2. Untersuchungsausschuss

Rechtsberater: Pkw-Maut war ein Pro­jekt von be­sonderer Komple­xität

Autobahn A 1 mit Autos und Lkws, grafisch bearbeitet.

Der 2. Untersuchungsausschuss setzte seine öffentlichen Zeugenbefragungen fort. (picture alliance / blickwinkel)

Über die komplexe Vertragsgestaltung der Pkw-Maut hat der wichtigste Rechtsberater des Bundesverkehrsministeriums im 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“) Auskunft gegeben. Es habe sich um ein „Projekt von besonderer Komplexität und besonderem Zuschnitt mit besonderen Herausforderungen“ gehandelt, sagte Dr. Dieter Neumann, Partner bei Greenberg Traurig Germany, im der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung am Donnerstag, 8. Oktober 2020.

„Entscheidung für den Bruttounternehmenswert“

Neumann war seit Oktober 2015 für das Bundesverkehrsministerium als Rechtsberater in Sachen Pkw-Maut tätig. Er leitete nach eigenen Angaben ein Team von 15 bis 20 – „in Hochzeiten vielleicht auch ein paar mehr“ – Rechtsanwälten von Greenberg Traurig und KPMG Law. Gleichzeitig seien nach seiner Erinnerung im Bundesverkehrsministerium etwa sechs bis acht Mitarbeiter mit der Pkw-Maut befasst gewesen.

Eine wichtige Rolle spielte dem Zeugen zufolge die Entschädigung der Betreiber im Fall einer nicht von ihnen zu verantwortenden Kündigung. Ursprünglich habe man den Equity Value (Wert des eingesetzten Kapitals) angesetzt, erläuterte Neumann den Ausschussmitgliedern. Entschieden habe man sich dann aber für den Bruttounternehmenswert. Dieser Terminus aus der Welt der Wirtschaftsprüfer bezeichne den Wert des eingesetzten Kapitals plus fremde Verbindlichkeiten.

Damit entspreche der Bruttounternehmenswert nicht dem entgangenen Gewinn, erklärte der Rechtsanwalt weiter. Im Fall eines optimalen Projektverlaufs hätte der Wert nahe am entgangenen Gewinn sein können, bei einer schlechten Leistung des Betreibers deutlich niedriger.

„Negatives EuGH-Urteil war ein Kündigungsgrund“

Im Vertrag mit CTS Eventim/Kapsch TrafficCom sei festgelegt worden, dass dieser Bruttounternehmenswert nur dann als Entschädigungssumme bezahlt werde, wenn der Vertrag ausschließlich aus ordnungspolitischen – und damit nicht vom Betreiber zu verantwortenden – Gründen gekündigt werde, führte der Zeuge weiter aus. Ein solcher Grund war das negative Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Juni 2019.  Bei weiteren Kündigungsgründen, so der Zeuge, habe der Vertrag diese Regelung nicht vorgesehen. Als weiteren Kündigungsgrund führte das Ministerium dann eine Schlechtleistung der Betreibergesellschaft an.

Die Möglichkeit, den Betreibervertrag aufgrund des EuGH-Urteils anzupassen, habe nicht bestanden, erläuterte der Zeuge weiter. Denn eine an ökologischen Kriterien ausgerichtete „Klimamaut“ hätte bedeutet, die Maut von einer zeit- auf eine streckenbezogene Gebühr umzustellen.

„Sorgfältig abgewogene Kündigungsgründe“

Die Gründe für die am 18. Juni 2019 ausgesprochene Kündigung der Betreiberverträge seien „sehr sorgfältig abgewogen“ worden, sagte der Zeuge. „Wenn diese Kündigungsgründe im Raum stehen, kann ein Bundesminister eigentlich nicht anders, als die Kündigung auszusprechen.“ Im Rechtsanwaltsteam habe es niemanden gegeben, der die Kündigung in dieser Situation nicht für richtig gehalten habe.

Auskunft gab der Zeuge auch, wie mit dem Umstand umgegangen wurde, dass im Oktober 2018 nur ein einziges – und dann auch noch deutlich zu teures – finales Angebot im Verfahren „Erhebung“ einging. „Wir waren schwer überrascht, dass ein Angebot in dieser Höhe eingereicht wurde“, sagte Neumann. Man habe aber geprüft, ob das Angebot plausibel sei. Die anschließenden Verhandlungen mit der Bietergemeinschaft seien rechtlich zulässig gewesen. Denn das Vergaberecht besage, dass man zwar keine Mindestanforderungen verändern dürfe, bis zu dieser Grenze aber durchaus verhandeln dürfe. (chb/08.10.2020)

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