2. Untersuchungsausschuss

Zeuge: Pkw-Maut-Vergabeverfah­ren war recht­lich korrekt

Durchgestrichenes Maut-Schild mit zerrissenen Euro-Geldscheinen

Die Vorbereitung und Einführung der Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut) durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und seiner nachgeordneten Behörden soll durch den Ausschuss aufgeklärt werden. (© picture alliance/Bildagentur-online)

Ein leitender Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums hat die Auffassung bekräftigt, dass das Vergabeverfahren für die Pkw-Maut rechtlich korrekt war. Es sei nicht zu beanstanden, dass nach Abgabe des finalen Angebots Aufklärungs- und Verhandlungsgespräche mit dem letzten verbliebenen Bieter geführt worden seien, sagte Arnd M., Leiter der Vergabestelle des Bundesverkehrsministeriums, am Donnerstag, 29. Oktober 2020, im 2. Untersuchungsausschuss („Pkw-Maut“).

In der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung ging es um den Umstand, dass im Oktober 2018 im Vergabeverfahren „Erhebung“ der Pkw-Maut nur ein einziges finales Angebot eingegangen war. Dieses lag zudem um rund eine Milliarde Euro über dem haushaltsrechtlichen Rahmen.

„Es kam zu Fehleinschätzungen seitens des Konsortiums“

Dass das finale Angebot der Bietergemeinschaft CTS Eventim/Kapsch TrafficCom höher gewesen sei als das Erstangebot, sei überraschend gewesen, sagte der Zeuge. Deshalb sei es nötig geworden zu prüfen, ob das Bieterkonsortium bei der Erstellung seines Angebots möglicherweise von „falschen Annahmen“ ausgegangen sei. In den folgenden Aufklärungsgesprächen habe es sich herausgestellt, dass es tatsächlich zu „Fehleinschätzungen“ seitens des Konsortiums gekommen sei. So habe es seine Kalkulation beispielsweise bei der Risikoeinschätzung und bei den Vertragsstrafen auf unzutreffenden Voraussetzungen aufgebaut.

In den folgenden Verhandlungsrunden gelang es, die Angebotssumme von rund drei auf etwa zwei Milliarden Euro zu senken. Solche erheblichen Preisreduktionen seien bei Vergabeverfahren „nicht untypisch“, sagte der Zeuge, der bereits am 18. Juni 2020 ein erstes Mal im Ausschuss vernommen worden war.

„Mindestanforderungen wurden nicht verändert“

Auch auf wiederholte Fragen von Abgeordneten beharrte der Zeuge darauf, dass bei den Gesprächen mit dem Bieterkonsortium keine Mindestanforderungen verändert worden seien. Die Erläuterung einer Mindestanforderung sei keine Änderung dieser Mindestanforderung, argumentierte er. Es habe auch keinen Grund gegeben, die zuvor ausgeschiedenen Bieter wieder einzubeziehen.

Gefragt wurde M. außerdem, warum die Frist für die Abgabe des finalen Angebots im Vergabeverfahren „Erhebung“ mehrfach verschoben worden sei. Dies sei darauf zurückzuführen gewesen, dass das Verfahren komplex und umfangreich gewesen sei, antwortete der Zeuge. Nicht ausschließen wollte er, dass die Verschiebung auch das Ziel gehabt habe, dem Bieter T-Systems doch noch die Abgabe eines Angebots zu ermöglichen. T-Systems hatte sich zuvor von seinem Konsortialpartner getrennt und die Zulassung als Einzelbieter beantragt. Auch in anderen Verfahren würden Fristen regelmäßig verschoben, um es Bietern zu ermöglichen, ein qualifiziertes Angebot abzugeben, sagte der Zeuge.

Auftrag des Untersuchungsausschusses

Der Bundestag hatte am 28. November 2019 mit den Stimmen der Oppositionsfraktionen AfD, FDP,  Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD den 2. Untersuchungsausschuss der aktuellen 19. Wahlperiode eingesetzt. Das neunköpfige Gremium soll das Verhalten der Bundesregierung, vor allem des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und seiner nachgeordneten Behörden, seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD für die vorangegangene Wahlperiode im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Einführung der Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut) aufklären.

Dabei sind das Vergabeverfahren, die Kündigung der Verträge zur Erhebung und Kontrolle und die daraus resultierenden Folgen inklusive der Prozesse zur Abwicklung des Projekts ebenso Gegenstand der Untersuchung wie die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten und die Aufklärungs- und Informationspraxis der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag zu diesen Vorgängen. Der Ausschuss soll zudem prüfen und Empfehlungen geben, welche Schlussfolgerungen zu ziehen und welche Konsequenzen aus seinen gewonnenen Erkenntnissen zu ergreifen sind.

Eine Milliarde Euro über dem haushaltsrechtlichen Rahmen

Im weiteren Verlauf der Sitzung bestätigte eine Zeugin aus dem Bundesverkehrsministerium, dass die bundeseigene Toll Collect GmbH Geld für die Pkw-Maut ausgegeben hatte, als das durch ihren Gesellschaftszweck noch nicht gedeckt war. Obwohl der Gesellschaftszweck der eigentlich für die Lkw-Maut zuständigen Gesellschaft erst im Mai 2019 auf die Pkw-Maut erweitert worden sei, seien schon zuvor Ausgaben für die Pkw-Maut getätigt worden, sagte die Haushaltsbeauftragte des Verkehrsministeriums, Antje G., in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung. Sie selbst habe dies erst im Mai 2019 erfahren.

Auch über das finale Angebot des Bieterkonsortiums Paspagon (CTS Eventim/Kapsch TrafficCom) wurde die Haushaltsverantwortliche nach eigenen Angaben mit Verzögerung informiert. Das Angebot war fristgerecht am 17. Oktober 2018 eingegangen. Doch erst am 8. November 2018, so die Zeugin, habe die für Haushaltsfragen zuständige Titelverantwortliche des Mautreferats in einer eher beiläufigen E-Mail mitgeteilt, dass das Angebot um rund eine Milliarde Euro über dem haushaltsrechtlichen Rahmen lag. Es habe dann noch einmal einige Tage gedauert, bis die Brisanz dieser Mitteilung deutlich geworden sei.

„Angebotssumme auf gewünschte Höhe gesenkt“

Zu diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr möglich gewesen, die Verpflichtungsermächtigung auf das Jahr 2019 zu übertragen, erklärte die Zeugin weiter. Denn dies hätte spätestens in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses beantragt werden müssen, die am 8. November 2018 stattfand. Möglich gewesen wäre dann laut G. noch der Weg über eine überplanmäßige Ausgabe.

Dieser Weg musste aber nicht beschritten werden, da es dem Ministerium gelungen sei, in Gesprächen mit dem Bieterkonsortium die Angebotssumme auf die gewünschte Höhe zu senken. Über die Details dieser Verhandlungen war G. nach eigenen Worten nicht informiert. Mitte Dezember 2018 erhielt sie eine E-Mail aus dem Fachreferat, wonach das Angebot jetzt vollständig und wirtschaftlich sei. Auf diese Aussage habe sie sich verlassen und den Sachverhalt nicht weiter geprüft, sagte G. Eine solche Prüfung sei auch nicht möglich gewesen, da sie den Inhalt des Vertrags gar nicht gekannt habe.

„Bund musste Geld zuschießen“

Überrascht wurde G. dann allerdings im Mai 2019, als plötzlich zusätzlich 144 Millionen Euro für das Projekt Pkw-Maut benötigt wurden. Grund dafür war laut G. der Unterauftragnehmervertrag zwischen der Betreiberfirma Autoticket und Toll Collect: Weil die Vergütung für die von Toll Collect erbrachten Leistungen nicht auskömmlich war, musste der Bund Geld zuschießen.

Als dritter Zeuge befragt wurde Christian K., Referent im Mautreferat des Bundesverkehrsministeriums. Der Zeuge, der bereits am 12. März im Ausschuss vernommen worden war, wiederholte im Wesentlichen seine damaligen Aussagen. So erklärte er, ursprünglich gegen den Einbezug von Toll Collect in das Projekt Pkw-Maut gewesen zu sein. Er sei der Ansicht gewesen, dass es für den Fall von technischen Problemen besser gewesen wäre, die Systeme getrennt zu halten. Weil das Angebot des Bieterkonsortiums aber so hoch gewesen sei, sei es nötig gewesen, in diesem Punkt umzudenken. (chb/30.10.2020)

Liste der geladenen Zeugen

  • Arnd M., Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Antje G., Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Christian K., Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

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