Diskussion über staatliche Beteiligungen bei Unternehmen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 10. September 2020, einen Antrag der FDP mit dem Titel „Vorfahrt für die Marktwirtschaft – Einführung einer Beteiligungsbremse“ (19/22107) erörtert. Im Anschluss an die Debatte wurde die Vorlage zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.
FDP: Staatliche Beteiligungen sind in Mode gekommen
Für die FDP erklärte Reinhard Houben (FDP), derzeit gebe es 104 unmittelbare Unternehmensbeteiligungen des Bundes. Staatliche Beteiligungen seien in Mode gekommen, obwohl sich in vielen Fällen Privatinvestoren hätten finden lassen. Das Kapital wäre besser an anderer Stelle eingebracht worden, sagte Houben und forderte bessere Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft. Viele Start-ups suchten zugleich händeringend nach Wagniskapital, auch hier komme die Bundesregierung nicht in Tritt. Der Abgeordnete sagte, man tue den Unternehmen mit einem Einstieg selbst keinen Gefallen – diese könnten sich auf das Privileg einer Beteiligung zurückziehen, auf dem Schutz der Regierung ausruhen. In der Folge schwäche so ein Verhalten Innovationen, was sich Deutschland nicht erlauben könne.
Zugleich stellte er klar, dass die FDP nicht den Sinn von Beteiligungen generell in Frage stelle. Man brauche sie in Krisenzeiten. Daher solle es in außerordentlichen Lagen möglich sein, die Bremse auszusetzen. Es gehe bei dem Antrag nicht um eine Vollbremsung, sondern um die kontrollierte Rückkehr auf den Pfad der sozialen Marktwirtschaft.
Minister: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte, der Staat sei nicht der bessere Unternehmer: Staatsbeteiligung dürfe es nur in begründetem Ausnahmefall geben. Der Minister sah in dem Antrag Parallelen zu seiner eigenen Strategie aus dem Jahr 2019 und zitierte aus letzterem Dokument. Die FDP habe in hohem Maß das übernommen, was er schon einmal formuliert hatte – und was später nach heftiger Kritik vor allem aus der FDP in Passagen aus der Vorlage genommen worden sei.
Altmaier sagte, der Eingriff in die Marktwirtschaft sei durch das Corona-Virus erfolgt. Deshalb habe die Bundesregierung geholfen. Sie wolle, dass die Akteure der Marktwirtschaft diese Krise unbeschadet überstehen. Zugleich machte der Minister deutlich, dass seiner Ansicht nach zentrale Aspekte der Daseinsvorsorge in der öffentlichen Verantwortung liegen sollten, da man das den Bürgerinnen und Bürgern schuldig sei.
Union: Beteiligungen gemäß Leitlinien der Monopolkommission
Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) ergänzte, ginge die Lufthansa pleite, verlören nicht nur tausende Menschen ihren Job, sondern es fehle Deutschland ein weltweites Aushängeschild.
Der Minister habe die Beteiligung gemäß den Leitlinien der Monopolkommission angelegt, sagte Heider und verteidigte das Handeln der Bundesregierung in diesem Fall gegen verschieden gelagerte Oppositionskritik.
SPD: Staat muss die Rahmenbedingungen setzen
Bernd Westphal vom Koalitionspartner SPD verwahrte sich ebenfalls gegen den FDP-Vorstoß. Der Staat müsse die Rahmenbedingungen setzen, damit Arbeit nicht krank macht und ein Umfeld für Innovationen entstehen kann. Man brauche Leitplanken für die industrielle Basis des Landes und eine starke Struktur als Motor für die Wirtschaft.
Der Antrag der FDP weise in die falsche Richtung. Die SPD wolle keine Beteiligungsgrenze, sie habe gerade gemerkt, dass ein aktives staatliches Handeln notwendig sei.
AfD: Staat darf kein Unternehmer sein
Für die AfD kritisierte Enrico Komning das Agieren der Bundesregierung. Der Minister handle gegenläufig zu dem, was er in Strategien festhalte; Krisen würden genutzt, um ein staatskapitalistisches Modell zu installieren. Die Beteiligungen des Staates folgten keinen wirtschaftlichen Notwendigkeiten, so Komning.
Seiner Ansicht nach darf der Staat gar kein Unternehmer sein. Er müsse die Voraussetzungen für Wettbewerb gewährleisten und dürfe ausschließlich seiner Pflicht zur Daseinsvorsorge nachkommen – etwa ein digitales Breitbandnetz gewährleisten sowie ein flächendeckendes Mobilfunknetz.
Linke: Antrag ist ein Privatisierungsbeschleunigungsgesetz
Die Linksfraktion argumentierte in die gegenteilige Richtung. Pascal Meiser (Die Linke) bezeichnete den FDP-Antrag als Privatisierungsbeschleunigungsgesetz. Das sei der Lage nicht angemessen. Er kritisierte beispielhaft die Forderung, für jede neue staatliche Beteiligung eine andere aufzugeben. Es sei absurd, etwa für die Rettung der Lufthansa die Deutsche Bahn verkaufen zu wollen.
Ein angestrebter Beteiligungsverkauf auch dann, wenn Verluste erwartet würden, sei Veruntreuung öffentlicher Gelder, sagte Meiser. Er erneuerte den Appell seiner Fraktion, dass für staatliche Beteiligungen gelten müsse: Wer bezahlt, bestimmt. Wenn der Staat einsteige, müsse er etwa auf Beschäftigungsgarantien und ein Anstreben der Klimaschutzziele dringen.
Grüne: Unternehmen in der Krise retten
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) stimmte dem in Teilen zu. Der Staat sei bei Aufnahme einer Beteiligung verantwortlich für Beschäftigungssicherung und Klimaschutz. Es gehe nicht nur darum, Anteilseignern ihre Anteile zu sichern. Im Fall Lufthansa habe der Staat folglich versagt. Zugleich sagte Dröge, selbstverständlich sei es Aufgabe der Bundesregierung, Unternehmen in der Krise zu retten.
Sie kritisierte Altmaier für seine Industriestrategie; dort gehe es nicht um Daseinsvorsorge, sondern mehr um die Unterstützung von Konzernen. Dabei habe man jetzt schon eine zu große Nähe von Wirtschaft zu Politik und ein Problem mit Lobbyismus. Zur Aufgabe eines Politikers gehöre es aber, Regeln zu setzen, die für alle gelten müssten.
Antrag der FDP
Nach Darstellung der FDP ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, den Umfang entbehrlicher Bundesbeteiligungen zu reduzieren. Vielmehr bänden junge Beteiligungen wie an der Commerzbank und dem Stromnetzbetreiber 50 Hertz weiteres öffentliches Kapital. Im Zuge der Corona-Pandemie sei der Wirtschaftsstabilsierungsfonds ins Leben gerufen. Dieser sehe in Ausnahmefällen auch staatliche Beteiligungen vor. Bis zu 100 Milliarden Euro stünden hierfür der Bundesregierung zur Verfügung. Bislang habe hieraus lediglich eine Beteiligung an der Lufthansa AG resultiert, nachdem die außerordentliche Hauptversammlung dem Einstieg des Bundes am 26. Juni 2020 zugestimmt habe. Interessenvertreter würden jedoch auch für eine Bundesbeteiligung in der deutschen Stahlindustrie werben. Der Bund selbst wiederum plane eine Beteiligung am Stromnetzbetreiber TenneT.
Die Liberalen ziehen daraus den Schluss, dass die bestehenden Regelungen offenbar nicht ausreichen, um die Bundesregierung zur Zurückhaltung beim Erwerb neuer Beteiligungen und zur Veräußerung nicht zwingend notwendiger Beteiligungen zu bewegen. Die FDP fordert daher eine intensivere Privatisierung bestehender Beteiligungen und die Verankerung einer Beteiligungsbremse in der Bundeshaushaltsordnung mit dem Ziel, langfristig den Umfang der staatlichen Beteiligungen deutlich zu reduzieren. Bis Ende 2022 solle das Gesamtvolumen staatlicher Beteiligungen wieder auf das Niveau vor Beginn der Corona-Krise zurückgeführt werden, heißt es in dem Antrag. (vom/sas/10.09.2020)