achim Dercks, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK), Berlin

Gewerkschaften:

  • Elke Hannack, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Berlin


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