Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik im Bildungsfokus
Um die Stärkung der MINT-Bildung ging es am Freitag, 9. Oktober 2020, im Rahmen einer einstündigen Debatte im Deutschen Bundestag. MINT steht für „Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik“. In der in der Sache herrschte weitgehend Einigkeit: Die MINT-Ausbildung und die Ergreifung der MINT-Berufe müssen unterstützt und gefördert werden. Die FDP-Fraktion hatte dazu drei Anträge vorgelegt. „Zukunft braucht MINT – Schulisches und außerschulisches Lernen stärken“ (19/22299), „Neue Technologie an Schulen bringen – Zukunftsvertrag für moderne Bildung aushandeln“ (19/22300) und „Bildung für nachhaltige Entwicklung durch Transparenz und Teilhabe (19/23118). Zudem lag der Debatte ein Antrag der Fraktion Die Linke “MINT-Bildung für mündige und aktive gesellschaftliche Teilhabe fördern„ (19/17792) zugrunde.
FDP fordert ein Zukunftskonzept
“MINT-Bildung ist wichtig, auch damit in Deutschland die Fachkräftelücke nicht weiter wächst.„ Das betonte Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP). Deutschlands Wirtschaft würden bis zum Jahr 2023 rund 700.000 Tech-Spezialisten fehlen. “Aber leider sind der Bundesregierung beim Thema MINT beide Arme eingeschlafen„, kritisierte Sattelberger.
Er forderte ein Zukunftskonzept, in dem neben der Schule auch außerschulisches und ehrenamtliches Lernen von Anfang Bestandteil “der Lösung„ sind. Das fehle im MINT-Aktionsplan der Bundesregierung.
CDU/CSU lobt MINT-Aktionsplan der Regierung
Auch Sybille Benning (CDU/CSU) sagte, gerade in einer Welt, die zunehmend digital agiere und die sich schnell wandle, sei MINT-Bildung wichtig. Sie lobte den MINT-Aktionsplan der Bundesregierung, der aktuell umgesetzt werde. Er schaffe neue Strukturen und setze die richtigen Schwerpunkte. Benning unterstrich, dass viele Forderungen der FDP bereits im Aktionsplan verankert seien. Als Beispiel nannte sie die Begleitforschung. Darüber hinaus machte sie deutlich, dass es bei der MINT-Bildung nicht nur um die Arbeitsmarktverwertbarkeit gehe, sondern dass MINT auch kritisches Denken fördere.
Wie andere Redner machte sie sich für die Förderung von Mädchen und Frauen in der MINT-Bildung und den MINT-Berufen stark und spielte auch auf die aktuelle Vergabe des Chemie-Nobelpreises an die Französin Emmanuelle Charpentier an, die seit 2018 Leiterin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin ist. Charpentier wurde der Nobelpreis zusammen mit der US-amerikanischen Biochemikerin Jennifer Doudna zur Entwicklung von CRISPR/Cas, einer Methode zur Genom-Editierung, verliehen.
AfD: Furchtbare Anträge
Dr. Michael Espendiller (AfD) nannte alle eingereichten Anträge “furchtbar„. Er sagte: “Seitenweise Ahnungslosigkeit, und es tut mir um jeden Baum leid, der dafür sterben musste.„ Seit Jahrzehnten würden sich fast alle Fraktionen die Förderung der MINT-Bildung auf die Fahnen schreiben und seit Jahrzehnten würden sie fast gar nichts erreichen.
Alles, was Kinder, Schüler und Studenten mitbringen müssten, um bei den MINT-Berufen dabei zu sein, seien die beiden alten Tugenden Fleiß und Disziplin. Der Kompetenzerwerb im MINT-Bereich erfordere kein reiches Elternhaus. Espendiller sagte: “Alles was man braucht, sitzt im Wesentlichen zwischen den eigenen Ohren.„
SPD: Nobelpreisträgerinnen sind Revolutionärinnen
Dr. Karamba Diaby (SPD) erwähnt ebenfalls die Verleihung des Nobelpreises und ging auf die Vorbildfunktion ein, die Charpentier und Doudna für junge Frauen biete. Er sagte: “Sie sind Revolutionärinnen.„ Gerade junge Frauen könnten sie motivieren, einen MINT-Beruf zu ergreifen. Deutschland habe diese Vorbilder dringend nötig. Er nannte den MINT-Frühjahr Report des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Danach fehlten 2020 rund 153.000 Fachkräfte mit technisch naturwissenschaftlicher Ausbildung. Zwar seien die Zahlen der MINT-Studiengänge und die der Absolventen in den letzten Jahren gestiegen, doch seien es immer noch nicht genug.
Zudem gebe es viele Studienabbrecher. Als Grund vermutete Diaby die unzureichende Beschäftigung mit technischen und naturwissenschaftlichen Fächern in der gesamten Schullaufbahn der Kinder. Er forderte, gegen den Fachkräftemangel anzugehen, die Infrastruktur zu verbessern und für Frauen mehr Mentorinnen-Programme einzurichten.
Linke: MINT gehört zu moderner Bildung
“MINT gehört zu moderner Bildung„, betonte Birke Bull-Bischoff (Die Linke). Herausforderungen und Themen wie Klimawandel, die Digitalisierung der Gesellschaft, Demokratieentwicklung, eine gerechte Weltwirtschaft sowie Nachhaltigkeit müssten aktiv mitgestaltet werden. Dafür müssten sich kleine und große Menschen üben, naturwissenschaftliche Zusammenhänge verstehen lernen, aber auch Bücher lesen und programmieren. All das gehörte dazu. Man brauche Profis in Kitas und Schulen.
Zudem benötigten die Kinder gute Lehr- und Lernmittel. “Doch von all dem gibt es zu wenig„, kritisierte sie. “Das sind die Bildungsbremsen.„ Sie forderte, MINT-Bildung für alle zugänglich zu machen und nannte als Beispiel auch Schulen in Brennpunktvierteln, die vor besondere Herausforderungen gestellt würden. Auch Bull-Bischof forderte, mehr Frauen in MINT-Berufen zu unterstützen. Bei den MINT-Berufen gebe es einen Frauenanteil von 16 Prozent, bei der MINT-Berufswahl liege Deutschland derzeit sogar nur noch bei acht Prozent. Sie mahnte: “Es geht weiter bergab.„
Grüne: Wir denken von den Bedürfnissen der Kinder her
Margit Stumpp (Bündis90/Die Grünen) sagte: “Wenn man aus den zehn Seiten MINT-Antrag den üblichen FDP-Sprech herausliest, dann sind doch etliche Forderungen übrig, die zu unserem Antrag ,Guter Ganztag' ein Update für die Schulen sein könnten.„ Als Beispiel nannte Stumpp die Entlastung der Lehrkräfte durch multiprofessionelle Teams, Raum für individuelle Förderung – was vor allem Kindern aus benachteiligten Familien zugutekommen könnte –, die zügige Digitalisierung von Schulen und eine Bundeszentrale für digitale Medienbildung.
Sie sagte: “Der wesentliche Unterschied ist: Wir denken von den Bedürfnissen der Kinder her, die FDP von den Bedürfnissen der Wirtschaft her.„ Auch Stumpp sprach die wenigen Frauen in MINT-Berufen an: “Solange unsere Gesellschaft immer noch in Rollenstereotypen verhaftet ist, was Frau und Technik angeht, solange gibt es für Mädchen eine besondere Zugangshürde für MINT.„
Ministerin: Von den ostdeutschen Bundesländern lernen
Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, strich die zwei Nobelpreise heraus, die deutsche Forscher diese Woche erhalten haben. Neben Charpentier wurde auch der Physiker Reinhard Genzel zur Forschung an Schwarzen Löchern ausgezeichnet. Ähnlich wie ihre Vorredner hob auch Karliczek die Vorbildrolle von Charpentier für Frauen hervor: “Aus Studien wissen wir, dass es ein ganz entscheidender Faktor für die spätere Berufswahl ist, dass Mädchen MINT-Vorbilder haben.„ Das müsse nicht immer eine Nobelpreisträgerin sein, genauso gut seien engagierte Physiklehrerinnen oder vielleicht auch Mütter, die als Ingenieurinnen oder Mechatronikerinnen arbeiten.
Hier könne man im 30. Jahr nach der Wiedervereinigung von den ostdeutschen Bundesländern lernen: “Frauen in MINT-Berufen sind dort selbstverständlich.„ Ferner bezeichnete sie neben der Umsetzung der verschiedenen Punkte aus dem MINT-Aktionsplan die Intensivierung der Bildungsforschung für MINT als ein wichtiges Ziel. Man wisse immer noch nicht genug darüber welche Instrumente der MINT-Bildung am besten wirken würden.
Erster Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion will mit ihrem ersten Antrag das schulische und außerschulisches Lernen stärken (19/22299). Dazu sollen die MINT-Fächer in der frühkindlichen Bildung ausgebaut werden. Gemeinsam mit den Kultusministerien der Länder sollen verpflichtende, qualitativ hochwertige und bundesweite Bildungsstandards in der frühkindlichen Bildung formuliert werden, damit besonders benachteiligte Kinder nicht auf Grund ihrer sozialen Lage, Herkunft oder ihres Wohnorts von Anfang an im Bildungssystem abgehängt werden. Gemeinsam mit der Stiftung “Haus der kleinen Forscher„ solle wissenschaftlich untersucht werden, welche Maßnahmen die Qualität der MINT-Bildung in Kitas wirksam und nachhaltig ausbauen, damit alle Kinder, unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht und individuellen Herausforderungen wie Begabungen davon profitieren.
Die FDP-Fraktion ist der Überzeugung, dass die MINT-Felder zunehmend an Bedeutung gewinnen, ob vor dem Hintergrund des Klimawandels, der Industrie 4.0 oder der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt und Wirtschaft: Alle Schülerinnen und Schüler müssten lernen, wie sie als Bürgerinnen und Bürger den Herausforderungen der Zukunft mit neuen Methoden, Kreativität und eigenständigem Denken begegnen.
Zweiter Antrag der FDP
Neue Technologie an Schulen zu bringen, fordert die FDP-Fraktion in einem weiteren Antrag (19/22300). Nach dem jetzt umgehend zu verhandelnden und umzusetzenden Digitalpakt 2.0 soll aus Sicht der Liberalen eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe initiiert werden, deren Aufgabe die Ausarbeitung eines Zukunftsvertrages für moderne Bildung mit umsetzbaren Vorschlägen für die Nutzung unterschiedlicher Technologien mit didaktischem und pädagogischem Mehrwert ist. Das Konzept für den Vertrag müsse konkrete Meilensteine und Indikatoren für die Erfolgsmessung benennen. Es solle außerdem die Möglichkeit von Schulen berücksichtigen, untereinander zu kooperieren. Sichergestellt sein muss im Ergebnis ein gleicher Technologie-Zugang aller Schülerinnen und Schüler, unabhängig von der Schwerpunktsetzung der eigenen Schule und unabhängig von geltenden Schulbezirksgrenzen. Der Vertrag ziele auf die Ausstattung von weiterführenden Schulen mit Zukunftstechnologie, beispielsweise Holographie, Robotik-Räumen oder Materialien für Versuche aus dem Bereich der Gentechnik sowie Geräten zur Nutzung additiver Fertigungsmethoden.
Die FDP-Fraktion unterstreicht, dass es im Jahr 2020 zwar selbstverständlich geworden sei, dass Schulen mit Computerräumen ausgestattet sind, um jeder Schülerin und jedem Schüler das digitale Arbeiten zumindest zeitweise zu ermöglichen. Ihre tatsächliche Einbindung in den Unterricht lasse aber noch immer zu wünschen übrig und selbst die Nutzung moderner Präsentationstechniken können zu “Verteilungskämpfen„ zwischen Klassen führen, wenn nicht in jedem Raum ein Beamer verfügbar ist.
Dritter Antrag der FDP
Darüber hinaus hat die FDP einen Antrag vorgelegt, der den Titel “Bildung für nachhaltige Entwicklung durch Transparenz und Teilhabe„ trägt (19/23118). Demnach sollen zusammen mit den Bundesländern marktwirtschaftliche Zusammenhänge und MINT-Fächer verstärkt gefördert werden, vor allem durch Programme, die bisher vernachlässigte Gruppen mit einbeziehen. So soll Kindern aus bildungsärmeren Haushalten, aber auch Mädchen der Zugang zu Naturwissenschaften erleichtert werden.
Auch solle zusammen mit den Bundesländern die Einführung mehrwöchiger “Stadt-Land-Schülerpraktika„ ermöglicht werden, um den gegenseitigen Schüleraustausch zwischen städtischen und ländlichen Regionen zu fördern.
Antrag der Linken
In ihrem Antrag (19/17792) setzt sich die Linksfraktion dafür ein, Bildung in MINT-Fächern für mündige und aktive gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Konzeptualisierung des MINT-Aktionsplans zu überarbeiten und um die Aufnahme der Handlungsfelder “Ethik und Technikfolgenabschätzung„ sowie “Politik, Gesellschaft und Technikentwicklung„ zu erweitern. Zudem soll im Rahmen der MINT-Bildung auch ein kritisch-reflexives Handeln gefördert werden, das sich an Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit orientiert.
Sozialwissenschaftliche und ästhetische Bildung sollen ebenfalls miteinbezogen werden. Zudem soll sich die Bundesregierung gegenüber der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, klare Kriterien für Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft, Verbänden und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft zu formulieren, die eine einseitige und interessengeleitete Einflussnahme in Unterricht und Schule ausschließen. Ferner soll gemeinsam mit den Ländern darauf hingewirkt werden, dass in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften aller Schulen (verpflichtende) Module eingeführt werden, die für die Gefahren der Einflussnahme von Lobbygruppen auf Unterricht sensibilisieren. (rol/09.10.2020)