Gesundheitsexperten sehen in dem geplanten Investitionsprogramm des Bundes für Krankenhäuser eine sinnvolle und überfällige Initiative. Die Schwerpunkte Digitalisierung und Notfallzentren sind nach Ansicht der Fachleute gut gewählt. Allerdings bezweifeln Sachverständige, dass mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (19/22126) der Investitionsstau der Kliniken nachhaltig beseitigt werden kann. Die Experten äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) am Montag, 14. September 2020, über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen.
Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen für ein „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ sieht vor, dass Bund und Länder insgesamt 4,3 Milliarden Euro in die Krankenhäuser investieren. Der Bund stellt drei Milliarden Euro bereit, die Länder sollen 1,3 Milliarden Euro beisteuern. Das Geld soll für moderne Notfallzentren und die Digitalisierung aufgewendet werden. Für die Investitionsmittel von Bund und Ländern wird beim Bundesamt für Soziale Sicherung ein Krankenhauszukunftsfonds eingerichtet. Die Länder beziehungsweise Krankenhausträger sollen 30 Prozent der jeweiligen Investitionskosten übernehmen.
Vorgesehen ist überdies, den Krankenhausstrukturfonds im Umfang von einer Milliarde Euro pro Jahr, die paritätisch vom Bund und den Ländern kommen, um zwei Jahre bis 2024 zu verlängern. Ferner sollen Erlösrückgänge, die den Kliniken 2020 durch die Corona-Pandemie entstanden sind, individuell ausgeglichen werden. Für Pandemie-bedingte Mehrkosten, etwa Schutzausrüstungen, können im Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis Ende 2021 Zuschläge vereinbart werden.
„Nötige Investitionen nicht länger hinauszögern“
Nach Ansicht der Bundesärztekammer (BÄK) hat die Corona-Krise deutlich gemacht, dass die nötigen Investitionen in die Kliniken nicht länger hinausgezögert werden dürfen. Seit vielen Jahren bestehe eine unzureichende Investitionsmittelfinanzierung der Länder. Dies führe zu einer Verschiebung der Betriebsmittel in den investiven Bereich, worunter vor allem die Personalausstattung leide. Der vom Bund vorgesehene Förderbetrag in Höhe von drei Milliarden Euro sei allerdings zu gering und sollte auf fünf Milliarden Euro erhöht werden.
Die BÄK gab zu bedenken, der personelle Bedarf werde sowohl in der Notfallversorgung wie auch in der Digitalisierung einen erheblichen Teil der Kosten ausmachen, wenn die Investitionen nachhaltig wirken sollen.
„Doppelförderung vermeiden“
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bewertete den Zukunftsfonds als sinnvolles Instrument zur Weiterentwicklung der Digitalisierung in den Krankenhäusern. Ein Digitalisierungsschub in den Kliniken sei überfällig. Die Förderung dürfe aber nicht zu einer Verstetigung der teils ineffizienten Strukturen führen. Es müsse ausgeschlossen werden, dass mit dem Zukunftsfonds in nicht notwendige Strukturen investiert werde. Auch dürfe es nicht zu einer Doppelförderung kommen.
Der GKV-Spitzenverband plädierte auch dafür, das Online-Register zu den Intensivbetten auf andere Bereiche der Krankenhauskapazitäten auszuweiten. Dies würde den Versorgungsalltag flexibler machen und helfen, unnötige Wege und Wartezeiten zu vermeiden.
„Länder nicht aus der Investitionsverpflichtung entlassen“
Nach Ansicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi könnte das Investitionsprogramm wichtige Impulse setzen. Die Länder dürfen aber nicht aus der Investitionsverpflichtung entlassen werden. Durch die jahrzehntelangen Versäumnisse flössen Gelder der Versicherten, die für das Klinikpersonal vorgesehen seien, in die Sanierung und den Ausbau der Kliniken. Der Investitionsrückstand liege bei rund 30 Milliarden Euro. „Bereitstellung der Bundesmittel wichtiger Schritt“
Verdi sprach sich dafür aus, die Abrechnung über Fallpauschalen (DRG-System) während der Pandemie vollständig auszusetzen. Stattdessen sei ein einfaches System auf der Grundlage des Vorjahresbudgets sachgerecht.
„Bereitstellung der Bundesmittel wichtiger Schritt“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die Bereitstellung der Bundesmittel für eine gezielte Förderung der Digitalisierung sei ein wichtiger Schritt. Allerdings könne damit der große Investitionsstau nicht aufgelöst werden. Die künftige Finanzierung der Investitionen durch die Länder sei weiterhin nicht sichergestellt.
Mit Blick auf die Corona-Krise merkte die DGK an, die Leistungen vieler Krankenhäuser erreichten voraussichtlich noch bis weit in das Jahr 2021 hinein nicht das bisherige Niveau. Daher müssten auch für das Budgetjahr 2021 besondere Ausgleichsregelungen gelten. Die Pandemie wirke sich nach wie vor auf die Krankenhäuser aus.
Erster Antrag der AfD
Gegenstand der Anhörung waren auch zwei Anträge der AfD-Fraktion. Die AfD fordert in ihrem ersten Antrag (19/17754) die Abschaffung der Fallpauschalen-Abrechnung (DRG) im Krankenhaus und die Einführung eines Prospektiv-Regionalen-Pauschalensystems (PRP). Die Fallpauschalen hätten zu Fehlentwicklungen und sogar zu einer Kostensteigerung geführt, heißt es im Antrag. Auch die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen stelle keine ganzheitliche Lösung dar. Bei dem PRP handele es sich um ein Vergütungssystem, bei dem im Voraus eine Pauschale an das Krankenhaus entrichtet und von diesem verwaltet werde, so die AfD.
Die jährlich von den Krankenkassen erbrachte Pauschale richte sich nach regionalen Unterschieden wie etwa der Morbidität und der Bevölkerungsdichte in einer Region und stelle somit ein realistisches Abbild der Versorgungssituation dar. Die krankenhausinterne Verwaltung des Budgets führe dazu, dass die Über- und Fehlversorgung behoben werde.
Zweiter Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag (19/22185) fordert die AfD eine angemessene Beteiligung der Bundesländer an den Investitionskosten der Krankenhäuser. Die eigentlich vorgesehene Finanzierung der Investitionskosten durch die Länder werde nicht ausreichend umgesetzt. Dass der Bund deshalb nun teils einspringe, sei für die Versorgung wichtig. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass die Länder ihren Verpflichtungen erst recht nicht nachkämen. Leistungen des Bundes müssten deshalb immer mit denen der Länder verknüpft werden.
Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass die vorgesehenen Bundesmittel an Krankenhäuser nur dann bewilligt werden, wenn das jeweilige Bundesland diese mit 30 Prozent eigenen Mitteln aufstockt, so die Fraktion. (pk/14.09.2020)
Liste der geladenen Sachverständigen
Verbände/Institutionen:
- Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS)
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF)
- Arbeitsgemeinschaft Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG)
- Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)
- Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK)
- Bundesärztekammer (BÄK)
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e. V.)
- Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed)
- Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (BVkom)
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
- Bundesverband Gesundheits-IT (BVITG)
- Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V. (DBPK)
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG)
- Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe Bundesverband e. V. (DBfK)
- Deutscher Evangelischer Krankenhausverband e. V. (DEKV)
- Deutscher Pflegerat e. V. (DPR)
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
- Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI)
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
- GKV-Spitzenverband
- Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (InEK)
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
- Katholischer Krankenhausverband Deutschland e. V. (kkvd)
- Sozialverband VdK Deutschland e. V.
- Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V. (Spifa)
- ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
- Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV)
- Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD)
- Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e. V. (VKD)
Einzelsachverständige:
- Prof. Dr. Boris Augurzky, Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung
- Prof. Dr. Britta Böckmann, Fachhochschule Dortmund
- Prof. Dr. Alexander Geissler, School of Medicine, Universität St. Gallen)
- Dr. Wolfgang Rüpich, Gutachter und Sachverständiger für ärztliche Dokumentation und ärztliches Abrechnungswesen aus Halle (Saale)
- Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Universität Hamburg
- Sebastian C. Semler, Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V.
- Prof. Dr. Christoph Straub, BARMER