Petitionen

Grund­einkommen, Kinderärzte, Brust­krebs-Früh­er­kennung

Mit drei Petitionen hat sich der Petitionsausschuss unter Leitung des Vorsitzenden Marian Wendt (CDU/CSU) in seiner öffentlichen Sitzung am Montag, 26. Oktober 2020, befasst. Zunächst wurde über die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen beraten. Im Anschluss ging es um die Anhebung der Altersgrenze für die Teilnahme im Mammographie-Screening-Programm zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen in Deutschland von 69 auf 75 Jahre. Über eine bessere medizinische und pflegerische Betreuung von Kindern und Jugendlichen wurde zum Schluss diskutiert.

Regierung: Grundeinkommen „ungeeignet zum Lückenstopfen“

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist aus Sicht der Bundesregierung nicht geeignet, um eventuelle Lücken bei den Corona-Hilfen zu stopfen. Das machte Gerald Becker-Neetz, Leiter der Unterabteilung Ia Soziale Marktwirtschaft, Zukunft des Sozialstaates und Forschung beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), deutlich. Die Bundesregierung überprüfe permanent die Zielgenauigkeit der Corona-Hilfsmaßnahmen und steuere bei Bedarf nach, sagte der Ministeriumsvertreter.

Aus Sicht der Petentin Susanne Wiest muss hingegen angesichts der Corona-Krise „kurzfristig und zeitlich begrenzt, aber so lange wie notwendig“ ein bedingungsloses Grundeinkommen gewährt werden. Ein Ende der Krise, „die für viele Menschen auch zu einer schweren wirtschaftlichen Existenzkrise geworden ist“, sei nicht in Sicht, sagte Wiest vor den Abgeordneten. Die getroffenen Hilfsmaßnahmen seien nicht zielgenau, kritisierte sie. Ihre Beantragung werde in der Bevölkerung als kompliziert, bürokratisch und zeitaufwendig wahrgenommen. „Oft kommt Hilfe nicht dort an, wo sie gebraucht wird. Viele Menschen fallen komplett durch das Raster“, sagte die Petentin. Gerade in der jetzigen komplizierten Situation bräuchten alle Menschen „eine sichere finanzielle Basis, die uns trägt“.

Der die Petentin begleitende Wirtschaftswissenschafter Prof. Dr. Bernhard Neumärker von der Universität Freiburg erläuterte sein Modell eines Netto-Grundeinkommens, das seiner Aussage nach „sofort umsetzbar ist“. Jeder Bürger würde demnach monatlich 550 Euro erhalten, „Kinder etwas weniger“. Damit seien alle Menschen abgesichert, so Neumärker. Das Modell finanziere sich aus jetzt schon gewährten Mitteln, die lediglich umgeschichtet werden müssten, sagte er. Eine Reform des Renten- und Gesundheitssystems sei nicht nötig.

„Von Misstrauen hin zu Vertrauen“

Auf die Frage, warum alle Menschen, statt nur die wirklich bedürftigen, von einem bedingungslosen Grundeinkommen profitieren sollten, sagte die Petentin: „Die Bedarfsprüfungen und Regeln für die Zugangsberechtigung schaffen eine große Unsicherheit. Das wollen wir in einer Demokratie nicht. Da gehören alle dazu.“ Wer keinen Bedarf für ein solches Grundeinkommen habe, könne dieses „ganz entspannt zurückspenden“, sagte Wiest. Dies wäre auch ein Wechsel vom Misstrauen, mit dem den Bürgern oft begegnet werde, „hin zu Vertrauen“.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Anette Kramme (SPD), antwortete auf die Frage, ob bei Gewährung eines bedingungslosen Grundeinkommens die Erwerbtätigkeit zurückgeht: Sie gehe davon aus, dass viele Menschen ihre Arbeitsbedingungen als unangenehm empfinden und andere Dinge lieber täten. Insofern sei davon auszugehen, dass die Erwerbstätigkeit zurückgehen werde.

Petition zur Altersgrenze bei der Brustkrebs-Früherkennung

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Sabine Weiß (CDU), steht einer Anhebung der aktuell geltenden Altersgrenze im qualitätsgesicherten Mammographie-Screening-Programm (MSP) zur Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen von derzeit 69 Jahre auf 74 Jahre, „gegebenenfalls auch ein, zwei Jahre mehr“, positiv gegenüber. Bevor es jedoch einen solchen Anspruch geben könne, brauche es eine Zulassung des Verfahrens für die Altersgruppe durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), die auf Grundlage eines Gutachtens des Bundesamtes für Strahlenschutz erfolgen müsse.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), so Weiß weiter, habe dann eine maximale Frist von 18 Monaten, um entsprechende Leitlinien zu erlassen. Auch wenn das BMG „nur“ eine Rechtsaufsicht gegenüber dem G-BA habe, so werde sie sich persönlich dafür einsetzen, diese Höchstzeit zu verkürzen, kündigte die Staatssekretärin an.

„Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen“

Eine solche Anhebung der Altersgrenze hatte Anke Eden-Jürgens, Mitglied beim Deutschen Landfrauenverband, in einer Petition gefordert, die auf eine „Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen“ hinwies. Als der Bundestag 2020 das qualitätsgesicherte Mammographie-Screening-Programm beschlossen hat, sei von einer durchschnittlichen Lebenserwartung bei Frauen von 75 Jahren ausgegangen worden. Frauen, die aktuell das 69. Lebensjahr erreicht haben, hätten aber heute eine durchschnittliche Lebenserwartung von 86 Jahren, sagte die Petentin während der Sitzung. „Hier besteht also Anpassungsbedarf“, konstatierte sie.

In ihrer Petition hatte Eden-Jürgens auf Daten des Robert-Koch-Instituts verwiesen, die zeigten, dass das Erkrankungsrisiko an Brustkrebs nach dem 69. Lebensjahr weiter steigt und etwa doppelt so hoch ist wie im „Einstiegsalter“ von 50 Jahren. „Die frühzeitige Erkennung der Krebserkrankung bis zum Alter von 75 Jahren bedeutet daher einen Vorteil für die Frauen in Bezug auf die Heilungschance und schonende Behandlung“, heißt es in der Petition. Die Niederlande, England und Teile Skandinaviens hätten die europäischen Leitlinien des qualitätsgesicherten Mammographie-Screening-Programms bis 75 Jahre schon vor Jahren „mit Erfolg“ umgesetzt, schreibt die Petentin.

Petition zum Mangel an Kinder- und Jugendärzten

Über einen Mangel an Kinder- und Jugendärzten diskutierte der Ausschuss zum Abschluss seiner öffentlichen Sitzung. Der Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz, hatte in seiner Petition davon geschrieben, dass die DAKJ „mit großer Sorge“ erlebe, dass Eltern „aufgrund einer verfehlten Bedarfsplanung keine Kinder- und Jugendärzte mehr finden oder nicht selten wochenlang auf einen Termin warten müssen“.

Die Versorgungsqualität in den Kinder- und Jugendarztpraxen, Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Kinderchirurgie sei „akut gefährdet“, beklagt er und fordert in der Eingabe sicherzustellen, dass die medizinische und pflegerische Betreuung von Kindern und Jugendlichen den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention gerecht wird.

„Weiteres Kinderkliniksterben verhindern“

Es brauche mehr Kinder- und Jugendärzte, sagte Huppertz während der Sitzung. 30 Prozent mehr Medizinstudienplätze seien nötig, um die Verluste an Medizinern aufzufangen. Gestoppt werden müsse auch die massive Abnahme der Zahl an Kinderkliniken und an Betten in Kinderkliniken.

„Es muss mehr unternommen werden, um ein weiteres Kinderkliniksterben zu verhindern“ forderte der Petent. Er begrüßte es als „richtigen Schritt“, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) festgelegt habe, dass Kinderkliniken zur Daseinsvorsorge gehören.

„Ausbildung von Ärzten Ländersache“

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Dr. Thomas Gebhart (CDU), hält es für wichtig, mehr Ärztinnen und Ärzte auszubilden. Mehr Zulassungsmöglichkeiten nutzten nichts, wenn es zu wenig Nachwuchs an Ärzten gebe. „Wer die ärztliche Versorgung in zehn oder zwanzig Jahren sichern möchte, muss heute junge Ärztinnen und Ärzte ausbilden, was Sache der Bundesländer ist, die hier dringend gefordert sind“, sagte er. Auf Nachfrage stellte der BMG-Staatssekretär klar, dass die Möglichkeit bestehe, Krankenhäuser für die ambulante Behandlung zu öffnen. In „unterversorgten Gebieten“ sei eine solche Öffnung vorgesehen. Das Ziel der Bundesregierung sei es aber, dass auch in ländlichen Regionen die ambulante Versorgung gewährleistet werden kann, sagte Gebhart.

Was die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention angeht, so sieht der Regierungsvertreter diese durch Deutschland als erfüllt an. Es gebe Herausforderungen, die angegangen wurden und angegangen werden. Aber: „Wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen, können wir mit Fug und Recht behaupten, dass wir in Deutschland eine sehr gute Versorgung von Kindern und Jugendlichen haben.“ Das gelte es nicht aus dem Blick zu verlieren, befand Gebhart.

Abschließendes Votum in späterer Sitzung

Im Verlauf der öffentlichen Sitzung erhielten die Petenten die Möglichkeit, ihr Anliegen nochmals kurz darzustellen, um dann konkrete Fragen der Ausschussmitglieder zu beantworten.

Ein abschließendes Votum wird der Ausschuss in einer seiner späteren Sitzungen fällen. (hau/26.10.2020)

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